BT-Drucksache 18/3287

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2823, 18/2824, 18/2825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3287
18. Wahlperiode 25.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Christine Buchholz, Sevim Da delen, Dr. Diether Dehm, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Dr. Alexander
S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.
sowie der Abgeordneten Anja Hajduk, Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler,
Ekin Deligöz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Peter Meiwald, Claudia Roth
(Augsburg), Corinna Rüffer, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2823, 18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 23

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Programmorientierte Gemeinschaftsfinanzierung und insbesondere die
Budgethilfe sind ein effektives Instrument, um Kohärenz, Partnerorientierung
und Ownership im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit stärker umzu-
setzen und gleichzeitig in Verbindung mit entsprechenden Begleitmaßnahmen
Transparenz, Menschenrechte, Demokratie sowie Armutsbekämpfung zu för-
dern. Es bietet die Chance besonders das Parlament in seiner Wahrnehmung
der Budgethoheit zu stärken und die parlamentarische Kontrolle, den Aufbau
bzw. die Weiterentwicklung funktionsfähiger Rechnungshöfe als Kontrol-
linstanz wie auch die zivilgesellschaftliche Teilhabe zu unterstützen.

Drucksache 18/3287 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) die Mittel, die aus dem Titel 896 11 in Kapitel 23 01 für die Programm-
orientierte Gemeinschaftsfinanzierung bereitgestellt werden, auf mindes-
tens 500 Mio. Euro anzuheben und dabei besonders die allgemeine und
sektorale Budgethilfe auszubauen;

b) die Programmorientierte Gemeinschaftsfinanzierung (PGF) und insbeson-
dere die allgemeine und sektorale Budgethilfe mittelfristig zu einem zent-
ralen Instrument der finanziellen Zusammenarbeit zu machen und schritt-
weise den Anteil der Budgethilfe an der PGF deutlich zu steigern;

c) ein ambitioniertes Konzept für die gestufte Aufstockung der Programm-
orientierten Gemeinschaftsfinanzierung sowie insbesondere der Budget-
hilfe bis 2017 zu entwickeln und die Mittel deutlich zu erhöhen;

d) bereits für 2015 über die bereits vorgesehenen und ausgesprochenen Zu-
sagen hinaus weitere Partnerländer für die allgemeine und sektorale
Budgethilfe vorzusehen;

e) dabei folgende Kriterien anzuwenden:
– Das Parlament des Partnerlandes ist demokratisch gewählt und übt die

Budgethoheit aus.
– Das Partnerland verfügt über eine nationale Strategie zur Armutsbe-

kämpfung.
– Es ist sichergestellt, dass die Mittel in den Aufbau staatlicher Struktu-

ren und die Armutsbekämpfung geleitet werden.
– Die Budgethilfe geht mit dem Aufbau von Kapazitäten des Partner-

landes zur Entwicklungs- und Budgetplanung, zum öffentlichen Fi-
nanzmanagement, Beschaffung, Statistik und zum eigenen Monito-
ring und Evaluierung sowie mit Begleit- und Fördermaßnahmen für
Parlament, Medien und Zivilgesellschaft einher;

f) die mit der Budgethilfe verbundenen Reformziele auf die Stärkung von
demokratischen Strukturen, Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und der
Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaften und Bevölkerungen
auszurichten und die Budgethilfe bei entsprechendem Bedarf in variablen
Tranchen auszuzahlen.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Katrin Göring-Eckhardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die Budgethilfe ist Teil der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF). Zur PGF gehört außer-
dem noch die Korbfinanzierung, in der Mittel von mehreren Gebern für konkrete Maßnahmenbündel oder
spezifische Budgetlinien zusammengeführt werden.

Die Budgethilfen sind finanzielle Transfers von Geberstaaten und -institutionen in die Haushalte der Partner-
länder. Sie unterstützen diese bei der Umsetzung nationaler Entwicklungsstrategien, etwa beim Aufbau sozia-
ler Sicherungssysteme. Unterschieden werden allgemeine Budgethilfe und sektorale Budgethilfe. Im ersten
Fall kommen die Transfers der Sektor übergreifenden Armutsbekämpfung zugute, im zweiten Fall bleiben sie

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3287
auf die Verwendung innerhalb eines Sektors (z. B. Gesundheit, Bildung) beschränkt. In beiden Fällen liegt die
Ausgestaltung konkreter Politikstrategien in der Verantwortung der Partnerländer. Budgethilfen werden aus-
schließlich über die Haushaltsverfahren der Partnerländer abgewickelt. Sie werden begleitet durch einen Poli-
tikdialog zwischen Geber und Empfänger. Ihnen liegen eine gemeinsame Rahmenvereinbarung und gemein-
sam vereinbarte Politikziele zugrunde.

