BT-Drucksache 18/3315

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3315
18. Wahlperiode 25.11.2014

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Jan Korte, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid
Hupach, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Petra Pau, Martina Renner, Kersten
Steinke, Azize Tank, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Harald Weinberg, Katrin Werner, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen
Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands

A. Problem
Obwohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hilft, viele Diskrimi-
nierungen zu verringern, weist es noch zahlreiche Lücken auf. Es fehlt ein ausrei-
chender Diskriminierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen und Men-
schen mit Pflegebedarf. Anders als in vielen anderen Ländern Europas und entge-
gen einer ausdrücklichen Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation
(ILO) sind Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands in Deutschland
nicht ausdrücklich benannter Bestandteil des gesetzlichen Diskriminierungsschut-
zes. Großbritannien weist in den Bestimmungen zum Antidiskriminierungsgesetz
HIV, Multiple Sklerose und Krebs als chronische Erkrankungen aus, die zu einem
Diskriminierungsschutz führen (www.legislation.gov). Die Gesetze in Belgien,
Finnland, Frankreich, Lettland, Slowenien, Tschechien und Ungarn schützen vor
Diskriminierungen wegen des Gesundheitszustands. Und in den Niederlanden
und Rumänien sind chronische Krankheiten als eigenes Diskriminierungsmerk-
mal genannt (vgl. www.non-discrimination.net)
Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit dem 26. März 2009 in
Deutschland in Kraft ist, sind Menschen mit chronischen Erkrankungen und Men-
schen mit Pflegebedarf Personen, für die diese UN-Behindertenrechtskonvention
gilt.
Wie wichtig die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals Gesundheitszustand
ist, zeigt der Fall eines HIV-infizierten Chemielaboranten, dem gekündigt wurde,
nachdem der Arbeitgeber von der Infektion erfahren hatte. Die Kündigung wurde
sowohl vom Berliner Arbeitsgericht als auch vom Berliner Landesarbeitsgericht
(Urteil v. 13.01.2013, Az. 6 Sa 2159/11) bestätigt. Erst das Bundesarbeitsgericht
hat die Kündigung für rechtswidrig erklärt (Urteil v. 19.12.2013, Az. 6 AZR
190/12).
Ein weiteres Problem ist, dass in dem zugleich mit dem AGG beschlossenen Ge-
setz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (SoldGG) kein
gleichlautender Schutz von minderschwer behinderten Soldatinnen und Soldaten

Drucksache 18/3315 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
zu solchen mit einer Schwerbehinderung enthalten ist, ohne dass hierfür ein sach-
licher Grund erkennbar wäre. Zudem ist auch dort kein Schutz kranker Soldatin-
nen und Soldaten vor Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands ent-
halten.

B. Lösung
Mit der Änderung des AGG erfolgt eine Klarstellung, dass gesundheitlich beein-
trächtigte Menschen ebenso wie Menschen mit Behinderungen und Menschen mit
Pflegebedarf durch das AGG geschützt sind. Weiterhin erfolgt damit die längst
überfällige Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie und des
Urteils des EuGH (Urteil v. 11.04.2013, Az. C-335/11) sowie der für Deutschland
geltenden UN-Behindertenrechtskonvention. Die entsprechende Änderung des
SoldGG stellt klar, dass gesundheitlich beeinträchtigte Soldatinnen und Soldaten
sowie Soldatinnen und Soldaten mit einer nur mittelschweren Behinderung vor
Diskriminierung geschützt sind.

C. Alternativen
Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3315

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen
Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustands

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2006
(BGBl. I S. 1897), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 1 werden nach dem Wort „Behinderung“ die Wörter „oder chronischen Erkrankung“ eingefügt.
2. In § 19 Absatz 1 werden nach dem Wort „Behinderung“ die Wörter „oder des Gesundheitszustands“ einge-

fügt.
3. § 20 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort „Behinderung“ die Wörter „oder des Gesundheitszustands“
eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 2 werden nach dem Wort „Behinderung“ die Wörter „oder des Gesundheitszustands“
eingefügt.

Artikel 2

Änderung des Gesetzes über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten

Das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten in der Fassung der Bekanntmachung
vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897, 1904), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 1 Absatz 2 Satz 2 wird das Wort „schwerbehinderter“ durch die Wörter „behinderter oder gesundheitlich

beeinträchtigter“ ersetzt.
2. § 18 wird wie folgt gefasst:

㤠18
Behinderte oder chronisch kranke Soldatinnen und Soldaten

(1) Behinderte oder gesundheitlich beeinträchtigte Soldatinnen und Soldaten dürfen bei einer Maß-
nahme, insbesondere beim beruflichen Aufstieg oder bei einem Befehl, nicht wegen ihrer Behinderung oder
ihres Gesundheitszustands benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung
oder gesundheitlichen Beeinträchtigung ist jedoch zulässig, soweit eine Maßnahme die Art der von der be-
hinderten oder gesundheitlich beeinträchtigten Soldatin oder dem behinderten oder gesundheitlich beein-
trächtigten Soldaten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion,
geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für
diese Tätigkeit ist. Macht im Streitfall die behinderte oder gesundheitlich beeinträchtigte Soldatin oder der
behinderte oder gesundheitlich beeinträchtigte Soldat Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung wegen
der Behinderung oder Beeinträchtigung vermuten lassen, trägt der Dienstherr die Beweislast dafür, dass nicht
auf die Behinderung oder gesundheitliche Beeinträchtigung bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedli-
che Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische
Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist.

