BT-Drucksache 18/5213

Kommunales Ehrenamt stärken - Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf die Rente neu ordnen

Vom 17. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5213
18. Wahlperiode 17.06.2015
Antrag
der Abgeordneten Markus Kurth, Britta Haßelmann, Kordula Schulz-Asche,
Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Brigitte Pothmer, Katja Dörner, Dr. Thomas Gambke, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Lisa Paus, Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws,
Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden, Doris Wagner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kommunales Ehrenamt stärken – Anrechnung von
Aufwandsentschädigungen auf die Rente neu ordnen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das ehrenamtliche Engagement als Bürgermeisterin, Gemeinderats- oder Kreistags-
mitglied, Stadträtin oder als Vertrauensperson der Sozialversicherungsträger bildet ge-
wissermaßen das Wurzelwerk der Institutionen unseres Rechts- und Sozialstaats. Auf-
wandsentschädigungen decken Aufwendungen zur Erhaltung und Sicherung der eh-
renamtlichen Tätigkeit. Sie werden, sofern sie keinen konkreten Verdienstausfall er-
setzen, nicht als Hinzuverdienst im rentenrechtlichen Sinne gewertet. Das geht auf eine
Übergangsregelung zurück, die im Nachgang zu einer Entscheidung des Bundessozi-
algerichts und deren Umsetzung durch die Deutsche Rentenversicherung vom Deut-
schen Bundestag verabschiedet wurde. Nach dieser Entscheidung ist der steuerpflich-
tige Teil der Aufwandsentschädigungen Arbeitseinkommen bzw. Arbeitsentgelt und
damit als Hinzuverdienst anzusehen und kann in der Folge die Erwerbsminderungs-
rente bzw. die vorgezogene Altersrente teils erheblich verringern. Ein Beispiel: Ein
Ratsmitglied einer Gemeinde mit mehr als 450.000 Einwohnern erhält eine monatliche
Aufwandsentschädigung in Höhe von 510 Euro. Der steuerpflichtige Anteil beträgt
235 Euro. Hinzu kommen Einnahmen aus einem Nebenverdienst in Höhe von 400
Euro. Das anzurechnende Gesamteinkommen von 635 Euro läge somit über der Hin-
zuverdienstgrenze von monatlich 450 Euro für eine Vollrente. Die Vollrente würde
automatisch um ein Drittel gekürzt und das Ratsmitglied erhielte nur noch eine 2/3-
Rente. Zwar findet diese Rechtsauffassung aufgrund der Übergangsregelung erst nach
dem 30.09.2017 Anwendung. Doch spätestens nach der kommenden Bundestagswahl
würde es zu teils erheblichen Verschlechterungen für den genannten Personenkreis
kommen. Die Bundesregierung ist indes nicht gewillt, an diesem Zustand etwas zu
ändern (Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage 81 des Abgeordneten
Markus Kurth im März 2015 (Bundestagsdrucksache 18/4642).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das kommunale Ehrenamt stärkt. Hierfür gilt es:
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/5213 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
1. einen Zuverdienst nur dann auf eine vorgezogene Altersrente bzw. eine Er-

werbsminderungsrente anzurechnen, wenn die Summe aus Zuverdienst und
Rente das vorherige Einkommen überschreitet,

2. bei Überschreiten der individuellen Hinzuverdienstgrenze die vorzeitige Alters-
rente bzw. Erwerbsminderungsrente nur um den exakten Eurobetrag zu min-
dern, der diese Grenze überschreitet, und

3. solange eine solche Regelung nicht in Kraft ist, die bis zum 30.09.2017 befris-
tete Übergangsregelung zu verlängern.

Berlin, den 16. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Im Zuge einer geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Bestehen eines abhängigen Beschäf-
tigungsverhältnisses mit beitragspflichtigem Arbeitsentgelt bei ehrenamtlichen Bürgermeistern sind die Ren-
tenversicherungsträger mit Wirkung zum 21.08.2010 dazu übergegangen, den steuerpflichtigen Teil der Auf-
wandsentschädigungen für a) kommunale Ehrenbeamtinnen und Ehrenbeamte, z. B. ehrenamtliche Bürger-
meister/innen und Ortsvorsteher/innen oder Beigeordnete, b) ehrenamtlich in kommunalen Vertretungskörper-
schaften Tätige, z. B. ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder, Kreistagsmitglieder, Stadträtinnen und Stadträte
und c) Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste, Versichertenberaterinnen und Versicher-
tenberater oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger (§ 41 SGB IV) als zu berücksichtigenden
Hinzuverdienst zu werten. Nach einer früheren Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger galten Auf-
wandsentschädigungen nur in der Höhe als Hinzuverdienst, in der sie einen konkreten Verdienstausfall ersetz-
ten.

Die Änderung der Rechtsauffassung hatte bzw. hat für den genannten Personenkreis bürgerschaftlich Enga-
gierter teils erhebliche Folgen. Soweit der steuerpflichtige Teil der Aufwandsentschädigung die jeweilige Hin-
zuverdienstgrenze überschreitet, wird die vorgezogene Altersrente bzw. die Erwerbsminderungsrente umge-
hend in Drittelstufen gekürzt. Zwar hat es in der Vergangenheit Versuche gegeben, die Hinzuverdienstmög-
lichkeiten deutlich zu verbessern. So sollte etwa das geplante Kombirentenmodell der schwarz-gelben Bundes-
regierung die negativen Auswirkungen der Hinzuverdienstregelung dergestalt heilen, als dass Einkommen aus
Rente und Hinzuverdienst in der Höhe des früheren Einkommens ermöglicht würden. Dieses Vorhaben hat es
indes nicht über den Status eines Referentenentwurfs geschafft.

Die Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger ist bis heute nicht umgesetzt worden, weil der Gesetzge-
ber bis zum 30.09.2015 eine fünfjährige Übergangsregelung verabschiedet hat, um das Vertrauen des genann-
ten Personenkreises in die frühere Rechtsauffassung zu schützen. Im Rahmen der Verabschiedung des RV-
Leistungsverbesserungsgesetzes wurde diese Übergangsregelung um weitere zwei Jahre bis zum 30.09.2017
fortgeführt (Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CDU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(11)102).
Doch auch diese Übergangsregelung verschiebt das Problem, anstatt es einer dauerhaft tragfähigen Lösung
zuzuführen. Dabei ist eine zeitlich unbegrenzte Regelung dringend geboten. Zu diesem Ergebnis kommen auch
der Bundesrat in seiner Entschließung vom 17. Dezember 2010 (BR-Drucksache 752/10 (B)), die Sozialdemo-
kratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in der Bundesrepublik Deutschland e. V. in ihrem Beschluss vom
12./13. November 2010 oder etwa der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion in seiner Pressemitteilung vom 21. Mai 2014. Letzterer fordert, die laufende Wahlperiode
auch zu nutzen, um „eine dauerhaft tragfähige Lösung zu finden, die sicherstellt, dass das kommunale Ehren-
amt nicht durch das Rentenrecht unattraktiv gemacht wird“.

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