BT-Drucksache 18/3325

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2812, 18/2823, 18/2824, 18/2825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3325
18. Wahlperiode 25.11.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Stephan Kühn (Dresden), Ekin
Deligöz, Anja Hajduk, Dr. Tobias Lindner, Harald Ebner, Matthias Gastel,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald, Lisa Paus,
Corinna Rüffer, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2812, 18/2823, 18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr
und digitale Infrastruktur

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

i) Die drohende Klimakatastrophe erfordert eine Verkehrswende

Der Verkehrssektor in Deutschland verantwortete 2012 rund 20 Prozent der
energiebedingten Treibhausgasemissionen. Deutschland hat sich in der interna-
tionalen Klimaschutzpolitik zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels die Reduktion
der Treibhausgasemissionen bis 95 Prozent zum Ziel gesetzt.

Ohne ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept für den Verkehrssektor wird
Deutschland seine internationalen Klimaschutzverpflichtungen nicht erfüllen
können.

Um den Verkehrssektor auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen, brauchen wir
eine nachhaltige Verkehrswende in Deutschland. Insbesondere bei den Ver-
kehrsinfrastrukturinvestitionen sind wegen der langfristigen Wirksamkeit und
recht schwerfälligen Umsetzung entsprechender Entscheidungen wichtige
Richtungsentscheidungen nicht länger aufzuschieben. Vor diesem Hintergrund

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eröffnen der Bundeshaushalt und der Bundesverkehrswegeplan 2015 große
Chancen zu einer umfassenden Neuausrichtung der Verkehrsinfrastrukturpoli-
tik, die jetzt genutzt werden müssen.

ii) Die Verkehrswende braucht Innovationen, Kapazitätsausbau auf der Schiene
und verlässliche Nahverkehrsfinanzierung

Die Verkehrspolitik in Deutschland muss sich ändern und nachhaltig werden.
Für die gezielte und langfristig angelegte Entwicklung des Schienennetzes und
die Steuerung von Investitionen brauchen wir ein Zielnetz für das Jahr 2050.
Dabei müssen sich die spezifischen Anforderungen von Personen- und Güter-
verkehr widerspiegeln. Sollen möglichst schnell Verlagerungseffekte auf die
Schiene erreicht werden, dann muss die Beseitigung von Engpässen in einem
ersten Schritt absoluten Vorrang bekommen. Schwerpunkte sind dabei der Aus-
bau von Hauptkorridoren für den Schienengüterverkehr mit Bypässen und die
Engpassbeseitigung in den Knoten. Innerhalb einer Dekade könnte so infra-
strukturseitig die Grundlage für eine Verdoppelung der Verkehrsleistung auf
der Schiene gelegt werden.

Bei der Finanzierung des Nahverkehrs auf der Schiene geht es jetzt darum, die
Regionalisierungsmittel, als wichtigste Säule der deutschen Nahverkehrsfinan-
zierung, zukunftsfähig auszugestalten. Seit der letzten Revision der Regionali-
sierungsmittel im Jahr 2002 beträgt die Dynamisierungsrate 1,5 Prozent. Es be-
steht politischer Konsens darüber, dass diese Steigerung die spezifische Kos-
tenentwicklung des Sektors nicht mehr abbildet. Durch die überproportionalen
Preissteigerungen bei den Infrastrukturentgelten (Trassen- und Stationspreise)
in der vergangenen Dekade (zwischen 2,5 und 3 Prozent) hat eine kontinuierli-
che „Kaufkraftentwertung“ bei den Bestellern von SPNV-Leistungen stattge-
funden. Durch das geplante Aussetzen der Dynamisierung im Haushaltsjahr
2015 würde dies noch beschleunigt werden, so dass vertraglich vereinbarte An-
gebotsausweitungen nicht gesichert sind und es sogar zur Abbestellung von
Leistungen kommen kann. Deshalb muss die Dynamisierungsrate bis zur end-
gültigen Revision mit mindestens 1,5 Prozent weitergeführt werden. Mit der
endgültigen Revision, die so schnell wie möglich vereinbart werden muss, ist
die Dynamisierung auf mindestens 2,5 Prozent anzuheben.

