BT-Drucksache 18/13298

Mögliche Beteiligung deutscher Unternehmen an Landraub in Angola

Vom 7. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13298
18. Wahlperiode 07.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Franziska Brantner, Dr. Gerhard Schick,
Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Marieluise Beck
(Bremen), Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mögliche Beteiligung deutscher Unternehmen an Landraub in Angola

Laut Medienberichten (www.afrika-sued.org/aktuellesheft/vertriebenincunene/)
ist die Commerzbank an der Finanzierung des Agrargroßprojekts Horizonte 2020
in der angolanischen Provinz Cunene beteiligt. Die Investmentfirma „S. Tulumba
Investimentos e Participações, Limitada“ (STI) möchte dort auf rund 85 000 Hek-
tar – etwa die Fläche des Bundeslandes Berlin – insgesamt rund 1,4 Mrd. US-
Dollar in Produktionsanlagen für Viehfutter, Rohrzucker, Hühner, Rindfleisch
und Milch sowie Getreidemühlen (Mais und Weizen) investieren. Der Unterneh-
mer hinter dem Projekt Horizonte 2020, Silvestre Tulumba, unterhält enge Kon-
takte zu Regierungskreisen. Den Berichten zufolge kam es bereits im Vorfeld des
Projekts zu Vertreibungen der lokalen Bevölkerung, Landraub und Menschen-
rechtsverletzungen. 56 000 Menschen aus 39 Gemeinden sind von dem Projekt
betroffen und akut bedroht, den Zugang zu fruchtbarem Land und Wasser zu ver-
lieren. Das bedroht das Recht auf Nahrung und untergräbt die Ernährungssouve-
ränität der Betroffenen.
Die Menschenrechtsorganisation Associação Construindo Communidades (ACC),
die Arbeitsgruppe zur Überwachung der Menschenrechte in Angola (GTMDH)
und das Open Society Institute Angola (OSISA) entsandten bereits im April 2016
Beobachter in das Gebiet. Die Organisationen berichten, dass Protesten gegen die
Vertreibung mit harten Repressionen begegnet wird. Laut ACC würde sich allein
der Schaden bei einem Verlust des Viehbestandes (rund 250 000 Rinder, 300 000
Ziegen und 30 000 Schafe) der betroffenen Bevölkerung auf eine halbe Milliarde
US-Dollar belaufen. Als Entschädigung wurden einzelnen Geschädigten Berich-
ten zufolge ein Pflug, 100 kg Mais und fünf Stück Vieh angeboten.
Laut dem Länderbericht der niederländischen Agrix Trade & Consultancy ist die
Commerzbank Aktiengesellschaft in Angola sehr aktiv. Im Bericht heißt es wei-
ter: „Investitionen in die Landwirtschaft [in Angola] gelten wegen unklarer Ei-
gentumsverhältnisse und Landtitel als ‚heikel‘ “ (www.agroberichtenbuitenland.
nl/wp-content/uploads/2015/12/Report-on-Agroangol-and-a-field-trip-in-the-
Malanje-region-Oct-2015-Agrix-participants.pdf, S. 14). Aus amtlichen Blättern
der angolanischen Regierung (Diário da República, Serie I) von April bis August
2016 wird ersichtlich, dass Tulumba als „lokaler Investor“ jeweils 25 Prozent der
Investitionssumme für die einzelnen Projekte von Horizonte 2020 als Eigenleis-
tung einbrachte. Eine in den amtlichen Blättern nicht genannte angolanische Bank

