BT-Drucksache 18/504

Mietenanstieg stoppen, soziale Wohnungswirtschaft entwickeln und dauerhaft sichern

Vom 12. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/504
18. Wahlperiode 12.02.2014

Antrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Caren Lay, Halina Wawzyniak,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald,
Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Kerstin
Kassner, Jan Korte, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Petra Pau, Dr. Kirsten
Tackmann, Frank Tempel, Harald Weinberg, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Mietenanstieg stoppen, soziale Wohnungswirtschaft entwickeln
und dauerhaft sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Wohnen in Deutschland wird seit Jahren immer teurer und für immer mehr Mie-
terhaushalte zu einem sozialen Problem, für viele gar zum Armutsrisiko. Steigen-
de Wohnungsmieten sind neben wachsenden Kosten für Heizung, Energie und
andere wohnnotwendige Ausgaben die Haupttriebkraft dieser Entwicklung.
Der Anstieg der Wohnungsmieten ist teilweise auf wachsende Grundstückspreise
und Baukosten, sowie höhere Anforderungen an die Beschaffenheit der Wohnun-
gen zurückzuführen. Weit stärker wirken aber das unausgewogene Verhältnis von
Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsteilmärkten, die monopolartige Domi-
nanz des Privateigentums an vermietbaren Wohnungen und der zunehmende
Einfluss großer, oft internationaler Finanzinvestoren auf dem deutschen Woh-
nungsmarkt.
In den vergangenen Jahrzehnten sind – gemessen an der Entwicklung des Bedarfs
– zu wenige Mietwohnungen mit Sozialbindung gebaut worden. Die gebauten
Wohnungen entsprechen in ihrer Preis- und Beschaffenheitsstruktur nur unzurei-
chend dem unterschiedlichen Wohnbedarf der Mieterinnen und Mieter sowie der
Wohnungssuchenden. Die meisten ehemaligen Sozialwohnungen sind aus der
Zweckbindung herausgefallen und stehen als Alternative zum renditeorientierten
privaten Wohnungsmarkt nicht mehr zur Verfügung.
In städtischen Ballungszentren und Universitätsstädten hat sich eine neue Woh-
nungsnot etabliert, die sich nicht nur in steigenden Wohnkosten ausdrückt, son-
dern auch in einer sich vertiefenden sozialen Spaltung der Stadtbevölkerung. Für
Reiche wird Wohnen in der City zum elitären Statussymbol, während weniger
begüterte Menschen verdrängt werden. Ganze Stadtquartiere werden sozial „ent-
mischt“. Historisch gewachsene Wohnviertel verändern ihren Charakter von
Grund auf.

Drucksache 18/504 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der bestehende ordnungspolitische Rahmen in der Bundesrepublik Deutschland
trägt nicht zur Veränderung dieser Situation bei, sondern konserviert, schützt und
verschärft die herrschenden Verhältnisse.
Die Rechtsstellung von Mieterinnen und Mietern im Verhältnis zu Vermieterin-
nen und Vermietern ist darüber hinaus durch die Mietrechtsreform von 2013
derart verschlechtert worden, dass von ihnen kaum ein wirksamer Gegendruck
auf steigende Mietforderungen aufgebaut werden kann.
Die Verabredungen im Koalitionsvertrag ändern an der Lage der Mieterinnen und
Mieter nichts. Die beschlossenen Maßnahmen bleiben Ausnahmeregelungen,
stehen unter Finanzierungsvorbehalt und sanktionieren rechtlich die geübte Pra-
xis von Mietsteigerungen und Kostenüberwälzungen auf die Mieterinnen und
Mieter.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ihre politische Verantwortung für die Beseitigung von Wohnungsnot und
Wohnungsknappheit anzuerkennen, sie nicht allein an die Bundesländer zu
delegieren sondern mit ihnen und den Kommunen einen gemeinsamen Akti-
onsplan zur Behebung akuter Wohnungsengpässe zu erarbeiten und umzuset-
zen;

2. Maßnahmen zu ergreifen, die ein weiteres Ansteigen der Mieten unterbinden.
Insbesondere sind geeignete Schritte gegen die Einflussnahme ausschließlich
renditeorientierter Finanzinvestoren auf den Wohnungsmarkt zu unterneh-
men;

3. Gesetzliche Regelungen vorzulegen, die Mietsteigerungen auf ein Minimum
reduzieren und die Segregation verhindern, wie insbesondere:
a) Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit dem Ziel, dass

Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserung bei Bestandsmieten nur in
Höhe des Inflationsausgleichs zulässig sind. Mieterhöhungen allein we-
gen der Wiedervermietung einer Wohnung sind unzulässig,

b) Änderung der Vorschriften zur Ermittlung des Mietspiegels mit dem
Ziel, dass die Vergleichsmieten auf der Grundlage aller Bestandsmieten
ermittelt werden,

c) Ergänzung des Baugesetzbuches um das Ziel, sozial ausgewogene Quar-
tiersstrukturen zu schützen,

d) Änderung des BGB mit dem Ziel, dass Vermieterinnen und Vermieter
wegen einer beabsichtigten wirtschaftlichen Verwertung des Grund-
stücks keinen Kündigungsgrund für das Mietverhältnis geltend machen
können, wenn für die betroffenen Mieterinnen und Mieter daraus eine
soziale Härte entsteht,

e) Änderung des Einkommensteuergesetzes mit dem Ziel, die Haltefrist für
Wohnimmobilien so zu verlängern, dass die Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen mit spekulativer Absicht verhindert wird,

f) Änderung des BGB zunächst zur Absenkung der Modernisierungsumla-
ge auf die jährliche Miete in Höhe von 11 auf übergangsweise 5 Prozent
der für die Wohnung aufgewendeten Kosten. Danach Ersetzung der Re-
gelungen, durch die die Kosten der energetischen Sanierung als Maßstab
für die Umlage gelten durch Kriterien der Verbrauchskostenersparnis,

g) Änderung des BGB mit dem Ziel, dass Duldungspflicht bei der Durch-
führung energetischer Modernisierungsmaßnahmen nur dann gilt, wenn
Vermieterinnen und Vermieter für die Maßnahme ihnen zustehende und
verfügbare öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/504

h) Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes zur Klarstellung, dass Mieterhö-
hungen ohne adäquate Gegenleistung des Vermieters oder der Vermiete-
rin grundsätzlich unangemessen sind;