Im Bundeshaushalt wird zur Unterstützung nachhaltiger Mobilität eine neue
Titelgruppe „Innovationen für eine nachhaltige Mobilität, Elektromobilität,
Fahrrad- und Fußverkehr“ eingerichtet. Mit Auflösung des Energie- und Kli-
mafonds und Umschichtung in den regulären Bundeshaushalt werden die Gel-
der aus dem Titel „Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität“
in dieser neuen Titelgruppe verwendet. Zusätzlich werden Mittel aus dem Neu-
und Ausbau von Bundesfernstraßen zur Verstärkung umgeschichtet, um ein
neues Programm in Höhe von 50 Millionen Euro für fußgänger- und fahrrad-
freundliche Städte und Gemeinden zu starten.

iii) Verkehrsinfrastrukturpolitik der Bundesregierung: keine Ziele, keine Visionen
und falsche Prioritäten

Die Bundesregierung setzt trotz des massiven Sanierungsstaus und des Defizits
beim Erhalt des Bestandsnetzes, das zuletzt durch die Daehre- und Bodewig-
Kommission bestätigt wurde, immer noch viel zu viel Geld für den Neubau von
Autobahnen und Bundesstraßen ein. Der Vorrang für neue Projekte hat dazu
geführt, dass jahrzehntelang die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur auf unver-
antwortliche Weise vernachlässigt wurde. In absehbarer Zeit wird beispiels-
weise die Hälfte aller Autobahnbrücken ihr Abschreibungsalter erreicht oder

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überschritten haben. Auch im Eisenbahnnetz wächst der Ersatzinvestitionsbe-
darf bei Brücken. Die Masse an Erhaltungsbedarf macht einen Paradigmen-
wechsel in der Infrastrukturpolitik unumgänglich. Das Prinzip „Erhalt vor Neu-
und Ausbau“ muss endlich auch im Haushalt Priorität erhalten, wenn Deutsch-
land nicht auf eine umfassende Infrastrukturmisere zusteuern soll.

Verkehrsminister Dobrindt hat im Sommer 2014 außerhalb des Straßenbau-
plans für 27 neue Bundesfernstraßenprojekte mit einem Projektvolumen von
insgesamt 1,7 Milliarden Euro die Baufreigabe erteilt. Auch für ein Projekt in
seinem eigenen Wahlkreis hat Verkehrsminister Dobrindt die Gelder für den
neuen Spatenstich locker gemacht. Unter den 27 neuen Straßenprojekten befin-
den sich 11 Vorhaben, die nach der im Frühjahr 2014 durch das Bundesver-
kehrsministerium veröffentlichten Grundkonzeption des BVWP 2015 bzw. den
entsprechenden Projektanmeldungen disponibel waren und daher neu bewertet
werden sollten. Mit der Baufreigabe schafft der Bund Fakten und unterbindet,
oftmals befeuert durch den Einfluss und Druck lokaler schwarz-roter Bundes-
tagsabgeordneter, die ergebnisoffene Überprüfung im Zuge der Bundesver-
kehrswegeplanung, die auch zu weniger aufwändigen Lösungen, Einstufung in
eine andere Bedarfskategorie oder sogar zur faktischen Streichung des jeweili-
gen Vorhabens führen kann.

Betrachtet man darüber hinaus die Investitionsschwerpunkte bei den Neubegin-
nen des Jahres 2014, so ist zu erkennen, dass der Löwenanteil der Mittel für den
Neubau von Bundesstraßen eingesetzt wird. Rund 800 Millionen Euro oder
46,3 Prozent der Mittel für Neubau fließen damit vor allem in den Bau von
Ortsumgehungen. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Aussagen in der
Grundkonzeption des BVWP 2015, wonach künftig bis zu 80 Prozent des Neu-
baubudgets zur Engpassbeseitigung im Autobahnnetz Verwendung finden soll.
Statt klare Schwerpunkte zu setzen und zumindest mit dem Umsteuern zu be-
ginnen, setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Spatenstichpoli-
tik seiner Vorgänger fort und verteilt nach Regionalproporz und anderen sach-
fremden Aspekten die Straßenbaumittel über die Republik.

iv) Strukturreformen anpacken: Infrastruktur bilanzieren – Auftragsverwaltung
überprüfen

Vorhandenes Anlagevermögen erleidet durch Nutzung und Alter andauernd
Wertverluste. Da eine Aufstellung des Infrastrukturzustandes und Erhaltungs-
bedarfs in der bestehenden kameralen Haushaltssystematik nicht erfolgen
muss, neigt der Bundeshaushalt zu teuren Neuinvestitionen. Für laufende Er-
haltungsmaßahmen stehen strukturell zu wenige Mittel zur Verfügung. Der
Einzelplan 12 muss deswegen deutlich transparenter werden. Der kritische Inf-
rastrukturzustand geht nicht nur auf die generelle finanzielle Vernachlässigung
des Straßenunterhalts zurück, sondern ist auch bedingt durch Defizite bei der
Auftragsverwaltung. Im April 2014 hat der Bundesrechnungshof erneut in ei-
nem Gutachten über das Kostenmanagement im Bundesfernstraßenbau Mängel
bei Planung und Bau von Projekten des Bedarfsplans Straße offengelegt. Das
unzureichende Kostenmanagement bei Bundesfernstraßen führt er dabei aus-
drücklich auf das jetzige Organisationsmodell der Auftragsverwaltung zurück.
Die Auftragsverwaltung gehört deswegen kritisch auf den Prüfstand.