Drucksache 18/13298 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ist mit etwa 10 Prozent Eigenmitteln beteiligt. Rund 65 Prozent der Finanzierung
werden über Kredite aus dem Ausland sichergestellt. In Medienberichten heißt
es, „die Commerzbank betont, man würde ‚bei Privatbanken in Angola nur über
eine akzeptable angolanische Bank finanzieren‘, bei der als Kreditnehmer das
Projekt- und Kreditrisiko bestehe […]. Sobald eine Anzahlung von 15 Prozent
geleistet sei, sei eine ‚Euler Hermes gedeckte Finanzierung auszahlungsfähig‘ “
(Afrika-Süd-Artikel). Da die Bundesrepublik Deutschland größter Anteilseigner
der Commerzbank ist (15,6 Prozent der Anteile laut der Frankfurter Börse),
kommt der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zu. Die Vorwürfe im
Fall des Projekts Horizonte 2020 wiegen schwer und es ist unklar, inwieweit die
Bundesregierung von dem Projekt Kenntnis hatte und was sie unternahm, damit
die Rechte der lokalen Bevölkerung gewahrt und ihre Existenzen geschützt wer-
den.

Wir fragen daher die Bundesregierung:
1. In welcher Form bzw. durch welche Instrumente und Initiativen hat die Bun-

desregierung Geschäfte des Exports und Imports zwischen Deutschland und
Angola in den letzten vier Jahren gefördert (bitte nach Instrument/Initiative,
finanziellem Umfang und Jahr auflisten)?

2. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Ablehnung der Bedingungen einer Beobachtergruppe der EU für die
Parlamentswahlen am 23. August 2017 durch die angolanische Regierung
(http://de.euronews.com/2017/07/18/angola-lehnt-bedingungen-von-eu-
wahlbeobachtern-ab)?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation der Zivilgesellschaft in An-
gola ein, und welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung, um zivilgesell-
schaftliches Engagement zu fördern und, falls notwendig, Aktivistinnen und
Aktivisten vor repressiven Maßnahmen zu schützen?

4. Wie schätzt die Bundesregierung Auswirkungen von Agrargroßprojekten im
Landwirtschaftssektor Angolas ein bezüglich
a) Landrechtsfragen,
b) der Einhaltung der Menschenrechte,
c) ökologischer Auswirkungen,
d) der sozialen Auswirkungen, insbesondere der Möglichkeit für die lokale

Bevölkerung, den Lebensunterhalt zu bestreiten?
5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über geplante oder bestehende

Beteiligungen deutscher Akteure im angolanischen Landwirtschafts- und Er-
nährungssektor (bitte unter Angabe von Projekt, Investitionsvolumen, Re-
gion und Projektbeginn auflisten)?
a) In welchen Fällen kam es laut Kenntnis der Bundesregierung dabei zu

Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Vertreibungen und/oder Land-
rechtsverletzungen?

Welche Konsequenzen wurden daraus jeweils gezogen?
b) Welche dieser Projekte wurden durch öffentliche Gelder (mit-)finanziert

oder öffentliche Institutionen gefördert (bitte nach Projekten, Förderin-
strumenten und Summen auflisten)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung grundsätzlich die Rechtssicherheit und
die Achtung der Landrechte in Angola, und welche Schlussfolgerungen zieht
sie daraus für Projekte in Angola, an deren Konzeption, Finanzierung oder
Durchführung sich deutsche Unternehmen beteiligen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13298
7. Welche Investitionen in Angola werden aktuell durch Exportkreditgarantien
oder Investitionsgarantien des Bundes abgesichert (bitte die letzten vier Jahre
nach Projekten, Volumen und Jahr auflisten)?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung deutscher
Akteure am Agrargroßprojekt Horizonte 2020 der STI, das laut mehrfachen
Aussagen von Silvestre Tulumba nur durch „billige Kredite aus Deutsch-
land“ ermöglicht worden sei (bitte Akteure unter Angabe von Investitions-
volumen und Projektbeginn auflisten)?
a) Kam es nach Kenntnis der Bundesregierung dabei zu Menschenrechtsver-

letzungen, insbesondere Vertreibungen und/oder Landrechtsverletzun-
gen?

