BT-Drucksache 18/1673

Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absichern

Vom 5. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1673
18. Wahlperiode 05.06.2014

Antrag
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Diana Golze, Kerstin
Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Thomas Nord, Harald Petzold, Dr. Kirsten Tackmann,
Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Jede vierte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde Elektrizität ist inzwischen
Ökostrom. Dies ist eine Erfolgsgeschichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
(EEG). Gleichzeitig verharrt jedoch die emissionsintensive Kohleverstromung auf
einem hohen Niveau und stieg zuletzt sogar an, anstatt im Umfang des Ökostrom-
wachstums abzunehmen. Seit 2010 erlebt insbesondere die Stromerzeugung aus
Braunkohlekraftwerken eine Renaissance. Moderne hocheffiziente und klima-
freundlichere Anlagen auf Gasbasis kommen dagegen immer weniger zum Zuge.
In der Folge wurden Erzeugungsüberschüsse in einem erheblichen Maße expor-
tiert. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der deutschen Treibhausgasbilanz
nieder. Die temperaturbereinigten energiebedingten CO2-Emissionen lagen 2013
rund 23 Millionen t höher als 2010.

Die ungebremste Kohleverstromung ist nicht nur fatal, weil sie das Erreichen der
nationalen Klimaschutzziele gefährdet. Wird der Trend nicht gebrochen, so wird es
unmöglich, die Bundesrepublik Deutschland zu einem weltweiten Vorbild für die
Energiewende zu machen. Schließlich ist ein weitgehend regeneratives Energiesys-
tem mit einem dauerhaft hohen Sockel an inflexiblen Kohlekraftwerken – insbe-
sondere Braunkohlekraftwerken – unvereinbar.

Das EU-Emissionshandelssystem – als nach Auffassung der EU-Kommission und
der Bundesregierung wichtigstes klimapolitisches Steuerungsinstrument im Strom-
sektor – hat hier bislang gänzlich versagt und wird auch in Zukunft nicht verhin-
dern, dass die Braunkohleverstromung in Deutschland noch bis Mitte des nächsten
Jahrhunderts einen maßgeblichen Anteil am Strommix haben wird. Darum sind
zusätzliche nationale Instrumente notwendig, um in der Bundesrepublik einen ge-
ordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung zu vollziehen – beginnend heute, mit
dem Ziel der vollständigen Abschaltung von Kohlekraftwerken spätestens im Jahr
2040. Dabei müssen die inneffizientesten Braunkohlekraftwerke am ehesten vom
Netz. Der entsprechend geringere Bedarf an Braunkohle muss sich auch angesichts
der verheerenden Begleitschäden des Bergbaus in einem Verbot des Neuaufschlus-
ses von Braunkohletagebauen widerspiegeln.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

politisch das Scheitern des EU-Emissionshandelssystems festzustellen und dem
Bundestag bis Oktober 2014 einen Gesetzentwurf über den planmäßigen Ausstieg
aus der deutschen Kohleverstromung – analog dem Atomausstiegsgesetz – vorzu-
legen, welches folgenden Eckpunkten entspricht:
1. Der Neubau von Kohlekraftwerken und Neuaufschluss von Tagebauen wird

untersagt.
2. Spätestens im Jahr 2040 wird der letzte Kohlekraftwerksblock in Deutschland

stillgelegt.
3. Ab dem Jahr 2015 wird die Menge des in Kohlekraftwerken maximal erzeug-

ten Stroms jährlich begrenzt und stetig reduziert, welche jeder Block bis zu
seiner jeweiligen endgültigen Abschaltung erzeugen darf (Reststrommenge).

4. Die maximale Reststrommenge für jeden bestehende Kohlekraftwerksblock
wird Anhand von Effizienz-Kriterien (elektrischer Wirkungsgrad plus geeigne-
ten KWK-Faktor) und unter Berücksichtigung der bisherigen Laufzeit festge-
legt.

5. Bei der Festlegung der Reststrommengen wird die Effizienz des jeweiligen
Kraftwerksblocks insofern berücksichtigt, dass, – eine gleiche bisheriger Lauf-
zeit angenommen – Kraftwerkblocks mit einem geringen Wirkungsgrad weni-
ger Reststrommengen erhalten als Kraftwerkblocks mit einem hohen Wir-
kungsgrad. Bei gleicher Effizienz werden ältere Kraftwerksblöcke früher abge-
stellt als jüngere.

