BT-Drucksache 18/3075

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs des Bundesrates - Drucksachen 18/2752, 18/3070 - Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

Vom 5. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3075
18. Wahlperiode 05.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Caren Lay,
Jan Korte, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W.
Birkwald, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Sevim Da delen, Annette Groth,
Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Susanna Karawanskij, Sabine Leidig, Ralph
Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kersten Steinke,
Dr. Kirsten Tackmann , Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Hubertus Zdebel
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs des Bundesrates
– Drucksachen 18/2752, 18/3070 –

Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht
zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen erfüllt die Bundesre-
publik Deutschland ihre völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen.
Die hiermit verbundenden Ausgaben müssen vor allem mit Mitteln des Bundes
gedeckt werden und dürfen nicht weiter überwiegend den Ländern und Kommu-
nen aufgebürdet werden.
Immer weitere Konflikte in der Welt führen zu höheren Zahlen von Flüchtlin-
gen, die Schutz in Europa und der Bundesrepublik Deutschland suchen. Die für
dieses Jahr erwartete Zahl von 200.000 Asylsuchenden könnte in den folgenden
Jahren noch übertroffen werden. Das stellt die Länder und Kommunen vor Her-
ausforderungen, die sie mit den Mitteln, die ihnen gegenwärtig zur Verfügung
stehen, nicht oder nur schwer bewältigen können. Dies gilt in besonders hohem
Maße für die Frage einer menschenwürdigen Unterbringung. Eine menschen-
würdige Aufnahme kann nur erreicht werden, wenn den hilfesuchenden und
oftmals traumatisierten Flüchtlingen alle Hilfe und Unterstützung zuteil wird,
um das Erlebte zu verarbeiten, Ängste abzubauen und eine neue Lebensperspek-
tive zu entwickeln.
Die politischen Entwicklungen, Krisen und Kriege, die zu der aktuellen Zunah-
me von Fluchtbewegungen nach Europa und in die Bundesrepublik Deutschland
führen, sind allgemein bekannt. Die Regierungen von Bund und Ländern hätten

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demzufolge rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die
menschenwürdige Unterbringung einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und
Asylsuchenden zu gewährleisten. Dies ist nicht geschehen.
Die Folgen dieser Versäumnisse dürfen nicht zu Lasten der Flüchtlinge gehen.
Die in dem Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur
Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen des Bundesrates (18/2752)
sowie in dem hierzu durch die Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gestellten Änderungsantrag
(Ausschussdrucksache 18(16)121) enthaltenen Maßnahmen bedeuten letztend-
lich ein Absenken der Standards bei der Unterbringung von Asylsuchenden. In
besonderem Maße gilt dies für die Begünstigung von entsprechenden Vorhaben,
die der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden im Außenbereich
gemäß § 35 Baugesetzbuch und in Gewerbegebieten nach der Baunutzungsver-
ordnung dienen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte warnte davor, dass bei der Suche nach
kurzfristigen Unterbringungslösungen menschenrechtliche Standards in den
Hintergrund rücken könnten. Werden Unterkünfte an den Rändern der Städte
errichtet, ist beispielsweise das Recht der Kinder auf Bildung und Schulbesuch
gefährdet. Erforderlich seien klare, verbindliche Mindeststandards für die Un-
terbringung von Asylsuchenden (mediendienst-integration.de, 25.9.2014: „Ex-
perten fordern Mindeststandards für Unterkünfte“). Auch die Industrie- und
Handelskammer zu Berlin sprach sich in einem Schreiben vom 7.10.2014 klar
gegen eine entsprechende Gesetzesänderung aus: Es sei „vorzugswürdig, die
Asylbewerberinnen und -bewerber und Flüchtlinge in vorhandene Infrastruktu-
ren zu integrieren und nicht außerhalb oder in Gewerbegebieten – meistens ohne
jeglichen Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) – anzu-
siedeln. Nicht zuletzt aus Gründen des Gesundheitsschutzes sollten Wohnen und
Arbeiten voneinander getrennt werden. Statt Wohnen in Gewerbegebieten unter
Umständen auch dauerhaft zu ermöglichen, sollten Programme des sozialen
Wohnungs- und Städtebaus gestärkt und in Hinblick auf eine auch künftig ver-
stärkte Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen neu ausgestaltet
werden.“
Sowohl im genannten Gesetzentwurf als auch in dem genannten Änderungsan-
trag fehlen jegliche verpflichtende und konkrete Maßgaben zu den Einrichtungs-
standards sowie örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten. Eine Erweite-
rung der Grundsätze, die bei der Bauleitplanung zu beachten sind, um die Be-
lange von Flüchtlingen und Asylsuchenden reicht insofern nicht aus und bietet
auch keine Gewähr für eine bundeseinheitliche Umsetzung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der regelt, dass Asylsuchende im Regel-
fall dezentral in Wohnungen unterzubringen sind, die mindestens dem ein-
fachen Standard im unteren Marktsegment entsprechen;

2. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der regelt, dass die Unterbringung von
Asylsuchenden in Sammelunterkünften die Ausnahme darstellt und nur
dann zulässig ist, wenn alle anderen Unterbringungsmöglichkeiten in Woh-
nungen innerhalb der Kommune ausgeschöpft sind. Sammelunterkünfte
dürfen eine Aufnahmekapazität von 50 Personen nicht überschreiten. Die
Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen muss auf maximal 6 bis 12
Wochen beschränkt werden und darf nur solange andauern, bis Ersatzwoh-
nungen angeboten werden können. Familien müssen in eigenständigen
Wohneinheiten untergebracht werden. Kochgelegenheiten und sanitäre Ein-
richtungen müssen in ausreichender Anzahl und Qualität vorhanden sein.
Die Zusammensetzung der Bewohnergruppen muss zur Vermeidung von

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Konflikten kultursensibel erfolgen. Eine Anbindung der Unterbringung an
die öffentliche Infrastruktur der aufnehmenden Kommune muss sicherge-
stellt sein;

3. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der für Asylsuchende abweichend von
den gesetzlichen Aufnahmequoten der einzelnen Länder und der Verpflich-
tung zum Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen die Möglichkeit
schafft, ihren Unterbringungsort selbst zu wählen, wenn dort eine Unter-
bringung durch aufnahmebereite Personen (Verwandte, Freunde, Kirchen-
gemeinden etc.) verpflichtend zugesichert wird oder nachweisbar leer ste-
hende Wohnungen verfügbar sind, die mindestens dem einfachen Standard
im unteren Marktsegment entsprechen;

4. einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Mittel für die personelle Ausstat-
tung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Bereich der
Asylprüfung aufgestockt werden können, um sicherzustellen, dass die
Verweildauer von Asylsuchenden in den Einrichtungen der Erstaufnahme
auf das notwendige Mindestmaß beschränkt wird und die Verfahren bei
Wahrung qualitativ hoher Verfahrensstandards schneller abgeschlossen
werden können;

5. auch im Hinblick auf die Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen
den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau wieder deutlich zu stär-
ken;

6. sich im Rahmen der Verhandlungen über die bis 2019 anstehende Neuord-
nung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern dafür
einzusetzen, dass der Bund den Ländern die Nettoausgaben, die den zu-
ständigen Trägern für Leistungen an Asylsuchende entstehen, erstattet;

7. kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Beteiligung des Bundes
an den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch erhöht, um die Kommunen bei den Kosten für die
Unterbringung von Asylsuchenden zu entlasten, bis im Wege der Neuord-
nung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern eine
neue Regelung in Kraft tritt.

Berlin, den 4. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Statt auf ausgrenzende und desintegrierende Sammelunterkünfte in abgelegenen Gebieten zu setzen, muss ein
offenes Aufnahme- und Integrationskonzept für Asylsuchende und Flüchtlinge entwickelt werden. Dies ent-
spricht nicht nur menschenrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, sondern ist auch
im Interesse der Gesamtgesellschaft. Denn die Mehrheit der Asylsuchenden wird voraussichtlich dauerhaft in
Deutschland bleiben. Das Leitbild, nach dem die Aufnahme ausgestaltet wird, muss sich an der schnellen In-
tegration der Betroffenen orientieren. Ein zentrales Element dieses Leitbildes muss die Unterbringung in Woh-
nungen statt in Sammelunterkünften sein.
Derzeit stehen bundesweit ca. zwei Millionen Wohnungen leer. Sie können auch deshalb nicht in Anspruch
genommen werden, weil der Zuzug von Flüchtlingen dorthin an der bürokratischen und starren Verteilung der
Asylsuchenden scheitert. Auch in Hinsicht auf die Interessen der Betroffenen sind hieran Änderungen überfäl-
lig.

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