BT-Drucksache 18/307

Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung

Vom 17. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/307
18. Wahlperiode 17.01.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Brigitte Pothmer,
Corinna Rüffer, Britta Haßelmann, Dr. Tobias Lindner, Lisa Paus und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung

Die Leiharbeit soll den Unternehmen ermöglichen, flexibel auf Auftragsspitzen
und auf krankheits- oder urlaubsbedingte Personalengpässe zu reagieren. Die In-
tention von Leiharbeit ist aber nicht, dass Unternehmen durch die Anwendung
von Leiharbeitstarifverträgen dauerhaft Personalkosten einsparen und beste-
hende Tarifverträge unterlaufen können. In diesem Sinne soll das Arbeitnehmer-
überlassungsgesetz (AÜG) die Beschäftigten vor Missbrauch schützen.
Mittlerweile betreiben Konzerne eigene Leiharbeitsunternehmen – entweder als
100-prozentige Konzerntöchter oder in einem Joint Venture mit bereits am
Markt etablierten Leiharbeitsunternehmen. Auch kirchliche sowie gemeinnüt-
zige Organisationen und Gemeinden betreiben eigene Leiharbeitsunternehmen.
Diese stellen Leiharbeitskräfte ein und verleihen sie exklusiv und dauerhaft an
die Konzernmutter oder an andere Konzerntöchter. Diese Leiharbeitskräfte sind
demzufolge nur für einen einzigen Kunden tätig und wechseln höchstens inner-
halb des Konzerns. Die sogenannte Drehtürklausel schützt die Stammbeschäftig-
ten davor, zu schlechteren Konditionen als Leiharbeitskräfte weiterbeschäftigt
zu werden. Möglich ist aber weiterhin, dass derzeitige und neu gewonnene Leih-
arbeitskräfte innerhalb eines Konzerns entgegen der Intention des AÜG einge-
setzt werden, um Personalkosten dauerhaft einzusparen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Leiharbeitsunternehmen gibt es nach Kenntnis der Bundesregie-

rung aktuell, die exklusiv und dauerhaft an eine Konzernmutter oder an an-
dere Konzerntöchter verleihen
a) als 100-prozentige Konzerntochter oder
b) in einem Joint Venture mit einem bereits am Markt etablierten Leiharbeits-

unternehmen?
c) Wie haben sich die Zahlen jeweils seit dem Jahr 2005 entwickelt?

2. Wie viele Leiharbeitsunternehmen im gemeinnützigen, kirchlichen oder
kommunalen Bereich gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils ak-
tuell, die exklusiv und dauerhaft an eine Konzernmutter oder an andere Kon-
zerntöchter Beschäftigte verleihen
a) als 100-prozentige Konzerntochter oder
b) in einem Joint Venture mit einem bereits am Markt etablierten Leiharbeits-

unternehmen?
c) Wie haben sich die Zahlen jeweils seit dem Jahr 2005 entwickelt?

Drucksache 18/307 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Werden die konzerninternen Verleihunternehmen nach Kenntnis der Bundes-
regierung in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit dem Betriebs-
zweck „ausschließlich oder überwiegend Arbeitnehmerüberlassung“ geführt,
obwohl die Verleihunternehmen im internen Arbeitsablauf des Konzerns fest
und ausschließlich verankert sind und der Konzern arbeitszeitlich nicht über-
wiegend Arbeitnehmerüberlassung betreibt?
Wenn ja, warum?

4. Welche Daten liegen nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesagentur
für Arbeit zur konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung aktuell vor?
a) Wie viele der konzerninternen Verleihunternehmen besitzen eine unbefris-

tete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung?
b) Welche Betriebsgrößen haben die konzerninternen Verleihunternehmen?
c) Wie viele Leiharbeitskräfte sind im Rahmen der konzerninternen Arbeit-

nehmerüberlassung beschäftigt?
d) Wie lange dauern die Beschäftigungsverhältnisse zwischen Leiharbeits-

kräften und konzerninternen Verleihunternehmen?
e) Wie lange ist die Verweildauer der Leiharbeitskräfte bei konzerninternen

Entleihunternehmen?
f) Wie hoch ist die Übernahme von Leiharbeitskräften bei der konzerninter-

nen Arbeitnehmerüberlassung?
g) Wie haben sich die Zahlen jeweils seit 2005 entwickelt?

5. Wie unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in Frage 4 ab-
gefragten Daten von der klassischen Arbeitnehmerüberlassung?

6. In welchen zehn Branchen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung am
häufigsten konzerninterne Arbeitnehmerüberlassungen (bitte mit Angabe
von Zahlen)?

7. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn größten Konzerne
mit einem internen Verleihbetrieb als 100-prozentige Konzerntochter und die
zehn größten Konzerne in einem Joint Venture mit einem am Markt etablier-
ten Leiharbeitsunternehmen (bitte jeweils mit Namen des Verleihunterneh-
mens angeben)?

8. Sieht die Bundesregierung bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung
das der Leiharbeit zugrundeliegende typische Dreiecksverhältnis zwischen
Leiharbeitskräften, Verleihfirmen und Entleihbetrieben gewahrt, obwohl Ver-
leih- und Entleihbetriebe zur gleichen Konzernstruktur gehören?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

9. Sieht die Bundesregierung bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlas-
sung die Intention des AÜG gewahrt, wenn Leiharbeitskräfte unter schlech-
teren Bedingungen als die Konzernkolleginnen und Konzernkollegen arbei-
ten und dies auf Dauer ohne Aussicht auf Übernahme, obwohl das Überlassen
von Personal einen internen Arbeitsablauf im Konzern ohne jegliches unter-
nehmerisches Risiko darstellt?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/307
10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Leiharbeitskräfte bei der kon-
zerninternen Arbeitnehmerüberlassung aufgrund eines Leiharbeitstarifver-
trags schlechter als die Stammbelegschaft entlohnt werden können oder
müssten nicht vielmehr die gleichen tarifrechtlichen Regelungen wie bei
Mischbetrieben gelten, bei denen vom Gleichstellungsprinzip nur nach dem
Überwiegensprinzip abgewichen werden kann, d. h. wenn im Betrieb ar-
beitszeitlich vorwiegend Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird?

11. Wie bewertet die Bundesregierung den Wettbewerbsvorteil, dass bei der
konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung aufgrund der umsatzsteuer-
lichen Organschaft die sonst üblichen 19 Prozent Umsatzsteuer entfallen,
und in welcher Höhe hatte der Staat dadurch in den Jahren 2012 und 2013
weniger Steuereinnahmen?

12. Sieht die Bundesregierung den Umstand als konsistent an, dass Leiharbeits-
kräfte, die bis sechs Monate zuvor im Entleihbetrieb festangestellt waren,
durch die gesetzliche Drehtürklausel vor schlechteren Konditionen ge-
schützt werden, hingegen Leiharbeitsverhältnisse oder neu gewonnene
Leiharbeitskräfte innerhalb der Konzernstruktur unter schlechteren Arbeits-
bedingungen als die Stammbelegschaft angestellt werden können?

13. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der konzerninternen Ar-
beitnehmerüberlassung?
Wenn ja, welchen?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 17. Januar 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.