BT-Drucksache 18/4810

Verbot von Fracking in Deutschland

Vom 5. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4810
18. Wahlperiode 05.05.2015
Antrag
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland
Claus, Kerstin Kassner, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot von Fracking in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland wurden zahlreiche Erlaubnisse zur Aufsuchung sogenannter unkon-
ventioneller Erdgas- und Erdölvorkommen vergeben. In Niedersachsen und Nord-
rhein-Westfalen haben verschiedene Energiekonzerne sogar Aufsuchungserlaub-
nisse für weitaus mehr als die Hälfte der Landesoberfläche. Unternehmen erhoffen
sich große Gewinne durch die Ausbeutung dieser Ressourcen. Diese Gasvorkommen
– Kohleflözgas, Schiefergas und Tightgas – sind im Gegensatz zu konventionellem
Erdgas in dichtem Gestein eingeschlossen. Um das im Gestein gebundene Erdgas zu
fördern, wird das riskante Verfahren des Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, an-
gewandt. Dabei wird eine mit gefährlichen Chemikalien versetzte Flüssigkeit mit
hohem Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen und
künstliche Risse zu schaffen.

Die Fracking-Fördermethode ist mit zahlreichen negativen Auswirkungen und Risi-
ken für Mensch und Umwelt verbunden. Dass „die Gefährdung der oberflächenna-
hen Wasservorkommen“ nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wurde in den
vom Umweltbundesamt („Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung
und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten“) und der von Lan-
desregierung Nordrhein-Westfalen („Fracking in unkonventionellen Lagerstätten in
NRW“) in Auftrag gegebenen Studien erneut deutlich.

Risiken und negative Auswirkungen sind insbesondere
die Verunreinigung des Grund- und Trinkwassers durch Chemikalien, Methan

oder Lagerstättenwasser. Diese können durch Unfälle, natürliche oder künstlich
geschaffene Wegsamkeiten im Untergrund sowie undichte Bohrlochabdichtun-
gen und Zementummantelungen an die Oberfläche und in das Grundwasser ge-
langen. Insbesondere die Zementummantelungen sind aufgrund des hohen
Drucks starken Belastungen ausgesetzt und dementsprechend fehleranfällig;

der bei der Förderung anfallende Flowback aus Lagerstättenwasser und Frack-
Flüssigkeit, welcher neben Chemikalien des Frack-Vorgangs häufig unter ande-
rem radioaktive Isotope, Quecksilber und Benzol enthält. Die Entsorgung ist un-
geklärt und unfallträchtig;

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unkontrollierbare und klimabelastende Methan-Austritte aus Bohrleitungen

oder Rissen im gashaltenden Gestein;
die Gefahr von durch Fracking oder die Verpressung von Lagerstättenwasser in

sogenannte Versenkbohrungen ausgelöste Beben;
ein im Vergleich zur Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten

deutlich höherer Flächenbedarf;
eine hohe Lärm- und Luftbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner;
ein hohes Verkehrsaufkommen, insbesondere während des Frack-Vorgangs;
eine erheblich geringere Bohreffizienz mit einem Vielfachen an Bohraufwand

für eine vergleichbare Gasmenge. Das Umweltbundesamt geht in seinem zwei-
ten Gutachten zu Fracking von einem Faktor 30 aus;

die miserable Klimabilanz von Erdgas aus gefrackten unkonventionellen Lager-
stätten, welche schlechter als die von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten
ist.

In einem öffentlich gewordenen Eckpunktepapier an die SPD-Bundestagsfraktion
vom 4. Juli 2014 hatten Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Bundesumweltmi-
nisterin Hendricks einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung zur Aufsuchung
und Förderung von Kohlenwasserstoffen mittels der Fracking-Technik vorgestellt
und dabei „die strengsten Regeln, die es in diesem Bereich jemals gab“, angekündigt.

Insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die Verordnung über die Um-
weltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) sollten so
geändert werden, dass der Einsatz der Fracking-Technik für Gasbohrungen oberhalb
einer Tiefe von 3000 Metern in Schiefergas-Lagerstätten und in Wasserschutzgebie-
ten verboten werden sollte. Auch waren unter anderem für jede Fracking-Bohrung
eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine behördliche Überwachung bei jeder
Bohrung und bei der Versenkung von Lagerstättenwasser vorgesehen.

Die Ende Dezember 2014 an die Verbände übermittelten Referententwürfe der Bun-
desregierung zur Regelung von Fracking fielen bereits deutlich hinter die im Juli
2014 von Bundesumweltministerin Hendricks und vpm Bundeswirtschaftsminister
Gabriel vorgelegten Eckpunkte zurück. Die im April 2015 vom Bundeskabinett be-
schlossenen Gesetzentwürfe enthalten gegenüber den Referentenentwürfen keine
wesentlichen Veränderungen. Von einem Fracking-Verbot kann keine Rede sein; die
vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen laufen in Wirklichkeit auf ein Fracking-
Erlaubnisgesetz hinaus. Zwar sollen Fracking-Vorhaben in Schiefer- und Kohleflöz-
gestein oberhalb von 3000 Metern vorläufig untersagt werden. Aber Unternehmen
können Probebohrungen zur Erforschung beantragen. Würden diese von den Lan-
desbehörden genehmigt, gilt hierfür die 3000-Meter-Grenze nicht mehr. Für andere
Lagerstättentypen wie Tightgas oder Erdölvorkommen ist keinerlei Mindesttiefe
vorgesehen.

