BT-Drucksache 18/5096

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsunion dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5096
18. Wahlperiode 10.06.2015
Antrag
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katharina Dröge, Claudia Roth (Augsburg),
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem
Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner,
Dr. Thomas Gambke, Anja Hajduk, Corinna Rüffer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Da delen, Dr. Diether Dehm, Annette
Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,
Stefan Liebich, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner, Frank Tempel, Alexander
Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Westafrikanischen
Wirtschaftsunion dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung sowie auf schriftliche Nachfrage angekündigt, dass sie nicht beabsich-
tige, das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zwischen den westafrikani-
schen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten
(ECOWAS) und der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion
(UEMOA) einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ande-
rerseits (COM(2014) 578 final) dem Deutschen Bundestag zur Ratifikation nach Art.
59 Abs. 2 Satz 1 GG vorzulegen. Nach Auffassung der Bundesregierung soll es bei
diesem Abkommen keiner Ratifikation bedürfen, weil es fast ausschließlich in die
Zuständigkeit der Europäischen Union falle bzw. kein politischer Vertrag sei, son-
dern ein „Abkommen von eher technischer Natur.“

Diese Haltung ist für ein der Abkommen zwischen der Europäischen Union und ei-
ner Vielzahl afrikanischer Staaten mit einer eminenten entwicklungspolitischen Be-
deutung nicht nachvollziehbar. Da es sich unstrittig um ein „gemischtes Abkom-
men“ handelt, wird auch die Bundesrepublik Deutschland eigenständiger völker-
rechtlicher Vertragspartner des gesamten Vertragswerkes. Nur am Gesamtvertrags-
werk ist zu messen, ob die politischen Beziehungen des Bundes berührt werden.
Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert hat darüber hinaus festgestellt, dass hier
auch ein politischer Zusammenhang zu den Debatten um die Handels- und Investi-
tionsabkommen CETA und TTIP besteht (Der Spiegel, 11.04.2015).
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/5096 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die Bundesregierung ein fatales Signal sen-
den würde, wenn sie solche Verträge nur über das Kabinett ratifiziert. Sie hat offen-
sichtlich immer noch nicht verstanden, dass solche Formen der Handels- und Wirt-
schaftszusammenarbeit Transparenz und demokratischer Legitimation bedürfen.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem Deutschen Bundestag das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA)
zwischen den westafrikanischen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der west-
afrikanischen Staaten (ECOWAS) und der Westafrikanischen Wirtschafts- und
Währungsunion (UEMOA) einerseits und der Europäischen Union und ihren
Mitgliedstaaten andererseits (COM(2014) 578 final) zur Ratifikation nach Art.
59 Abs. 2 Satz 1 GG vorzulegen,

2. Handels- und Investitionsschutzabkommen der Europäischen Union und ihrer
Mitgliedstaaten wie CETA und TTIP dem Deutschen Bundestag zur Ratifika-
tion nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG vorzulegen.

Berlin, den 9. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Auffassung der Bundesregierung ist schon deshalb in höchstem Maße fragwürdig, weil das so genannte
Cotonou-Abkommen, das das Referenzabkommen des jetzigen WPA ist, mit Zustimmung des Bundestages
ratifiziert wurde (vgl. BR-Drs. 653/01, S. 9). Die Auffassung der Bundesregierung basiert auf einem zu engen
und nicht mehr zeitgemäßen Verständnis des verfassungsrechtlich gebotenen parlamentarischen Ratifikations-
erfordernisses bei völkerrechtlichen Verträgen. Die Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht
die Grundsätze einer recht engen Auslegung, insbesondere dessen was ein „politischer Vertrag“ ist, entwickelt
hat, stammen aus den frühen 1950er-Jahren. Diese Entscheidungen waren erkennbar noch von der einge-
schränkten Souveränität der Bundesrepublik geprägt.

Noch gar nicht Eingang gefunden hat in diese alten Rechtsprechungsformeln, wann bei sogenannten „gemisch-
ten Abkommen“, also Abkommen bei denen sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten der EU Vertrags-
partner sind, von einem politischen Vertrag auszugehen ist. Die Bundesregierung geht hier offensichtlich davon
aus, dass es nur auf den Teil des Vertrages ankommt, der in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Das ist
eine offensichtlich gekünstelte Sichtweise, weil solche Vertragswerke eine Einheit bilden. Wenn bei einem
gemischten Abkommen neben der EU auch die Bundesrepublik Deutschland eigenständiger Vertragspartner
wird, so ist sie völkerrechtlich Vertragspartner des gesamten Vertragswerkes und letztlich ist daher auch nur
an dem gesamten Vertragswerk zu messen, ob die „politischen Beziehungen des Bundes“ berührt werden. Nur
eine solche Gesamtbetrachtung kann erfassen, dass ein Abkommen wie das vorliegende WPA sich nicht nur
auf Regelungen des Handels im engeren Sinne bezieht, sondern auch auf die nachhaltige Entwicklung einer
Weltregion abzielt und damit einen politischen Charakter aufweist.

Auch der Wissenschaftliche Dienst kommt in Fortentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung aus den
1950ern in einem Gutachten (WD 2 – 3000 – 216/4: Zum Zustimmungserfordernis bei sogenannten gemischten
Abkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten) zu dem Ergebnis, dass das WPA als politischer Vertrag
ratifiziert werden muss.

Wie Bundestagspräsident Lammert zutreffend festgestellt hat, kann die Frage einer Ratifikation des WPA nicht
losgelöst von der Diskussion von Abkommen wie CETA und TTIP betrachtet werden. Solche Abkommen
beschäftigen die breite Öffentlichkeit. Schon deshalb bedürfen sie zu ihrer demokratischen Legitimation der
Ratifikation im Deutschen Bundestag.

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