4. Maßnahmen zur bedarfsgerechten Förderung des Sozialen Wohnungsbaus zu
ergreifen, deren Umsetzung in einem Bund-Länder-Konzept verbindlich zu
vereinbaren ist, mit dem Ziel, 150 000 neue mietpreisgebundene Wohnungen
jährlich zu schaffen;

5. in einem ersten Schritt die Kompensationszahlungen des Bundes zur Wohn-
bauförderung von 518 auf 700 Mio. Euro jährlich aufzustocken, zunächst bis
2017 festzuschreiben und das Finanzierungsprogramm im Jahr 2017 zu eva-
luieren, wobei die Mittel neben dem Neubau auch für Bestandssanierung und
den dauerhaften Ankauf oder Rückkauf von Sozialbindungen durch Kommu-
nen für Mietwohnungen verwendet werden können;

6. mit den Ländern Vereinbarungen zur Finanzierung und sachgerechten Ver-
wendung der Mittel ihrer sozialen Wohnraumförderung in gleicher Höhe wie
die jeweiligen Bundesmittel abzuschließen;

7. gemeinsame Festlegungen zu treffen, die die Förderung von Wohneigentum
aus Mitteln des Sozialen Wohnungsbaus unterbinden;

8. durch Bundeszuschüsse in den Ländern Wohnungsbaufonds aufzulegen, die
sich zu revolvierenden Fonds entwickeln und nicht kapitalmarktfinanziert
sind;

9. Bestimmungen zu erlassen, die eine unbefristete Sozialbindung von öffent-
lich geförderten Sozialwohnungen sicherstellen;

10. den Heizkostenzuschuss im Wohngeld wieder einzuführen, das Wohngeld
zu individualisieren und auf die Bruttowarmmiete zu beziehen, die regiona-
len Wohngeldtabellen zu überprüfen und anzupassen;

11. Umstrukturierungen im Bundeshaushalt vorzunehmen, die den objektiven
Erfordernissen des Klimaschutzes auch bei der energetischen Gebäudesanie-
rung tatsächlich gerecht werden. Dazu:
a) ist der Zuschuss des Bundes für die energetische Gebäudesanierung auf

5 Mrd. Euro im Jahr zu erhöhen und verlässlich zu verstetigen;
b) ist in angemessenen Abständen zu prüfen, ob die Zuschüsse ausreichen,

um einerseits die Sanierungsrate des Gebäudebestandes auf 2 Prozent
pro Jahr zu erhöhen und andererseits die Warmmietenneutralität für Mie-
terinnen und Mieter zu gewährleisten. Entsprechende Mittelanpassungen
sind in den Bundeshaushalt einzustellen;

c) sollen Mieterinnen und Mieter sowie Vermieterinnen und Vermieter ei-
nen Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung energetischer Modernisie-
rungsmaßnahmen erhalten, aus der auch die kostenlose Mieter- und
Energieberatung zu finanzieren ist;

d) sind Mittel für die Erstellung eines verbindlichen Sanierungsfahrplanes
bereitzustellen, der bis 2050 stufenweise zu erreichende energetische
Qualitätskriterien von Gebäuden festschreibt;

e) sind bedarfsorientierte Gebäudeenergieausweise für Wohnimmobilien
verbindlich vorzuschreiben, die Bestandteil der Miet- und Kaufverträge
werden;

12. die Städtebauförderung auf 700 Mio. Euro jährlich aufzustocken und zu ver-
stetigen, sie zu einem Instrument des sozialen und klimagerechten Stadtum-
baus zu entwickeln und insbesondere das Programm Soziale Stadt nachhaltig
aufzuwerten, es mit mindestens 150 Mio. Euro jährlich auszustatten;
Drucksache 18/504 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

13. die Länder darin zu unterstützen, in den Kommunen leistungsfähige öffentli-
che Wohnungswirtschaftsgesellschaften und Genossenschaften zu etablieren
(Rekommunalisierungsfonds);

14. Maßnahmen zu ergreifen, die die weitere Privatisierung öffentlicher Woh-
nungen unverzüglich unterbinden. Kommunen dürfen nicht gezwungen wer-
den, Wohnungsbestände aus Gründen der Haushaltskonsolidierung zu ver-
kaufen.

Berlin, den 12. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Ursachen für die gegenwärtig zu beobachtende negative Entwicklung von steigenden Wohnungsmieten
liegen sowohl in einer allgemeinen Preis- und Kostensteigerung in der Immobilienwirtschaft als auch in der
ungebremsten Wirkung von Angebots- und Nachfragediskrepanzen auf den Wohnungsmärkten, die ver-
schärft wird durch das massive Auftreten rein renditeorientierter Finanzinvestoren auf dem Wohnungs-
markt.
Um die gravierendsten Auswirkungen einzudämmen und Vorsorge für eine dauerhaft funktionierende, sozi-
al gerechte Wohnungsversorgung zu treffen, sind einerseits ordnungspolitische Sofortmaßnahmen und an-
dererseits langfristige Strategien zur Reformierung wohnungswirtschaftlicher Strukturen erforderlich.

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