6. Die Reststrommengen werden alle drei Jahre kostenlos an die Bestandskraft-
werksblöcke in 3-Jahres-Budgets vergeben, wobei die Strommenge stetig re-
duziert wird. Die Reststrommengen sind nicht handelbar. Sie können jedoch
hin zu Anlagen mit geringerer CO2-Intensität umverteilt werden.

7. Die 3-Jahres-Budgets dürfen so genutzt werden, dass die in einem einzelnen
Jahr von einem Kraftwerksblock produzierte Strommenge den sich aus dem
zugeteilten 3-Jahres-Budget ergebenen jährlichen Durchschnitt maximal um
ein Fünftel überschreiten kann (Banking). Das 3-Jahres-Budget des Kraft-
werksblocks insgesamt darf nicht überschritten werden.

8. Eine Überschreitung der maximal zulässigen Strommengen je Kraftwerksblock
wird wirksam sanktioniert.

9. Das System der Restrommengen gewährleist jederzeit die Versorgungssicher-
heit der Bundesrepublik Deutschland insbesondere unter der Maßgabe, dass
der Einspeisevorrang von Ökostrom in der Jahresbilanz ohne wesentliche
Stromexporte ins Ausland gewahrt wird, und zwar entsprechend den Ausbau-
zielen der Bundesregierung für Ökostrom bis 2050 mit Zwischenzielen bis
2020, 2030 und 2040. Dabei sind bilanziell der Bestand und notwendige Aus-
bau von Gaskraftwerken sowie die Flexibilitätsanforderungen der Energie-
wende an das Stromsystem zu berücksichtigen.

10. Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist arbeitsmarkt-,
wirtschafts- und sozialpolitisch zu begleiten, wobei Interessenvertreter der Be-
schäftigten vor Ort und der Region wirksam einzubinden sind. Die Bundesre-
gierung wird beauftragt, gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern ein
entsprechendes Konzept zu erarbeiten, welches u. a. die Finanzierung dieses
Transformationsprozesses gewährleistet.

Berlin, den 5. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1673

Begründung

I. Allgemein

Die Verstromung der klimaschädlichen Kohle in der Bundesrepublik Deutschland steigt seit 2010 wieder an.
Die ohnehin existierende Lücke zur Erfüllung des 40-Prozent-Minderungsziels für Treibhausgase bis 2020
gegenüber 1990 in Höhe von mindestens 5 Prozentpunkten droht sich weiter zu vergrößern. So stieg der
energiebedingte CO2-Ausstieg – temperaturbereinigt – zwischen 2010 und 2013 von 761,5 Millionen t auf
784,6 Millionen t an. Den größten Anteil an diesem Anstieg hat die besonders emissionsintensive aber be-
triebswirtschaftlich preiswerte Braunkohleverstromung. Um die deutschen Klimaschutzziele zu erfüllen und
es zudem der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, ihre internationale Vorreiterrolle im Klimaschutz
einnehmen zu können, ist es erforderlich, ein zusätzliches Instrument einzuführen, dass die Verstromung der
Kohle in dem Maße begrenzt, wie sie durch Ökostrom zuverlässig ersetzt wird.

Die Vorreiterolle Deutschlands bei der notwendigen globalen Energiewende war noch nie so wichtig wie
heute: Sie besteht insbesondere darin, nachzuweisen, dass ein Industriestaat technisch, ökonomisch und sozi-
al in der Lage ist, sein Wirtschaftssystem zügig, d. h. spätestens bis zur Mitte dieses Jahrhunderts, auf eine
vollständig regenerative Energiebasis zu stellen. Dafür ist es erforderlich, Instrumente, wie das erfolgreiche
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), welches den Ausbau der Stromerzeugung aus Sonne, Wind, Biogas
oder Wasser erfolgreich auf einen Anteil von heute 25 Prozent am Stromverbauch vorangetrieben hat, mit
einem Kohleausstiegsgesetz zu ergänzen.

Die häufig vorgebrachte Argumentation, die Begrenzung der Treibhausgase der Energiewirtschaft sei voll-
umfänglich über den europäischen Emissionshandel geregelt, welcher einen politisch festgelegten festen
Deckel verfüge, weshalb eine isolierte Betrachtung der deutschen Kraftwerksemissionen nicht sachgerecht
sei, ist aus drei Gründen falsch:

Erstens ist der Deckel im EU-Emissionshandelssystem durch Hintertüren, wie einen betrugsanfälligen Me-
chanismus zur Anrechnung vermeintlicher Treibhausgaseinsparungen im Ausland, angehoben worden. Da-
durch werden die ursprünglichen Klimaschutzziele unterlaufen.

