BT-Drucksache 18/2074

Aufsicht über in Deutschland tätige Hochfrequenzhändler

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2074
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Lisa Paus,
Kerstin Andreae, Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufsicht über in Deutschland tätige Hochfrequenzhändler

Eine Definition von Hochfrequenzhandel ist durch die Vielzahl, ständige Fort-
entwicklung und technische Komplexität der entsprechenden Praktiken nicht
einfach. In der Richtlinie 2014/65/EU wird Hochfrequenzhandel definiert als
„eine algorithmische Handelstechnik, die gekennzeichnet ist durch
a) eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Ver-

zögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der
folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist:
Kollokation, Proximity Hosting oder direkter elektronischer Hochgeschwin-
digkeitszugang,

b) die Entscheidung des Systems über die Einleitung, das Erzeugen, das Weiter-
leiten oder die Ausführung eines Auftrages ohne menschliche Intervention,
und

c) ein hohes untertätiges Mittelungsaufkommen in Form von Aufträgen, Quotes
oder Stornierungen“ (Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 14. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente, Ar-
tikel 4 Absatz 1 Nummer 40). Das deutsche Hochfrequenzhandelsgesetz
(HFHG) stimmt mit dieser Definition weitgehend überein (vgl. Artikel 2
Nummer 2 HFHG).

Nach Medienberichten untersuchen die amerikanische Börsenaufsicht SEC und
die Terminbörsenaufsicht CFTC, ob und inwiefern Börsen Hochfrequenzhänd-
lern Vorteile gegenüber anderen Marktteilnehmern eingeräumt haben. Der Ge-
neralstaatsanwalt des US-Bundesstaates New York hat Vorladungen an ver-
schiedene Hochfrequenzhändler verschickt, die amerikanische Bundespolizei
FBI ermittelt, ob Praktiken von Hochfrequenzhändlern den Tatbestand des
Insider Trading erfüllen. Neben den Untersuchungen der US-amerikanischen
Behörden wird die Debatte über die Praktiken der Branche in den USA durch
die Veröffentlichung des Buches „Flash Boys“ von Michael Lewis befeuert
(Ackerman, Andrew (2014): SEC Investigations Into High-Frequency Trading
Under Way, The Wall Street Journal, 1. April 2014, http://online.wsj.com/news/
articles/SB10001424052702304157204579475803898811712; Patterson, Scott
and Michael Rothfield (2014): FBI Investigates High-Speed Trading, The
Wall Street Journal, 31. März 2014, http://online.wsj.com/news/articles/
SB10001424052702304886904579473874181722310).
Auch in Deutschland sind Hochfrequenzhändler aktiv – an der Deutschen Börse
ist der Hochfrequenzhandel nach Schätzungen für rund 40 Prozent des Aktien-

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handels verantwortlich (Schäfers, Manfred (2012): Deutschland reguliert den
Hochfrequenzhandel, FAZ, 25. September 2012, www.faz.net/aktuell/finanzen/
strategie-trends/automatische-handelsauftraege-deutschland-reguliert-den-
hochfrequenzhandel-11903639.html). Befürworter argumentieren, durch Hoch-
frequenzhändler würden die Marktliquidität erhöht und Transaktionskosten in
Form geringerer Spreads für andere Marktteilnehmer gesenkt. Kritiker bestrei-
ten so geartete positive Effekte. Der Hochfrequenzhandel trage vielmehr zur
Destabilisierung der Märkte und zur Gefahr von plötzlichen enormen Preis-
schwankungen bei. Darüber hinaus hätten die Handelspraktiken der Branche,
mit Investitionshorizonten von Bruchteilen einer Sekunde, keinerlei real-
wirtschaftlichen Bezug und führten zu Preisverzerrungen. Schließlich besteht
der Verdacht, dass die Praktiken von Hochfrequenzhändlern teilweise markt-
manipulierende Elemente beinhalten, durch die sie auf Kosten v. a. von institu-
tionellen und Kleinanlegern praktisch risikolose Gewinne erzielen können.
Mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz, in Kraft getreten im Mai 2013, hat die
Bundesregierung die Hochfrequenzhändler als Wertpapierdienstleister definiert
und diese damit unter die Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) gestellt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Unternehmen werden bei der BaFin als am Hochfrequenzhandel be-

teiligt gemäß § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 4 des Kreditwesengesetzes
(KWG) (im Folgenden „in Deutschland registrierte Hochfrequenzhändler“
genannt) geführt vor dem Hintergrund, dass durch die Änderungen im KWG
und im Wertpapierhandelsgesetz (WPHG) im Zuge des Hochfrequenzhan-
delsgesetzes Hochfrequenzhändler unter die Aufsicht der BaFin gestellt (vgl.
§ 4 Absatz 3a WPHG) wurden (bitte unter Angabe von Namen der Firmen,
Firmensitz und Rechtsform)?