v) ÖPP-Stratgie ist ein teurer und gefährlicher Irrweg

Verkehrsminister Dobrindt verstärkt im Bundeshaushalt 2015 noch die Stra-
ßenprojekte mit Öffentlichen-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Das ist ein teurer
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/3325 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
und gefährlicher Irrweg. Der Staat refinanziert sich derzeit um Längen günsti-
ger als es Private jemals könnten. Zum Zinsnachteil der Privaten tritt noch deren
Renditeerwartung hinzu, welche die Investitionskosten weiter in die Höhe
treibt. Ähnlich wie bei Krediten werden mit ÖPP-Projekten lediglich die Finan-
zierungsverpflichtungen in die Zukunft verschoben. Die „Heute-bauen-mor-
gen-bezahlen-Mentalität“ schmälert mit jedem neuen Vorhaben die Ergiebig-
keit der Lkw-Maut und geht so zu Lasten künftiger Generationen, denn die Zin-
sen und Tilgung für die Konzessionsnehmer müssen über 30 Jahre mit Haus-
haltsmitteln bzw. Einnahmen aus der Lkw-Maut bedient werden. Schlussend-
lich wird die öffentliche Hand nicht um eine Gewährleistung und Bürgschaft
für die privaten Investitionen umhinkommen. ÖPP führen so zu einer künstli-
chen Verteuerung von Investitionen. Mit dieser extrem teuren Form der Infra-
strukturfinanzierung umgeht die Bundesregierung die Schuldenbremse. Am
Ende steht eine Teilprivatisierung öffentlicher Infrastruktur mit gravierenden
Folgen. Dies hat auch der Bundesrechnungshof jüngst ausführlich in seinem
Bericht zu Milliardenmehrkosten beim Autobahnbau durch ÖPP dargelegt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– im Haushalt 2015 dem Erhalt des Bundesfernstraßennetzes klaren Vorrang
vor dem Neu- und Ausbau einzuräumen und dafür eine Milliarde Euro zu
Gunsten von Erhaltungsinvestitionen aus den Neu- und Ausbautiteln sowie
ÖPP-Projekten umzuschichten;

– die Investitionslinie für Vorhaben des Bedarfsplans Schiene auf 1,7 Milli-
arden Euro anzuheben;

– über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, der DB ein zinsloses Darlehen in
Höhe von 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen;

– die Dynamisierungrate von 1,5 Prozent bei den Regionalisierungsmitteln bis
zur endgültigen Revision wieder einzusetzen;

– den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs zu folgen und keine neuen
ÖPP-Vorhaben im Bereich der Bundesfernstraßen zu planen oder zu begin-
nen;

– die Infrastrukturvermögenswerte kaufmännisch nach den Prinzipien des
Handelsgesetzbuches zu erfassen und als jährliche Bilanz zusammen mit
dem Entwurf für den jeweils kommenden Haushalt offenzulegen;

– eine neue Titelgruppe „Innovationen für eine nachhaltige Mobilität, Elekt-
romobilität, Fahrrad- und Fußverkehr“ im Einzelplan 12 im Haushalt 2015
einzuführen und daraus u. a. ein Modellprogramm in Höhe von 50 Millionen
Euro für fußgänger- und fahrradfreundliche Städte und Gemeinden zu fi-
nanzieren;

– sich auch bei den 11 Vorhaben des Bedarfsplans Straße, für die im Sommer
2014 durch das BMVI die Baufreigabe erteilt wurde, an die Vorgabe der
Grundkonzeption des BVWP und die Festlegungen der Projektanmeldun-
gen des Bundesverkehrswegeplans 2015 zu halten und die Vorhaben ent-
sprechend der beschlossenen Vorgaben neu zu bewerten. Die erteilten Bau-
freigaben sind umgehend zu revidieren; alle bereits veranlassten weiteren
Vorbereitungen zum Bau der Vorhaben sind bis zum Abschluss der Über-
prüfung der Vorhaben und der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans
2015 einzustellen.

Berlin, den 24. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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