Welche Konsequenzen wurden jeweils gezogen?
b) Kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Verletzungen des natio-

nalen Landrechts (Resolution Nr. 37/09 vom 3. September 2009)?
c) Besteht Anlass zur Sorge, dass derartige Menschenrechtsverletzungen im

Rahmen der künftigen Projektumsetzung nicht auszuschließen sind?
d) Welche Teilprojekte von Horizonte 2020 wurden durch öffentliche Gel-

der oder öffentliche Institutionen gefördert (bitte nach Projekten, Förder-
instrumenten und Summen auflisten)?

9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zur Entschädigung und zum
Verbleib der agro-pastoralen Gemeinden, die die rund 85 000 Hektar Land
des Projektgebiets von Horizonte 2020 bewohnen bzw. bewohnten?
a) Kam es nach Kenntnis der Bundesregierung beim Projekt Horizonte 2020

zu Zwangsvertreibungen?

Wenn ja, welche Maßnahmen ergriff die Bundesregierung?
b) Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die gesetzlichen Vorschrif-

ten Angolas (Landrecht und Verfassung) eingehalten?
c) Verletzt das Projekt aus Sicht der Bundesregierung das Menschenrecht

auf Nahrung?

Wenn nein, warum nicht?
d) Verletzt das Projekt aus Sicht der Bundesregierung die Rechte von Min-

derheiten?

Wenn nein, warum nicht?
10. Wer brachte nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahlung für das Pro-

jekt Horizonte 2020 auf?
a) Liegen der Bundesregierung relevante Informationen zu dem Unterneh-

men und/oder dem Unternehmer vor, die bspw. auf Landrechts- und Men-
schenrechtsverletzungen in früheren Projekten hinweisen?

b) Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mutmaßliche Einnahmen
aus der Erdölförderung als Garantie für Kredite in Aussicht gestellt, und
wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diesbezüglich die Wirt-
schafts- und Finanzkrise Angolas?

11. Wurde das Vorhaben dem Interministeriellen Ausschuss (IMA) der Bundes-
regierung im Vorfeld zur Entscheidung vorgelegt?

Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

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12. Wird bei Projekten, die durch Instrumente wie Exportkreditgarantien oder

Investitionsgarantien des Bundes gefördert werden, geprüft, ob den invol-
vierten Unternehmen und/oder den Unternehmern bei früheren Projekten
Landrechts- und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden?
a) Wenn ja, zu welcher Einschätzung kam die Bundesregierung im Fall Ho-

rizonte 2020?
b) Wenn ja, welche Konsequenzen werden bei der Feststellung von entspre-

chenden Vorwürfen gezogen?
Werden bspw. Auflagen formuliert, die zukünftige Verstöße verhindern
sollen?

c) Wenn nein, warum nicht?
13. Wurde vor dem Projektbeginn und während der Projektplanung eine Um-

welt- und Sozialprüfung durchgeführt, und wie wird die Einhaltung der
„Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden-
und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gewährleistet?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, welche Organisationen waren an der Untersuchung beteiligt,

wann wurde sie durchgeführt, und zu welchem Ergebnis kam die Unter-
suchung?

14. Inwieweit nutzt die Bundesregierung den Umstand, dass die Bundesrepublik
Deutschland größter Anteilseigner der Commerzbank ist, um die Menschen-
rechte in Projekten mit Beteiligung der Commerzbank zu schützen?
a) Welche Berichte von Menschenrechtsaktivisten aus Angola hat die Bun-

desregierung beim Projekt Horizonte 2020 konsultiert?
b) Welche weiteren Berichte und Einschätzungen hat die Bundesregierung

im Fall Horizonte 2020 zu Rate gezogen?
15. Welche gemeinsamen Projekte zur Wasserkraft in Angola verabredete

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit dem chinesischem Präsidenten Xi
Jinping (www.spiegel.de/politik/ausland/angela-merkel-trifft-xi-jinping-
marktzugang-sichern-scheitern-von-g20-verhindern-a-1156054.html), und
inwieweit sind dabei die Landrechte der lokalen Bevölkerung betroffen?

Berlin, den 4. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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