BT-Drucksache 18/3346

Aufarbeitung von Luxemburg-Leaks in Deutschland

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3346
18. Wahlperiode 25.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus,
Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Ekin Deligöz, Anja Hajduk, Dieter Janecek,
Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufarbeitung von Luxemburg-Leaks in Deutschland

In den letzten Wochen haben Enthüllungen des Internationalen Konsortiums
Investigativer Journalisten unter dem Titel Luxemburg-Leaks geheime Abspra-
chen zwischen der luxemburgischen Finanzverwaltung und einzelnen interna-
tionalen Konzernen ans Licht gebracht. Durch diese so genannten tax rulings
haben diese Unternehmen laut den Recherchen Steuerzahlungen in giganti-
schem Ausmaß vermieden. Bei den untersuchten verbindlichen Vorbescheiden
(Advance Tax Agreements) von knapp 350 Unternehmen wurde in 86 Doku-
menten ein Bezug zu Deutschland festgestellt. So setzte zum Beispiel die Deut-
sche Bank AG komplizierte Konstruktionen im Bereich der Immobilien-
geschäfte auf, mit denen viele 100 Mio. US-Dollar Steuern vermieden wurden.
Auch andere deutsche Unternehmen wie E.ON Energie Deutschland GmbH und
Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA ließen sich Steuerrabatte in Luxem-
burg gewähren bzw. nutzen die günstigen steuerlichen Regelungen aus.
Das genaue Ausmaß der Steuergestaltung deutscher Unternehmen durch tax ru-
lings in Luxemburg wurde bisher nicht beziffert. Die Berichte der investigativen
Journalisten werfen zudem die Frage auf, inwiefern es sich bei allen deutschen
Fällen tatsächlich um legale Steuergestaltung handelt, oder ob diese überprüft
werden müssten, z. B. weil die Tochterunternehmen der betroffenen deutschen
Konzerne und Fonds in Luxemburg reine vermögensverwaltende Briefkasten-
firmen sind. Die in Luxemburg-Leaks untersuchten Steuerdeals wurden in der
Regel von PricewaterhouseCoopers AG (PWC) ausgehandelt. Welche Rolle die
großen Wirtschaftsberatungsgesellschaften für die Steuergestaltung multinatio-
naler Konzerne spielen und welche Verantwortung ihnen dabei zukommt, ist
bisher unzureichend geklärt. Es ist zudem fraglich, inwiefern die tax rulings mit
dem Beihilferecht der Europäischen Union (EU) vereinbar sind. Die Europä-
ische Kommission untersucht in Luxemburg bereits einige Einzelfälle. Neben
zahlreichen deutschen Unternehmen gibt es auch staatlich geförderte Fonds der
Entwicklungszusammenarbeit, wie dem Africa Agriculture and Trade Invest-
ment Fund (AATIF), die ihren Sitz in Luxemburg haben. Das Ausmaß der in
Luxemburg angesiedelten Fonds oder Unternehmen, die sich in Besitz oder
Teilbesitz des Bundes befinden, ist bislang nicht bekannt.

Drucksache 18/3346 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit plant die Bundesregierung eine eigene Auswertung der veröffent-

lichten Daten aus Luxemburg-Leaks, wird sie dazu eine Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe einberufen, in welchem Zeitraum soll dies geschehen, und
wenn keine umfassende Auswertung geplant ist, warum nicht?

2. Wie definiert die Bundesregierung tax rulings?
3. Inwieweit hält es die Bundesregierung für möglich und erstrebenswert, in-

nerhalb von sechs Monaten in Abstimmung mit den Ländern konkrete Er-
gebnisse vorlegen zu können, wie eine Steuergestaltung über tax rulings
verhindert werden kann?

4. Wie hoch sind nach Schätzung der Bundesregierung die Steuerminderein-
nahmen für den deutschen Fiskus aufgrund der tax rulings der Luxemburger
Steuerbehörden mit Unternehmen?

5. Inwieweit hält die Bundesregierung die Einrichtung von zentralisierten
Steuerabteilungen, die gezielt die Steuerprüfung von internationalen Kon-
zernen oder einkommensstarken Privatpersonen vornehmen (sog. Large Tax
Payer Unit), für zielführend, um frühzeitig internationale Steuervermei-
dungsstrategien aufzudecken und darauf reagieren zu können?

6. Inwieweit plant die Bundesregierung, eine auf Bundesebene zentralisierte
und allein zuständige Steuerabteilung, die gezielt die Steuerprüfung von in-
ternationalen Konzernen oder einkommensstarken Privatpersonen vor-
nimmt (sog. Large Tax Payer Unit), einzurichten?

7. Inwieweit gibt es Gespräche zwischen Bund und Ländern über die Einrich-
tung einer auf Bundesebene zentralisierten und allein zuständigen Steuerab-
teilung, die gezielt die Steuerprüfung von internationalen Konzernen oder
einkommensstarken Privatpersonen vornimmt (sog. Large Tax Payer Unit,
bitte wichtige Gesprächstermine mit Datum auflisten)?