Auch wenn ein stabilitätsorientierter makroökonomischer Rahmen zu den Grundsätzen bei der Vergabe von
Budgethilfe gehören kann, darf es nicht zu einer Wiederholung der rigiden Vorgaben der Strukturanpassungs-
programme der Vergangenheit kommen. Den Partnerregierungen darf nicht die Freiheit genommen werden,
ihren eigenen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurs zu verfolgen.

In der internationalen Debatte über Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wird die Budgethilfe seit den 90er-
Jahren als Antwort auf die immer stärkere Fragmentierung der EZ und ausufernden und zersplitterte Anzahl
von Einzelprojekten angesehen. Auf internationalen Konferenzen wurde verabredet, dass sich die Geberländer
untereinander koordinieren und Ressourcen zusammentragen und dass die Eigenverantwortlichkeit der Emp-
fänger gestärkt wird („Ownership“). Anstelle von Einzelprojekten sollte die abgestimmte und arbeitsteilige
Programmorientierung in den Vordergrund rücken.

Budgethilfe wird seit 2003 in der deutschen EZ eingesetzt – allerdings noch sehr zögerlich. Insbesondere die
schwarzgelbe Bundesregierung (2009-2013) hat die Budgethilfe stark gedrosselt. 2013 wurde gar keine
Budgethilfe mehr ausgezahlt, lediglich über die Korbfinanzierung wurden noch Mittel ausgeschüttet. Mit dem
Wechsel zur Großen Koalition wird die Budgethilfe nun zaghaft wieder aufgenommen. Für 2015 sind Zusa-
gen in Höhe von 52 Mio. Euro für die Budgethilfe (Bolivien, Kolumbien, Ghana) bzw. 275 Mio. Euro für die
PGF insgesamt eingeplant. Deutschland liegt damit im internationalen Vergleich weit zurück. Ganz anders die
Europäische Union: Sie setzt einen großen Teil ihrer bilateralen EZ als Budgethilfe um.

Gegen die Budgethilfe wird immer wieder angeführt, sie sei in besonderer Weise korruptionsanfällig. Aller-
dings gibt es keinen Nachweis für diese These. Korruption im Kontext von Budgethilfe ist nicht signifikant
höher als Korruption im Kontext von Projekten, schon gar nicht, wenn Großprojekte mit millionenschweren
Ausschreibungsverfahren verbunden sind.

Budgethilfe schafft mehr Transparenz und stärkt Parlamente und Zivilgesellschaften, denn sie macht die Mit-
tel, die im Rahmen der EZ umgesetzt werden, für Parlamente und Zivilgesellschaft in den Partnerländern
sichtbar. Als Teil des Haushaltes werden sie demokratisch kontrolliert. Damit setzt Budgethilfe einen zusätz-
lichen Anreiz zur Demokratisierung. Dazu kommt, dass die Umsetzung der Budgethilfe mit einem intensiven
„Politikdialog“ begleitet wird. Dabei findet einerseits Beratung, andererseits eine fortlaufende Evaluierung der
erzielten Fortschritte und Reformen statt. Maßgeblich für die Auszahlung einer Tranche ist die Erreichung
von gemeinsam vereinbarten Zielen. Die fixe Tranche sollte nur bei gravierender Verletzung der Grundsätze
durch das Partnerland ausgesetzt werden können.

Budgethilfe stärkt folglich die staatlichen Funktionen, denn sie ermöglicht es den Empfängern, die Formulie-
rung von Entwicklungsstrategien und die Gestaltung ihrer Politik an länderspezifischen Bedürfnissen zu ori-
entieren und unabhängig(er) von den Gebern „eigenverantwortlich“ umzusetzen („Ownership-Prinzip“). Die
Rechenschaftspflicht der Partner (Geber und Empfänger) gegenüber ihren eigenen Bürgern und untereinander
wird gestärkt.

EZ mit vorwiegend bilateralen Projekten und ohne hinreichende Abstimmung unter den Gebern erlegt dem
Partnerland eine große Bürde an Verwaltung, Rechenschaftslegung gegenüber einer Vielzahl an Partnern etc.
auf und kann mit enormen Transferverlusten verbunden sein. Budgethilfe senkt diese Transaktionskosten, die
bei der herkömmlichen EZ etwa in Form von Gehältern für deutsche Experten anfallen, und den bürokrati-
schen Aufwand.

Wenn Budgethilfe richtig ausgestaltet ist, kommt so mehr Geld bei den Armen an. Die Budgethilfe ist nur ein
Teil des Instrumentenkastens der Entwicklungszusammenarbeit. Zu hohe Voraussetzungen für Budgethilfe
würden dazu führen, dass nur Staaten für dieses Instrument in Frage kommen, die es nicht mehr brauchen.
Budgethilfe darf nicht mit Erwartungen überfrachtet werden. Budgethilfe kann insgesamt effizienter sein und
ermöglicht die Umsetzung höherer Transfers und damit perspektivisch die Einhaltung der Finanzierungsver-
sprechen (0,7-Prozent-Ziel), während sich die vielen Einzelprojekte oft gegenseitig im Wege stehen können.
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