Zweitens sind auch durch Überzuteilung sowie krisenbedingt enorme Mengen an ungenutzten Emissionsbe-
rechtigungen im System, die auf die CO2-Preise drücken. Insbesondere ein dauerhafter Brennstoffwechsel
von Braunkohle zum deutlich klimafreundlicheren Gas ist daher im gegenwärtigen Regime ausgeschlossen.
Im Gegenteil: Die weniger emissionsintensiven Gas- und Steinkohlekraftwerke mit teureren Brennstoffkosten
kommen – verstärkt durch sinkende Großhandelspreise – unter wirtschaftlichen Druck, während die Braun-
kohle eine Renaissance feiert. In zahlreichen Stadtwerken sind moderne Gaskraftwerke nicht ausgelastet und
produzieren Kosten statt Erträge. Durch die Verwerfungen am Strommarkt sehen die Dienstleistungsgesell-
schaft Ver.di und der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) in der kommunalen Strom- und Wär-
meerzeugung 20 000 Jobs in Gefahr.

Wie nachfolgend erläutert wird, werden auch die von der EU-Kommission angedachten Reformen – sollten
sie überhaupt umgesetzt werden – nicht zu Ergebnissen führen, die dies grundlegend ändern. Insofern wird
die Braunkohle ohne ein neues regulierendes Instrument neben oder alternativ zum EU-Emissionshandel
noch bis mindestens Mitte des nächsten Jahrhunderts eine wesentliche Rolle im deutschen Energiemix spie-
len. Das aber – und dies ist das zweite zentrale Argument gegen den Emissionshandel als hinreichendes In-
strument – würde der Bundesrepublik Deutschland die Umstellung auf ein vollständig regeneratives Energie-
system mit all den dafür erforderlichen Elementen (Flexibilität über Netze, Speicher, Lastmanagement,
Smardgrids, Verbindung von Strom- und Wärmemarkt etc.) unmöglich machen. Bereits der Übergangspro-
zess würde extrem erschwert, da der betriebswirtschaftlich preiswerte Braunkohlestrom absurderweise genau
jene Arten der Erzeugung und Leistungsbreitstellung aus dem Markt drängt, die wegen ihrer hohen Flexibili-
tät als Backup-Kraftwerke für die Energiewende dringend gebraucht werden: Gaskraftwerke sowie später
auch Stromspeicher. Kurzum, das Beispiel Deutschland, wie der Übergang zu einem energetisch regenerati-
ven Wirtschaftssystem funktionieren könnte, würde schlicht nicht stattfinden. Eine historische Chance einma-
liger globaler Verantwortung wäre verspielt. Schließlich gilt die Bundesrepublik Deutschland als einer der
wenigen Staaten, die in der Lage sind, diesen Weg technisch, wirtschaftlich und sozial zu beschreiten und
damit auch Lernkurven zu finanzieren, die es ärmeren Staaten ermöglicht, einen ähnlichen Pfad zu gehen.

Drucksache 18/1673 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Drittens hat das marktgetriebene „Mitschleppen“ der Braunkohleverstromung zur Folge, dass die nationalen
Klimaschutzziele deutlich verfehlt werden. Dies wies aktuell auch eine Studie im Auftrag des Stadtwerkever-
bunds Trianel zu einem „idealen Kraftwerkspark“ nach. Sie forderte als Konsequenz von der Politik, Instru-
mente zu entwickeln, die insbesondere jene ineffizienten Braunkohlekraftwerke vom Markt nehmen, welche
gleichermaßen für die Versorgungssicherheit überflüssig wie für eine effiziente Energiewende im Stromsek-
tor schädlich sind.

Ein Kohleausstiegsgesetz ist ein solches Instrument. Es kann zuverlässig garantieren, dass die Bundesrepub-
lik Deutschland zügig aus der Kohleverstromung aussteigt. Die Bestimmung der Restlaufzeiten der Kraft-
werksblöcke anhand von Effizienzkriterien wird als erstes inneffiziente Braunkohlemeiler vom Netz nehmen,
später auch inneffiziente Steinkohlekraftwerke, insbesondere solche ohne Abwärmenutzung.