8. Hält die Bundesregierung die Praxis Luxemburgs, über die Gewährung von
Steuerrabatten in Einzelfällen Unternehmen zu fördern, für vereinbar mit
dem europäischen Beihilferecht?

9. Erwägt die Bundesregierung nach Prüfung der Unterlagen aus Luxemburg-
Leaks, eine Klage auf Verstoß gegen europäisches Beihilferecht einzurei-
chen?

10. Hält die Bundesregierung tax rulings für Einzelunternehmen insgesamt für
vereinbar mit dem europäischen Beihilferecht?

11. Unter welchen Bedingungen hält die Bundesregierung tax rulings für nicht
steuerschädlich?

12. Inwiefern wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, tax
rulings auf Ebene der EU abzuschaffen?

13. Inwiefern wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, tax rulings in Zu-
kunft transparent zu machen, zum Beispiel im Rahmen eines öffentlichen
Registers über eine Änderung der EU-Rechnungslegungsrichtlinie?

14. Welche Informationen lagen den Finanzbehörden in Deutschland vor Lu-
xemburg-Leaks über die tax rulings deutscher Unternehmen mit Luxemburg
vor?

15. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung die deutschen Finanz-
behörden in der Vergangenheit und aktuell über die luxemburgischen tax
rulings Auskunft verlangt (vgl. Interview mit dem Luxemburger Finanzmi-
nister Pierre Gramegna, Süddeutsche Zeitung vom 12. November 2014

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3346
„Alle Länder dürfen fragen. Und die meisten machen das auch. Wenn das
Herkunftsland des Unternehmens nicht einverstanden ist, dann wird etwas
geschehen.“)?

16. Welche Effekte verspricht sich die Bundesregierung von der Idee einer Ein-
beziehung der tax rulings in den spontanen Informationsaustausch nach der
EU-Amtshilferichtlinie?

17. Wie grenzt die Bundesregierung die sogenannten tax rulings von der auch
in Deutschland eingeführten verbindlichen Auskunft durch die Steuerbehör-
den ab?

18. Sind der Bundesregierung neben Luxemburg weitere EU-Staaten bekannt,
die steuerliche Absprachen mit Einzelunternehmen treffen, und wenn ja,
welche?

19. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Praxis der Niederlande, Unternehmen steuerliche Sonderbedingun-
gen zu gewähren, im Hinblick auf das europäische Beihilferecht, und
a) sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen deutsche Unternehmen

steuerliche Sonderabsprachen in den Niederlanden getroffen haben, und
b) sieht die Bundesregierung einen Interessenkonflikt beim Chef der Euro-

gruppe, Jeroen Dijsselbloem, im Hinblick auf eine europäische Ein-
schränkung sogenannter tax rulings und anderer steuerlicher Sonder-
bedingungen, z. B. sogenannter Patent- und Lizenzboxen?

20. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen deutsche Steuerbehörden
Absprachen mit Unternehmen über steuerliche Sonderbehandlungen (tax
rulings) gemacht haben,
a) und wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus

diesen Absprachen im Hinblick auf das europäische Beihilferecht, und
b) welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie insgesamt aus

der nationalen Praxis, steuerliche Absprachen mit Einzelunternehmen zu
treffen?

21. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass einzelne Länderfinanzbehör-
den Absprachen mit Unternehmen über steuerliche Sonderbehandlungen
gemacht haben?

22. Inwiefern hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob bei den deut-
schen Unternehmen, die in den Luxemburg-Leaks-Unterlagen genannt
werden, Fälle dabei sind, bei denen lediglich vermögensverwaltende Brief-
kastenfirmen ohne signifikante unternehmerische Tätigkeit im Ausland
unterhalten werden, die unter § 7 ff. des Außensteuergesetzes fallen könn-
ten?

23. Plant die Bundesregierung die durch Luxemburg-Leaks bekanntgewor-
denen Fälle im Hinblick auf eine Besteuerung in Deutschland nach § 7 ff.
des Außensteuergesetzes zu prüfen, und wenn nein, warum nicht?

24. Welche Fonds in Besitz oder Teilbesitz des Bundes (auch Fonds, die über
die KfW Bankengruppe oder Sondervermögen im Besitz des Bundes gehal-
ten werden) haben ihren Hauptsitz oder eine Betriebsstätte in Luxemburg
(bitte mit konkreten Angaben Hauptsitz/Betriebsstätte versehen)?

25. Welche Fonds im Besitz oder Teilbesitz der Länder (auch Fonds, die über
die Landesbanken oder Sondervermögen im Besitz der Länder gehalten
werden) haben ihren Hauptsitz oder eine Betriebsstätte in Luxemburg (bitte
mit konkreten Angaben Hauptsitz/Betriebsstätte versehen)?

Drucksache 18/3346 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
26. Welche Fonds im Besitz oder Teilbesitz des Bundes (auch Fonds, die über
die KfW Bankengruppe oder Sondervermögen im Besitz des Bundes gehal-
ten werden) haben ihren Hauptsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutsch-
land (bitte jeweils das Sitzland angeben)?

