BT-Drucksache 18/3972

Zur Lage HIV-positiver Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder

Vom 6. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3972
18. Wahlperiode 06.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Sigrid Hupach, Jan Korte, Sabine
Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Petra Pau, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Azize Tank, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Katrin Werner, Birgit Wöllert und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Lage HIV-positiver Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes und der
Länder

Die medizinische Situation von Menschen mit HIV (Humanes Immundefizienz-
Virus) hat sich in den letzten 15 Jahren massiv verbessert. HIV-Infizierte sind
chronisch erkrankte Menschen mit einer behandelbaren Erkrankung, die zwar
mit Einschränkungen leben, deren Situation, soweit sie die lebensnotwendigen
Medikamente rechtzeitig und dauerhaft erhalten, nicht mehr als dramatisch zu
bezeichnen ist. Das Absinken der Viruslast unter die Nachweisgrenze, zumeist
nach wenigen Wochen, die mittlerweile sehr gute Verträglichkeit und schließlich
die hohe Wirksamkeit der Medikamente mit der Folge einer annähernd normalen
Lebenserwartung, die das Erreichen der Dienstaltersgrenze wahrscheinlich
macht, macht es notwendig, von einem Wandel von HIV/Aids zu sprechen. Viel-
fach wird es auch als „neues Aids“ (Prof. Dr. Martin Dannecker) bezeichnet.
Doch die alten Bilder, Vorurteile und Ängste sind weiterhin manifest.
Etwa zwei Drittel der etwa 80 000 HIV-Positiven gehen einem Beschäftigungs-
verhältnis nach, viele vollberuflich, einige im öffentlichen Dienst. Mehrfach
nahmen die Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Be-
zug auf das Thema HIV und Arbeit. Im Rahmen der Weltaidstagskampagnen
traten HIV-Positive offen auf, sprachen über sich und warben für einen offenen
Umgang mit HIV auch am Arbeitsplatz. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe e. V. be-
arbeitet das Thema auf vielfältige Weise, gibt Materialien dazu heraus, verweist
aber auch immer auf die vielfach noch bestehende Diskriminierung von Men-
schen mit HIV im Arbeitsleben. Fakt ist, dass es keine Berufsverbote für Men-
schen mit HIV gibt und sie in allen Jobs weiter arbeiten können. In der aktuellen
Broschüre der Deutschen Aidshilfe e. V. (DAH) heißt es: „Die Erfahrungen und
eine Studie aus England zeigen, dass Menschen mit HIV im Schnitt genauso
leistungsfähig sind wie ihre Kolleginnen und Kollegen […] Andererseits gibt es
auch HIV-Positive, die gesundheitliche Einschränkungen erleben – wie Men-
schen mit anderen chronischen Erkrankungen auch. Was das für die Arbeits-
fähigkeit bedeutet, muss im Einzelfall beurteilt werden“ (HIV und Arbeit, Infos
für Arbeitgeber, DAH, Berlin, S. 9). Die Landesregierung NRW sieht für HIV-
Positive keinerlei Gründe, die einer Einstellung oder gar Verbeamtung entgegen-
stünden (Ministerialblatt MBl. NRW, Ausgabe 2012, Nr. 30 vom 12. Dezember
2012, S. 711 bis 718).
Der öffentliche Dienst, insbesondere die Behörden des Bundes und der Länder,
sollten eine Vorbildfunktion ausüben, um Diskriminierungen zu unterbinden

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und wirkliche Inklusion vorleben. Um die Beantwortung von Fragen zu ermög-
lichen, bei denen eine Abfrage bei den zuständigen Länderbehörden notwendig
ist, erklären sich die Fragesteller mit einer Fristverlängerung zur Beantwortung
der Kleinen Anfrage einverstanden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern ist es gesichert, dass der aktuelle Wissensstand zum Thema HIV

und Arbeit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Diens-
tes vorhanden ist?

2. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass keine Diskriminierung von Men-
schen mit HIV im öffentlichen Dienst stattfindet, und dass es bei Fällen von
Diskriminierung kompetente Ansprechpartner gibt?

3. Sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes Mate-
rialien zum aktuellen Wissensstand zugänglich?
Inwiefern haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst
eine Fortbildung zu HIV und Arbeit besucht, bzw. ist dieses Thema Bestand-
teil in den Aus- oder Weiterbildungen (die Fragesteller bitten um eine Ab-
frage bei den Ländern)?

4. Falls es zu Fragen oder Problemen im Umgang mit Kolleginnen und Kolle-
gen kommt, an wen können sich Menschen mit HIV oder ihre Kolleginnen
und Kollegen wenden?
Gibt es an diesen Stellen geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum
Thema HIV (die Fragesteller bitten um eine Abfrage bei den Ländern)?

5. Inwiefern stellt die Bundesregierung sicher, dass Vorgesetzte in Bundesbe-
hörden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit HIV adäquat unterstützen kön-
nen und es nicht zu Fehleinschätzungen der Arbeitsfähigkeit kommt (z. B. ei-
nem Rat zur Verrentung bei symptomloser HIV-Infektion)?

6. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass Amts-
ärzte über den aktuellen Wissensstand zu HIV informiert sind und wissen,
dass HIV-Tests nicht Teil von arbeits- und betriebsmedizinischen Untersu-
chungen sind?

7. Inwiefern kann gewährleistet werden, dass Bundesbehörden gegenüber HIV-
Positiven, z. B. in Fragen der Verbeamtung oder auch der bloßen Befragung
nach dem Serostatus (bei einer Einstellungsuntersuchung), ähnlich handeln
wie in Nordrhein-Westfalen, wo dies durch einen Ministerialerlass aus dem
Jahr 2012 gewährleistet ist, und plant die Bundesregierung gegebenenfalls
einen ähnlichen Erlass für Bundesbehörden?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Probleme und Lebens-
lagen von HIV-positiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen
Dienst?

9. Sieht die Bundesregierung die Bundesbehörden in einer Vorbildfunktion für
die Integration HIV-positiver Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und welche
Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus dem sozialen Klima ge-
genüber den Betroffenen, so dass diese auch offen mit ihrer Infektion umge-
hen können (wir bitten um eine Abfrage bei den Ländern)?

Berlin, den 6. Februar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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