Das planvolle sukzessive Abschalten von Kohlekraftwerkskapazitäten ermöglicht es überdies Länder und
Kommunen sowie Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen, sich auf den Strukturwandel vor Ort ein-
zustellen und diesen sozialverträglich zu begleiten.

II. Im Einzelnen

Der EU-Emissionshandel hat bislang als Klimaschutzinstrument versagt. Durch die fehlerhafte Ausgestaltung
des Emissionshandels sind der Vergangenheit eine enorme Menge überschüssiger CO2-Zertifikate aufgelau-
fen, die nicht benötigt werden. So macht allein der Zufluss von Gutschriften aus zweifelhaften Klimaschutz-
projekten im globalen Süden im Clean Development Mechanism (CDM) etwa 1,6 Milliarden der 2 Milliar-
den Überschüsse an Emissionsberechtigungen aus, ist also Hauptursache für die Krise des Handelssystems.
Von diesen 1,5 Milliarden sind nach Schätzungen etwa die Hälfte faul – hinter ihnen stehen keine zusätzli-
chen Treibhausgaseinsparungen im globalen Süden. Weitere Ursachen der derzeitigen Zertifikatsschwemme
sind Überzuteilungen an die Industrie sowie die Wirtschaftskrise 2008/2009.

Die Überschüsse lassen nicht nur die Preise in den Keller stürzen – seit Monaten kostet eine Tonne CO2 nur
so viel wie ein Brot beim Bäcker statt der ursprünglich erwarteten 25 bis 30 Euro je Emissionsrecht –, sie
führen auch zu einem zusätzlichen Klimagasausstoß in Höhe der faulen CDM-Emissionsgutschriften aus dem
globalen Süden. Das sind jene rund 800 000 t CO2, hinter denen keine zusätzlichen Emissionsminderungen
stehen.

Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur Strukturreform des Emissionshandels (Vorschlag für ei-
nen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung und Anwendung einer
Marktstabilitätsreserve) werden dieses Problem nicht lösen. Um einen “kosteneffizienten Übergang zu einer
CO2-armen Wirtschaft“ sicherzustellen, sieht der Vorschlag u. a. die Einrichtung einer Marktstabilitätsreserve
als strukturelle Maßnahme vor. Verlassen die Überschüsse einen Korridor zwischen rund 400 Millionen und
833 Mio. Überschüssen, so soll ein Teil des Überschusses vom Markt genommen bzw. zusätzlich versteigert
werden.

Der Reformvorschlag ist unzureichend. An den Zertifikats-Überschüssen über zwei Milliarden t CO2 aus der
vergangenen Legislaturperiode – ein gesamtes Jahresbudget des Emissionshandelssektors der EU –, die ei-
gentlich sofort und endgültig stillgelegt werden müssten, wird kaum gerüttelt. Die vorgesehene Marktstabili-
tätsreserve wird lediglich dazu führen, dass der Überschuss minimal unter 650 Millionen Zertifikate fällt, und
dies frühestens 2030. Weniger Überschuss kann es nach diesem Mechanismus nur geben, wenn die Nachfra-
ge nach CO2-Zertifikaten drastisch ansteigt, was kaum zu erwarten ist.

Es ist darum weiterhin davon auszugehen, dass die CO2-Preise in Zukunft deutlich unter 20 Euro je Tonne
CO2 liegen werden. Entsprechend wird mindestens weitere 10 bis 15 Jahre kein Klimaschutz aus dem Emis-
sionshandel erwachsen. Kohleintensive EU-Staaten wie Polen lehnen ohnehin den o. g. schwachen Kommis-
sionsvorschlag ab, so dass selbst solche CO2-Preise als optimistischstes Szenario anzusehen sind.