2. An welchen deutschen Handelsplätzen (sowohl Börsen als auch multilaterale
Handelssysteme) sind die in Deutschland registrierten Hochfrequenzhändler
jeweils aktiv?

3. Welche Wertpapiere werden nach Kenntnis der Bundesregierung von in
Deutschland registrierten Hochfrequenzhändlern in welchem Umfang ge-
handelt?

4. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsätze und die Ge-
winne für das Jahr 2013, die durch in Deutschland registrierte Hochfrequenz-
händler erwirtschaftet wurden (pro Unternehmen und aggregiert; falls regis-
trierte Unternehmen auch in Bereichen Umsätze und Gewinne erwirtschaftet
haben, die nicht dem Hochfrequenzhandel zugerechnet werden, bitte separat
ausweisen)?

5. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil an zustande ge-
kommenen Transaktionen an Börsen und im multilateralen Handelssystem in
Deutschland, an welchen in Deutschland registrierte Hochfrequenzhändler
beteiligt sind (bitte nach Börsen bzw. multilateralen Handelssystemen separat
ausweisen)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil an getätigten
Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen an Börsen und im multilate-
ralen Handelssystem in Deutschland, an welchen in Deutschland registrierte
Hochfrequenzhändler beteiligt sind (bitte nach Börsen bzw. multilateralen
Handelssystemen separat ausweisen)?

7. Welches Order-Transaktions-Verhältnis liegt nach Kenntnis der Bundesre-
gierung für die einzelnen in Deutschland registrierten Hochfrequenzhändler
vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2074
8. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsätze für das Jahr
2013, welche von den Betreibern deutscher Handelsplattformen (Börsen
und multilaterale Handelssysteme) durch das Geschäft mit Hochfrequenz-
händlern erwirtschaftet wurden (bitte Gewinne durch Co-location separat
ausweisen)?

9. Hat die BaFin bereits von ihrem Recht gemäß § 4 Absatz 3a WPHG
Gebrauch gemacht, von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche al-
gorithmischen Handel betreiben, Informationen über deren Aktivitäten (ins-
besondere Beschreibung algorithmischer Handelsstrategien) anzufordern?
Falls ja, von welchen Unternehmen wurden welche Informationen angefor-
dert und mit welchen Ergebnissen?

10. Wie werden die Handelsstrategien ggf. analysiert, und welche Schlüsse
zieht die BaFin ggf. aus diesen Analysen?

11. Durch welche Handelsstrategien und -praktiken erwirtschaften nach Kennt-
nis der Bundesregierung die in Deutschland registrierten Hochfrequenz-
händler ihre Gewinne (bitte Handelsstrategien und -praktiken einzeln oder
nach Clustern erklären und jeweils ein erklärendes Beispiel anfügen)?

12. Welche Stellen innerhalb oder außerhalb der BaFin sind – bezugnehmend
auf Frage 9 – für die Analyse der Handelsstrategien zuständig?

13. Wie viele Beschäftigte der deutschen Aufsichtsbehörden befassen sich mit
den im Hochfrequenzhandelsgesetz definierten Aufgabenbereichen (bitte
nach Institution separat ausweisen)?

14. Hat die BaFin den „Flash Crash“ an der Deutschen Börse im Februar 2014
(vgl. Rude, Herbert (2014): Flash Crash am Deutschen Aktienmarkt, The
Wall Street Journal, www.wsj.de/article/SB100014240527023034968045
79366600707068912.html) untersucht?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis, und sieht die Bundesregierung dadurch
Aussagen der Deutschen Börse vom Januar 2013 infrage gestellt, dass ein
„Flash Crash“ ähnlich dem am 6. Mai 2010 in den USA in Deutschland nicht
vorkommen könne (http://deutscheboerse.com/dbg/dispatch/de/kir/dbg_nav/
about_us/40_Teil_der_Loesung?horizontal=page1_DB_SP_KRISENsicher)?