Drucksache 18/3315 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

(2) Wird gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot beim beruflichen Aufstieg versto-
ßen, können hierdurch benachteiligte behinderte und gesundheitlich beeinträchtigte Soldatinnen und Solda-
ten eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf den beruflichen Aufstieg besteht
nicht. Ein Anspruch auf Entschädigung muss innerhalb von zwei Monaten, nachdem die behinderte oder
gesundheitlich beeinträchtigte Soldatin oder der behinderte oder gesundheitlich beeinträchtigte Soldat von
dem Nichtzustandekommen des beruflichen Aufstiegs Kenntnis erhalten hat, geltend gemacht werden.“

Artikel 3

Änderung weiterer Gesetze

(1) In § 75 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Sep-
tember 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem Wort „Behinderung“
die Wörter „oder ihres Gesundheitszustands“ eingefügt.

(2) In § 67 Absatz 1 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung
vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem Wort „Behin-
derung“ die Wörter „oder ihres Gesundheitszustands“ eingefügt.

(3) In § 9 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009
(BGBl. I S. 160), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem Wort „Behinderung“ die Wörter
„oder Gesundheitszustand“ eingefügt.

(4) In § 27 Absatz 1 des Sprecherausschussgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezem-
ber 1988 (BGBl. I S. 2312, 2316), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem Wort „Behinde-
rung“ die Wörter „ihres Gesundheitszustands“ eingefügt.

(5) In § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember
1975 (BGBl. I S. 3015), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden die Wörter „oder einer Behinderung“
durch die Wörter „ ,einer Behinderung oder des Gesundheitszustands“ ersetzt.

(6) In § 36 Absatz 2 Satz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom
24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem Wort „Behin-
derung“ die Wörter „oder des Gesundheitszustands“ eingefügt.

(7) In § 19a Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. No-
vember 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch … geändert worden ist, werden nach dem
Wort „Behinderung“ die Wörter „oder des Gesundheitszustands“ eingefügt.

Artikel 4

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3315
Begründung

A. Allgemeiner Teil

Das AGG hat die Diskriminierungen erfolgreich reduziert. In den mehreren Jahren der bisherigen Anwendungs-
erfahrung hat sich jedoch herausgestellt, dass das AGG noch Schutzlücken aufweist, die durch den vorgelegten
Gesetzentwurf geschlossen werden sollen, vor allem beim Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Gesund-
heitszustands. Dies betrifft in erster Linie Menschen mit chronischen Erkrankungen wie bspw. HIV, Multiple
Sklerose und Krebs. Im Anwendungsbereich des SoldGG kommt hinzu, dass der Schutz auch für solche Solda-
tinnen und Soldaten defizitär ist, die behindert sind, deren Behinderung aber nicht schwer genug ist, um die zu-
sätzlichen Anforderungen des Schwerbehindertenrechts auszufüllen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen
diese Schutzlücken nunmehr geschlossen werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des AGG)

Zu Nummer 1 (§ 1)
Dies ist die zentrale Norm, die den Begriff der Diskriminierung über einen Katalog der Anknüpfungspunkte,
deretwegen eine Ungleichbehandlung sozial geächtet und justiziabel sein soll, legal definiert. Die Schließung der
Schutzlücke erfolgt über die Ergänzung dieses Katalogs. Die Verortung des Gesundheitszustands bei dem Tatbe-
standsmerkmal „Behinderung“ bietet sich wegen der Sachnähe an.

Zu Nummer 2 (§ 19)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung zu der Änderung des § 1 AGG.

Zu Nummer 3 (§ 20)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung zu der Änderung des § 1 AGG.

Zu Artikel 2 (Änderung des SoldGG)

Zu Nummer 1 (§ 1)
Durch den Austausch des Wortes „schwerbehindert“ durch das Wort „behindert“ wird das Schutzniveau, das
bisher nur schwerbehinderten Soldatinnen und Soldaten zugutekommt, auf Soldatinnen und Soldaten mit einer
minderschweren Behinderung ausgedehnt. Dies erscheint insbesondere deshalb sachgerecht, weil dieser Perso-
nenkreis mangels Aufzählung von Schwerbehinderung oder Behinderung im Katalog des § 1 Abs. 1 SoldGG
gänzlich schutzlos gestellt ist, ohne dass eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt wäre. Eine Beeinträch-
tigung des Dienstbetriebs der Bundeswehr ist nicht zu befürchten, weil der Rechtfertigungsgrund des § 8 unbe-
rührt bleibt.
Die Ergänzung um die Wörter „oder gesundheitliche Beeinträchtigung“ entspricht der Änderung des AGG. Auf
die dortige Einzelbegründung wird Bezug genommen.

Zu Nummer 2 (§ 18)
Die Neufassung des § 18 SoldGG erweist sich als erforderlich, weil die bereits in § 1 Abs. 2 SoldGG vorgesehene
Änderung im bisherigen Wortlaut des § 18 SoldGG so oft vorkommt, dass die Neufassung der sachgerechte ge-
setzgebungstechnische Weg ist. Wegen der inhaltlichen Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Nummer 1
Bezug genommen.

Drucksache 18/3315 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Artikel 3 (Änderung weiterer Gesetze )

Zu Absatz 1 (§ 75 BetrVG)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 2 (§ 67 BPersVG)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 3 (§ 9 BBG)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 4 (§ 27 SprAuG)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 5 (§ 33c SGB I)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 6 (§ 36 SGB III)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Absatz 7 (§ 19a SGB IV)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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