Die wesentlichen externen Kosten der Kohleverstromung trägt die Gesellschaft, so etwa die der Klimawan-
delfolgen, der Störung des Wasserhaushalts, des Verlustes von Heimat, von Gesundheitsschäden wegen
Quecksilberemissionen und anderen Schad- und Störstoffen aus den Kraftwerken. Rein betriebswirtschaftlich
gehört die Braunkohleförderung und -verstromung jedoch zu den billigsten Stromerzeugungsarten. Aufgrund
dieser geringen Kosten wären sehr hohe CO2-Preise erforderlich, damit sich die Einsatzreihenfolge im Kraft-
werkspark so ändert, dass Braunkohle dauerhaft verdrängt wird. Es wären – je nach Wirkungsgrad der Anla-
gen und Kostenentwicklung der Brennstoffkosten - Zertifikatspreise zwischen 40 und 80 Euro je Tonne CO2

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1673

erforderlich, damit an der Strombörse – abgesehen von wenigen Nachfragespitzen – an Stelle von Strom aus
Braunkohle Elektrizität aus Gaskraftwerken gekauft wird. Dies ist das acht- bis sechzehnfache der gegenwär-
tigen CO2-Preise und immer noch ein Vielfaches jener Zertifikatspreise, die durch einen reformierten EU-
Emissionshandel zu erwarten wären.

Im Übrigen müssten CO2-Preise in einer Höhe, die die Braunkohle aus der Verstromung drängen würden,
durch einen drastischen Strompreiseffekt erkauft werden. Dieser würde zwar abgemildert dadurch, dass sich
die EEG-Differenzkosten und damit die EEG-Umlage entsprechend vermindern. Er würde aber netto immer
noch etwa 2 bis 4 Cent je Kilowattstunde betragen.

Die Fraktion DIE LINKE. bleibt darum auch aus sozialer Sicht bei dem Vorschlag eines Kohleausstiegsge-
setzes, den sie in Eckpunkten bereits in der letzten Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht hatte. Im
Antrag „Kohleausstiegsgesetz nach Scheitern des EU-Emissionshandels“ auf Bundetagsdrucksache 17/12064
sind u. a. Restlaufzeiten für Kohlemeiler gefordert, um einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstro-
mung, unabhängig vom Emissionshandel, zu garantieren.

Die Begrenzung und der planvolle Ausstieg aus der Kohleverstromung würden überdies den Netzausbau
reduzieren. Schließlich sieht der gegenwärtige Rechtsrahmen für die Netzplanung vor, jedem Kraftwerksbe-
treiber den Abtransport seiner maximal produzierten Strommenge zu garantieren. Ein um überflüssige
Braunkohlekraftwerke verminderter Kraftwerkspark würde den Bedarf an zusätzlichen Stromtrassen reduzie-
ren.

Ein Kohleausstiegsgesetz wurde in seinen Grundzügen bereits durch das Beratungsgunternehmen Ecofys in
einer Studie für Greenpeace Deutschland im Mai 2012 vorgestellt, dem ein ähnlicher Vorschlag der Umwelt-
organisation aus dem Jahr 2008 vorausging. Daran angelehnt soll ab 2015 die jährlichen Strommengen aus
Kohlekraftwerken begrenzt und in den Folgejahren stetig reduziert werden. Der Neubau von Kohlekraftwer-
ken und Neuaufschluss von Tagebauen muss entsprechend verboten werden. Infolge eines solchen Gesetzes
soll spätestens 2040 das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz gehen.

Die Reststrommengen sind in diesem System an die Betreiber von Kohlekraftwerken anhand von Effizienz-
Benchmarks unter Berücksichtigung der bisherigen Laufzeit zu vergeben. Um Flexibilität zu gewährleisten
erfolgt die Zuteilung an die Kraftwerksblöcke nicht jährlich, sondern alle drei Jahre in 3-Jahres-Budgets.
Dieses darf zwar insgesamt nicht überschritten werden. Die in einem einzelnen Jahr von einem Kraftwerks-
block produzierte Strommenge kann jedoch den sich aus dem zugeteilten 3-Jahres-Budget ergebenen jährli-
chen Durchschnitt um maximal um ein Fünftel überschreiten. Die Energiewende ist auch im Hinblick auf
Beschäftigte und Regionen gerecht auszugestalten. Darum muss sie arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpo-
litisch begleitet werden. Dies gilt insbesondere dort, wo durch den Ausstieg aus der Braunkohle vor Ort Här-
ten für Arbeiter und Angestellte bzw. für Städte und Gemeinden zu erwarten sind. Entsprechende Programme
zur Qualifizierung, für Beschäftigungsalternativen, Teilzeitregelungen etc. sind gemeinsam mit Belegschaf-
ten und Kommunen zu erarbeiten und finanziell zu unterstützten. Die Bundesregierung wird darum beauf-
tragt, gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten.

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