BT-Drucksache 18/1874

Das unbefristete Arbeitsverhältnis zur Regel machen

Vom 24. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1874
18. Wahlperiode 24.06.2014

Antrag
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna
Karawanskij, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Dr. Axel Troost, Dr. Sahra Wagenknecht, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der
Fraktion DIE LINKE.

Das unbefristete Arbeitsverhältnis zur Regel machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Zahl der befristet Beschäftigten in Deutschland hat sich in den vergangenen 20
Jahren verdreifacht. Gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten sind knapp
neun Prozent und damit jede/jeder Elfte befristet eingestellt. Junge Beschäftigte
sind überproportional betroffen. Bei den 15-25-Jährigen hat mittlerweile jede/jeder
Vierte einen befristeten Arbeitsvertrag. Auch bei den 25-35-Jährigen ist es noch
jede/jeder Siebte.

Ebenso dramatisch ist die Situation, wenn man die Praxis bei Neueinstellungen
betrachtet. 42 Prozent der neu abgeschlossenen Arbeitsverträge werden nur noch
befristet ausgestellt. Frauen sind davon stärker betroffen als Männer. Bei ihnen
werden 47 Prozent der neuen Verträge befristet abgeschlossen, bei Männern sind
es 38 Prozent.

Eine aktuelle Untersuchung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
kommt zu dem Ergebnis, dass die erste Phase des Erwerbslebens instabiler und
unsicherer geworden ist. Diese Entwicklung korrespondiere mit dem Anstieg der
Befristungsquote bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (vgl. IAB-Kurzbericht
3/2014).

Für die Qualität von Arbeit ist es entscheidend, ob ein Arbeitsvertrag befristet ist
oder nicht. Befristete Arbeitsverträge erschweren die Lebensplanung. Die berufli-
chen Perspektiven sind unsicher und Brüche in den Erwerbsbiographien vorge-
zeichnet. Mit befristeten Arbeitsverträgen werden Beschäftigte zudem diszipliniert
und mundtot gemacht. Wer für den Arbeitgeber unbequem ist und seine Rechte
einfordert, läuft Gefahr, nach Ablauf der Befristung nicht weiterbeschäftigt zu
werden.

Auch zum Schutz arbeitsrechtlicher Standards ist eine Einschränkung der Zuläs-
sigkeit von befristeten Arbeitsverträgen von zentraler Bedeutung. Mit befristeten
Arbeitsverträgen wird der Kündigungsschutz ausgehöhlt. Dies betrifft den allge-
meinen wie auch den besonderen Kündigungsschutz für bestimmte Gruppen. Der
spezielle Schutz von Betriebsräten, werdenden Müttern oder Menschen mit Behin-
derungen läuft ins Leere, wenn die Betroffenen ohnehin nur befristet angestellt
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sind. Denn sowohl die Zweckerreichung als auch der Zeitablauf beenden das be-
fristete Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Der Gesetzgeber ist gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das unbefristete Ar-
beitsverhältnis wieder zur Regel zu machen. Dies erfordert neben der Abschaffung
der Möglichkeiten, Arbeitsverträge ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zeit-
lich befristen zu können, die Streichung von einigen der sogenannten Sachgründe
im Teilzeit- und Befristungsgesetz.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzent-
wurf vorzulegen, der folgende Änderungen des Teilzeit- und Befristungsge-
setzes (TzBfG) beinhaltet:

Streichung der Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Ab-
satz 2, 2a und 3 TzBfG)
Streichung des Befristungsgrundes zur Erprobung (§ 14 Absatz 1 Num-
mer 5 TzBfG)
Streichung der Möglichkeit der „Haushaltsmittelbefristung“ (§ 14 Absatz
1 Nummer 7 TzBfG)
Festlegung, dass es sich bei den Sachgründen in § 14 Absatz 1 Satz 2
TzBfG um einen abschließenden Katalog handelt.

Berlin, den 24. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Für die Erprobung einer neu eingestellten Arbeitnehmerin oder eines neu eingestellten Arbeitnehmers ist der
sachliche Grund „Befristung zur Erprobung“ oder eine kalendermäßige Befristung nicht erforderlich, da sich
bereits aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit ergibt, im Rahmen der Vertragsfreiheit eine Probe-
zeit von bis zu sechs Monaten zu vereinbaren. Hier hat sich herauskristallisiert, dass befristete Arbeitsver-
hältnisse mit dem sachlichen Befristungsgrund „Befristung zur Erprobung“ zunehmend als verlängerte Pro-
bezeit missbraucht werden. Befristungen die an zweckgebundene Haushaltsmittel geknüpft sind, bergen
ebenso eine große Missbrauchsgefahr in sich. Das Bundesarbeitsgericht betrachtet Haushaltsmittelbefristun-
gen für öffentliche Arbeitgeber sehr kritisch (vgl. BAG, Urteil vom 18. 10. 2006 - 7 AZR 419/05 ). Es besteht
die Gefahr, dass mittels pauschalen Verweises auf die Haushaltsentscheidungen unendliche Kettenarbeitsver-
träge geschlossen werden können. Die bisher offengehaltene Formulierung der Zulässigkeit der Befristungs-
gründe bietet Raum für vielfältige weitere Möglichkeiten der Befristung von Arbeitsverträgen mit Sachgrund.
Dies dient besonders Arbeitgebern bei der weiteren Ausweitung der Befristung und bietet Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern keine hinreichende Rechtssicherheit vor einem eventuellen Missbrauch der gesetzlichen
Befristungsmöglichkeiten.

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