BT-Drucksache 18/2019

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/1558, 18/2010 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz)

Vom 2. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2019
18. Wahlperiode 02.07.2014

Änderungsantrag
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, Thomas Lutze, Thomas Nord,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Azize Tank, Dr. Axel Troost und der Fraktion
DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/1558, 18/2010 (neu) –

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie
(Tarifautonomiestärkungsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

In Artikel 1 wird § 22 wie folgt geändert:
1. Die Absätze 2 und 4 werden aufgehoben.
2. Absatz 3 wird Absatz 2.

Berlin, den 2. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1
Mit der Änderung werden die Ausnahmeregelungen für Beschäftigte unter 18 Jahren und für Langzeitarbeits-
lose gestrichen.
Der gesetzliche Mindestlohn muss die Untergrenze für die Entlohnung in jedem Arbeitsverhältnis sein. Da-
von darf es keine Ausnahmen geben. Der Mindestlohn ist eine Frage der Würde und des Respekts vor geleis-
teter Arbeit. Dieser Respekt ist unteilbar und muss für jedes Arbeitsverhältnis gelten. Die Entlohnung darf
sich nicht am Alter oder sonstigen Kriterien orientieren, sondern ausschließlich an der zu verrichtenden Tä-
tigkeit.
Der Ausschluss von Beschäftigten unter 18 Jahren verstößt zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz in Arti-
kel 3 des Grundgesetzes. Die Ausnahmeregelung ist daher eine unzulässige Altersdiskriminierung. Denn der
für diese Ausnahme dargelegte Sachgrund, dass die Zahlung des Mindestlohns die Aufnahme einer Berufs-
Drucksache 18/2019 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ausbildung verhindern könne, ist nicht stichhaltig und daher keine Rechtfertigung für eine Ausnahmerege-
lung. Ein großer Teil der betroffenen Beschäftigtengruppe geht noch zur Schule und kann daher gar nicht von
der Aufnahme einer Berufsausbildung abgehalten werden. Zudem gibt es keine empirischen Belege dafür,
dass die Zahlung eines Mindestlohnes tatsächlich junge Menschen von der Aufnahme einer Ausbildung ab-
hält. Vielmehr wollen Jugendliche in der Regel eine Ausbildung machen. Das Problem ist, dass es zu wenige
Ausbildungsplätze gibt.
Es ist darüber hinaus widersinnig, eine Gruppe schützen zu wollen, indem man sie benachteiligt. Außerdem
wird ein Anreiz für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gesetzt, niedrig entlohnte Arbeit an Beschäftigte unter
18 Jahren zu vergeben und sie zu ersetzen, sobald sie die Altersgrenze überschreiten.
Auch die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose ist abzulehnen. Gerade Langzeitarbeitslose bedürfen des
Schutzes durch den Gesetzgeber und müssen unter die Mindestlohnregelung fallen. Dies leitet sich aus dem
Schutzauftrag der Artikel 1, 20 und 12 des Grundgesetzes ab.
Schon heute haben Langzeitarbeitslose, sofern sie überhaupt eine Arbeit bekommen, vielfach mit Niedriglöh-
nen zu kämpfen. Dass dieses Problem nun mit einer Ausnahmeregelung zum Mindestlohn verfestigt werden
soll, ist nicht hinzunehmen und sozial ungerecht. Die mögliche Ausnahmeregelung betrifft im Übrigen nicht
nur 939 721 Personen, die im April 2014 als langzeitarbeitslos im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) –
Hartz IV – registriert waren, sondern auch 128 835 Langzeiterwerbslose im SGB III.
Die Begründung der Bundesregierung, Langzeiterwerbslosen den Mindestlohn zunächst zu verweigern, um
damit Hürden für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt zu senken, ist zudem wenig stichhaltig. Die eigentlichen
Probleme liegen ganz woanders. Statt eine Ausnahmeregelung beim Mindestlohn zu schaffen, wäre es ange-
bracht, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Wie eine Umfrage der Bundesagentur für Arbeit im vergan-
genen Jahr ergeben hat, ist nur ein Drittel der Arbeitgeber bereit, Langzeitarbeitslosen im Einstellungsprozess
überhaupt eine Chance zu geben. Dabei zeigt sich, dass die Betriebe, die Langzeitarbeitslose eingestellt ha-
ben, deren Eigenschaften in punkto Zuverlässigkeit, Motivation und Belastbarkeit positiv beurteilen. Neben
den Vorurteilen vieler Arbeitgeber, haben Langzeiterwerbslose mit der Kürzungspolitik in der Arbeitsmarkt-
politik zu kämpfen. Vor allem im Bereich des SGB II finden Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und
Qualifizierung nur auf einem geringen Niveau statt, schrumpfen sogar in einzelnen Bereichen. Die Unterstüt-
zungsleistungen und persönlichen Hilfen sind oft nicht ausreichend.
Die Regelung birgt die Gefahr von Drehtüreffekten in sich, da die Arbeitgeber neue Langzeitarbeitslose ein-
stellen könnten, wenn der Mindestlohn fällig wird. Denn die sechsmonatige Ausnahmefrist deckt sich mit der
Wartezeit im Kündigungsschutzgesetz. Arbeitgeber können Langzeiterwerbslose jeweils für sechs Monate
unterhalb des Mindestlohns beschäftigen, sie ohne Angabe von Gründen kündigen und durch neue Langzeit-
erwerbslose ersetzen.
Zu Nummer 2
Es handelt sich um eine Folgeänderung.

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