27. Welche Unternehmen im Besitz oder Teilbesitz des Bundes (Beteiligungen
ab 25 Prozent und eingeschlossen indirekte Beteiligungen über bundes-
eigene Unternehmen oder Sondervermögen) unterhalten eine Betriebsstätte
oder besitzen eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Luxemburg?

28. Wie hoch ist die Steuerquote von Unternehmen im Besitz oder Teilbesitz
des Bundes (Beteiligungen ab 25 Prozent und eingeschlossen indirekte
Beteiligungen über bundeseigene Unternehmen oder Sondervermögen,
bitte Steuerquote für den Gesamtkonzern angeben) mit einem Sitz in
Luxemburg im Vergleich Unternehmen im Besitz oder Teilbesitz des Bun-
des, die keinen Sitz in Luxemburg haben?

29. Haben bundeseigene Fonds oder bundeseigene Unternehmen bzw. deren
Tochtergesellschaften nach Kenntnis der Bundesregierung steuerliche Ab-
sprachen mit luxemburgischen Behörden oder Behörden anderer Staaten,
und wenn ja, wie sehen diese tax rulings aus?

30. Haben landeseigene Fonds oder landeseigene Unternehmen bzw. deren
Tochtergesellschaften nach Kenntnis der Bundesregierung steuerliche Ab-
sprachen mit luxemburgischen Behörden oder Behörden anderer Staaten,
und wenn ja, wie sehen diese tax rulings aus?

31. Haben Fonds oder Unternehmen im Teilbesitz des Bundes (Beteiligungen
ab 25 Prozent, auch wenn die Beteiligung über die KfW Bankengruppe oder
ein bundeseigenes Sondervermögen gehalten wird) steuerliche Absprachen
mit luxemburgischen Behörden oder Behörden anderer Staaten, und wenn
ja, wie sehen diese tax rulings aus, und mit welchen Staaten wurden sie
vereinbart?

32. Wie bewertet die Bundesregierung die Nutzung von Steuergestaltungs-
modellen durch bundeseigene Unternehmen und Fonds bzw. Unternehmen
und Fonds im Teilbesitz des Bundes, und welche Maßnahmen hat die Bun-
desregierung in ihrer Verantwortung als aufsichtsführende Institution unter-
nommen, um solche Gestaltung mit dem Ziel der Steuervermeidung zu un-
terbinden?

33. Welche Kontakte unterhalten der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang
Schäuble, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministe-
riums der Finanzen (BMF) zu den sogenannten Big 4 der Wirtschaftsprüfer-
gesellschaften PricewaterhouseCoopers AG, Ernst&Young GmbH Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
und Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, und
a) konkret wie oft hat sich der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble

seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2009 mit Vertreterinnen und Vertre-
tern dieser vier Beratungsunternehmen getroffen,

b) wie oft haben sich Staatssekretäre des BMF seit dem Jahr 2009 mit Ver-
treterinnen und Vertretern der genannten Unternehmen getroffen,

c) wie oft haben sich Abteilungsleiter des BMF mit Vertretern der vier
Unternehmen getroffen,

d) und wie oft haben sich andere Bedienstete des BMF mit den genannten
Unternehmen getroffen (bitte jeweils mit Angabe von Datum und Anlass
der Termine, Beteiligten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3346
34. Haben eine oder mehrere der in Frage 33 genannten Unternehmen seit dem
Jahr 2009 Aufträge und Beratungsleistungen im Auftrag des BMF oder an-
derer Bundesministerien erbracht (bitte Auftrag, Datum und auftraggeben-
des Bundesministerium angeben)?

35. Haben andere Wirtschaftsprüfergesellschaften, Unternehmensberatungen
oder Steuerkanzleien seit dem Jahr 2009 Beratungsleistungen im Auftrag
des BMF erbracht (bitte Angaben mit Auftrag und Datum)?

36. Gibt es laufende Aufträge an eines der in Frage 33 genannten Unternehmen,
und wenn ja, aus welchem Bundesministerium, und zu welchem Inhalt?

37. Gibt es seitens des BMF laufende Aufträge an andere Beratungsgesellschaf-
ten oder Steuerkanzleien (bitte mit Auftragnehmer und Inhalt angeben)?

38. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMF wurden seit dem Jahr
2009 aus einem der in Frage 33 genannten Unternehmen ausgeliehen oder
übernommen, und wie viele Mitarbeiter des BMF wurden im selben Zeit-
raum an die genannten Unternehmer verliehen bzw. haben nach Ausschei-
den aus dem BMF nach Kenntnis der Bundesregierung dort einen Arbeits-
platz aufgenommen (bitte jeweils angeben, in welcher Abteilung des BMF
die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig waren)?

39. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMF wurden seit dem Jahr
2009 aus anderen privaten Kanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaf-
ten geliehen oder verliehen (bitte jeweils angeben, mit welchem Unterneh-
men/welcher Kanzlei der Austausch stattfand)?

Berlin, den 25. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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