Zudem kann die zuständige Landesbehörde Fracking im Schiefergestein oder Koh-
leflözgestein oberhalb von 3000 Metern Tiefe zulassen, wenn eine sechsköpfige
Kommission dies als unbedenklich einstuft. Diese Expertenkommission hat eine
deutliche personelle Schlagseite zu Gunsten der Fracking-Befürworter und in ihr
sitzt kein Mitglied aus der Zivilgesellschaft. Das Einbringen kritischer Aspekte wird
damit bereits durch die Zusammensetzung der Kommission weitgehend unterbun-
den. Selbst von Kommissionsmitgliedern geäußerte Bedenken sind unbeachtlich,
wenn sich die Kommission mehrheitlich für die Unbedenklichkeit entscheidet.

Vergleiche mit Wohnbebauungsabstandsregelungen aus den USA und Australien
zeigen zudem, dass die geplanten deutschen Bestimmungen weit hinter diesen zu-
rückbleiben. Während dort Abstände von mehreren hundert Metern bis 2 000 Meter

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festgelegt sind, sehen die Gesetzentwürfe der Bundesregierung keine Mindestab-
stände vor. In den Bundesländern ist bestenfalls der niedersächsische 100-m-Ab-
stand zur Einzelbebauung die relevante Orientierungsgröße.

Die Behauptung, bei der deutschen Fracking-Gesetzgebung würde es sich um „die
strengsten Regeln, die es in diesem Bereich jemals gab“ handeln, steht in deutlichem
Widerspruch zur Realität, selbst wenn man Fracking-Verbote wie in Frankreich aus-
nimmt. Das Vorhaben der Bundesregierung stellt auch eine wesentliche Abwei-
chung von der ursprünglichen Vorgehensweise der Bundeswirtschafts- und Bundes-
umweltminister Gabriel und Hendricks dar. Denn in dem Eckpunktepapier an die
SPD-Bundestagsfraktion vom 4. Juli 2014 sollte Fracking in Schiefer- und Koh-
leflözgestein noch bis 2021 zu kommerziellen Zwecken komplett verboten und nur
für Forschungsprojekte erlaubt werden. Nun ist den Gaskonzernen eine kommerzi-
elle Ausbeutung von Fracking-Gasvorkommen ab Juli 2018 in Aussicht gestellt wor-
den. Angesichts der genannten Gefahren für Mensch und Umwelt wäre es jedoch
unverantwortlich, Fracking selbst unter Einsatz nicht toxischer Frack-Flüssigkeiten
und unter verschärften Auflagen zu erlauben. Nur ein ausnahmsloses Fracking-Ver-
bot in Deutschland bietet ausreichende Rechtssicherheit.

Weltweit protestieren betroffene Bürgerinnen und Bürger gegen die Anwendung von
Fracking. Staaten wie Bulgarien und Frankreich haben Fracking daher schon verbo-
ten. Auch in Deutschland stößt die Anwendung von Fracking auf großen Wider-
stand. Nach einer Umfrage von TNS Emnid von 2013 unterstützen zwei Drittel der
Befragten ein ausnahmsloses Fracking-Verbot. 450 000 Menschen haben innerhalb
einer Woche die Campact-Petition gegen Fracking unterschrieben. Zahlreiche Ge-
meinden haben sich teils einstimmig gegen Fracking ausgesprochen (z. B. Braun-
schweig, Lüneburg, Hannover, Peine, Osnabrück, Wolfsburg, Wolfenbüttel). In
Nordrhein-Westfalen gilt eine Art Moratorium – dort werden neue Anträge vom
Bergamt nicht genehmigt, sofern Antragsteller nicht erklären, dass sie aktuell und
zukünftig auf Frack-Maßnahmen verzichten werden. Dies ist maßgeblich das Ver-
dienst der Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Organisationen wie Attac und
Campact, die sich außerhalb der Parlamente für eine Bewegung für ein ausnahmslo-
ses Fracking-Verbot einsetzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zum Fracking-Verbot vorzulegen,
a. der durch eine Änderung des Bundesberggesetzes sicherstellt, dass die

Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen mittels hydraulischen
Aufbrechens von Gestein (Hydraulic Fracturing) ohne Ausnahme verboten
ist;

b. der rechtliche Regelungen enthält, die die Unternehmen, denen eine Auf-
suchungserlaubnis für Schiefergas- oder Schieferöl-Vorkommen erteilt
wurde, verpflichten, innerhalb von sechs Monaten einen Nachweis zu er-
bringen, dass eine Förderung auch ohne Fracking oder vergleichbar gefähr-
liche Techniken möglich ist und die zum Widerruf der Aufsuchungserlaub-
nis führen, wenn ein solcher Nachweis nicht oder nicht hinreichend erfol-
gen sollte;

c. der rechtliche Regelungen enthält, die die Unternehmen unverzüglich zur
vollständigen Offenlegung der bisherigen Frack-Vorgänge in Deutschland
inklusive der eingesetzten Stoffe, deren Identität (chemische Zusammen-
setzung, CAS-Nummern, IUPAC-Nomenklatur), der toxikologischen Be-
wertung und der eingesetzten Mengen und zur Zurverfügungstellung dieser
Daten in einem öffentlichen Stoffregister an die zuständigen Behörden und
der Öffentlichkeit gegenüber verpflichten;
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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d. der rechtliche Regelungen enthält, die eine umweltgerechte Entsorgung des
Flowback aus den bereits durchgeführten Fracking-Bohrungen sicherstel-
len und die Verpressung in sogenannte Disposalbohrungen untersagen;

2. für die Aufnahme des Fracking in die Anlage 1 der Espoo-Konvention einzutre-
ten und hierfür die Initiative zu ergreifen, um grenzüberschreitende Umweltver-
träglichkeitsprüfungen bei Fördermaßnahmen mit Fracking in Grenznähe si-
cherzustellen.

Berlin, den 5. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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