15. Welche Prüfungsaktivitäten hinsichtlich in Deutschland registrierter Hoch-
frequenzhändler wurden seit Inkrafttreten des HFHG durch die deutschen
Aufsichtsbehörden durchgeführt, und welche Prüfungsaktivitäten sind für
die Jahre 2014 und 2015 geplant?

16. In welcher Höhe haben nach Kenntnis der Bundesregierung Börsen und Be-
treiber von multilateralen Handelssystemen gemäß § 31f Absatz 1 WPHG
und § 17 Absatz 4 des Börsengesetzes (BörsG) separate Entgelte für die
übermäßige Nutzung des multilateralen Handelssystems, insbesondere durch
unverhältnismäßig viele Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen,
eingeführt (bitte alte und neue Entgelthöhen pro Aktion und pro Handels-
platz angeben)?

17. Liegen bereits Erkenntnisse über den Effekt dieser Entgelteinführung vor
(wurde z. B. eine geminderte Tätigkeit von Hochfrequenzhändlern regis-
triert)?

18. In welcher Höhe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die von den
Börsen und Betreibern von multilateralen Handelssystemen gemäß § 31f
Absatz 1 WPHG und § 26a BörsG festzulegenden Order-Transaktions-Ver-
hältnisse jeweils festgelegt, und haben sich die tatsächlichen Order-Trans-
aktions-Verhältnisse dadurch verändert (bitte exemplarisch pro Assetklasse
angeben)?

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19. Welche kleinstmöglichen Preisänderungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung gemäß § 31f Absatz 1 WPHG und § 26b BörsG von den
Börsen und Betreibern von multilateralen Handelssystemen jeweils fest-
gelegt?

20. Hat das Bundesministerium der Finanzen seine Befugnis gemäß § 31f Ab-
satz 6 WPHG genutzt, um durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen
zu erlassen bezüglich der genannten
a) Entgelte für übermäßige Nutzung der Handelssysteme,
b) Festlegung angemessener Order-Transaktions-Verhältnisse oder
c) kleinstmöglichen Preisänderungen bei gehandelten Finanzinstrumenten
zu erlassen?

21. Wurden seit Inkrafttreten des HFHG oder davor Praktiken zur Generierung
falscher oder irreführender Signale oder zur Herbeiführung künstlicher
Preisniveaus gemäß § 3 der Marktmanipulations-Konkretisierungsverord-
nung durch in Deutschland registrierte Hochfrequenzhändler festgestellt
oder entsprechende Untersuchen eingeleitet?
Falls keine Untersuchungen eingeleitet wurden, warum nicht?
Falls ja, welche Hochfrequenzhändler waren oder sind davon wie betroffen?

22. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die vom BVI Bundesverband
Investment und Asset Management e. V. in der Anhörung zum HFHG im
Januar 2013 formulierte Forderung nach einer Mindesthaltefrist für Auf-
träge?
Welche Erkenntnisse sprechen gegen die Wirksamkeit der Maßnahme?

23. Vor dem Hintergrund, dass in Michael Lewis’ „Flash Boys“ insbesondere
auf die Gefahr verwiesen wird, dass Hochfrequenzhändler einen an mehrere
Börsen gesandten Auftrag an der ersten Börse abpassen und dann anderen
Aufträgen quasi vorlaufen können („front running“), sieht die Bundesregie-
rung diese Möglichkeit auch in Deutschland oder der EU?
Könnte sich diese Möglichkeit insbesondere durch die mit der ersten Richt-
linie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) aus dem Jahr 2007 ent-
standene Fragmentierung ergeben haben?

24. Welche Regulierungsmöglichkeiten sind der Bundesregierung bekannt,
welche den Hochfrequenzhandel an deutschen Handelsplattformen voll-
ständig unterbinden würden?

25. Legen nach Ansicht der Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des HFHG
gewonnene Erkenntnisse weitere (gesetzliche) Maßnahmen zur Regulie-
rung des algorithmischen Handels nahe?

Berlin, den 1. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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