BT-Drucksache 18/4206

Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit binden

Vom 4. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4206
18. Wahlperiode 04.03.2015
Antrag
der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert
Behrens, Matthias W. Birkwald, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Sigrid Hupach, Kerstin Kassner, Katja
Kipping, Michael Leutert, Michael Schlecht, Kathrin Vogler, Dr. Sahra
Wagenknecht, Harald Weinberg, Katrin Werner, Jörn Wunderlich, Hubertus
Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit binden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Reiche und vermögende Deutsche können sich der Finanzierung des Gemeinwesens
entziehen, indem sie sich ein Land mit niedriger Besteuerung aussuchen und ihren
Wohnsitz dorthin verlegen. Das geltende Steuerrecht ermöglicht diese Form der
Steuerflucht, da die unbeschränkte Steuerpflicht nur an den Wohnsitz oder den ge-
wöhnlichen Aufenthaltsort geknüpft ist. Das Beispiel der USA zeigt, wie sich diese
Strategie zur Steuervermeidung wirksam eindämmen lässt, indem die unbeschränkte
Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit gebunden wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen und das Steuerrecht mit dem Ziel zu reformieren,
dass deutsche Staatsangehörige, unabhängig von ihrem tatsächlichen Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt, mit ihrem Welteinkommen und ihrem Weltvermögen in
der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dabei sind die
im Ausland gezahlten Steuern auf die Steuerlast der Steuerpflichtigen anzurechnen,
so dass im Inland ausschließlich die entsprechende Differenz fällig wird. Darüber
hinaus sollen Menschen mit dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen für die Bun-
desrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein. Die Bundesregierung ist
zudem aufgefordert, sich auf Ebene der Europäischen Union für eine entsprechende
Bindung der unbeschränkten Steuerpflicht an die jeweilige Staatsbürgerschaft ein-
zusetzen.

Berlin, den 3. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4206 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Reiche und vermögende Deutsche können legal ihre steuerlichen Pflichten in Deutschland vermindern, indem
sie ihren Wohnsitz in niedrig besteuernde Gebiete verlegen. Sie können sich auf diese Weise einer ihnen ange-
messenen Beteiligung an der Finanzierung des Gemeinwesens entziehen, ohne dabei ihren Status als deutsche
Staatsbürgerinnen bzw. -bürger sowie die daraus erwachsenden Vorteile zu gefährden. Die geltenden Regelun-
gen im Außensteuergesetz sind zur Verhinderung dieser Form der Steuerflucht weitgehend wirkungslos, da sie
an für die Finanzverwaltung kaum nachzuweisende Anwendungsbedingungen gekoppelt sind. Demgegenüber
bietet die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft dem Drang der Vermögen-
den und Besserverdienenden, internationale Steuergefälle auszunutzen, in einem wesentlich stärkerem Maße
Einhalt. Damit bleiben Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort verlagern,
auch im Anschluss mit ihrem Welteinkommen und Weltvermögen der inländischen Steuerpflicht unterworfen.
Diese vorgeschlagene Regelung ist in den USA gängige Praxis bei der Einkommensbesteuerung. Sowohl deren
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als auch die Inhaberinnen und Inhaber einer Greencard sind mit ihrem
Welteinkommen in den USA unbeschränkt steuerpflichtig, auch wenn sie im Ausland leben.

Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wird die im Ausland entrichtete Steuer angerechnet, so dass in der
Bundesrepublik Deutschland nur die Differenz der zu zahlenden Steuern fällig wird. Bürokratischer Aufwand
kann durch Pauschalregelungen und die Vorgabe von Mindesteinkommensgrenzen begrenzt werden. Auch
sollten aus entwicklungspolitischen Zielsetzungen oder für Auslandsdeutsche, die keinen wirtschaftlichen An-
knüpfungspunkt in Deutschland haben, Ausnahmeregelungen sowie für Menschen mit mehrfacher Staatsange-
hörigkeit Sonderregelungen eingeführt werden.

Die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft begründet sich insbesondere dar-
aus, dass auch Personen, die ihren Wohnsitz verlegen, zuvor öffentlich finanzierte Infrastruktur z. B. im Be-
reich Bildung und Ausbildung für sich und ihre Kinder in Anspruch genommen haben. Ihr Reichtum resultiert
auch aus den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland. Darüber hinaus kommt die Bundes-
republik Deutschland auch gegenüber im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher Staatsbür-
gerschaft gerade in Notfällen wie Bürgerkriegen, Inhaftierungen, Entführungen o. Ä. einer Fürsorgepflicht
nach. So können sich beispielsweise Auswandererinnen und Auswanderer in den deutschen Botschaften vor-
sorglich als so genannte Auslandsdeutsche registrieren lassen. Auch treten insbesondere prominente Ausge-
wanderte regelmäßig als Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland auf – nicht selten finanziert aus öf-
fentlichen Geldern.

Vor diesem Hintergrund und in Verbindung mit der bevorstehenden Einführung des internationalen automati-
schen Informationsaustausches in Steuersachen kann die Anknüpfung der persönlichen Steuerpflicht an die
Staatsbürgerschaft eine Finanzierung des Gemeinwesens auch durch mobile, wirtschaftlich erfolgreiche Bür-
gerinnen und Bürger sicherstellen. Gleichzeitig kann dadurch dem berechtigten Ziel des Staates Rechnung
getragen werden, die Steuerfluchtgefahr im Interesse der Allgemeinheit zu verringern. Die Bundesrepublik
Deutschland kann damit eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen und somit einen Anreiz setzen, dass auch
andere Staaten die unbeschränkte Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit binden. Sie würde so auch einen
wichtigen Beitrag bei den internationalen Bemühungen zur Eindämmung der Steuervermeidung leisten.

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