BT-Drucksache 18/13019

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181 Nr. 1.11, 18/12998 - Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften

Vom 28. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13019

18. Wahlperiode 28.06.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Christian Kühn (Tübingen), Kordula Schulz-Asche, Dr. Julia Verlinden,
Ekin Deligöz, Kai Gehring, Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Stephan
Kühn (Dresden), Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Peter Meiwald, Brigitte
Pothmer, Corinna Rüffer, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181 Nr. 1.11, 18/12998 –

Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen

aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei
Genossenschaften

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vereine, Genossenschaften und andere Organisationen des bürgerschaftlichen Enga-
gements sind von zentraler Bedeutung für das Gemeinwohl unserer Gesellschaft. Mil-
lionen von Menschen engagieren sich freiwillig, bürgerschaftlich und ehrenamtlich
sowie unentgeltlich in Vereinen, Verbänden, Kirchen und Initiativen. Die Spanne der
ausgeübten Tätigkeiten reicht hierbei von Sport- und Kulturvereinen über freiwillige
Feuerwehren, den Katastrophenschutz, Nichtregierungsorganisationen, direktdemo-
kratische Bürgerbeteiligung, den Umwelt- und Naturschutz, die Entwicklungshilfe,
den Tierschutz, das Engagement für Kinder, Jugendliche, alte Menschen und Men-
schen mit Behinderungen, die Hospizbewegungen, Nachbarschaftshilfen und Selbst-
hilfegruppen bis hin zu gemeinwohlorientierten Aktivitäten von Unternehmen in Be-
reichen wie z. B. der Energie- und Wohnraumversorgung. Die Bundesregierung muss
solche Projekte aktiv stärken und ihnen politischen Rückenwind geben. Denn diese
Initiativen realisieren konkrete soziale und ökologische Projekte vor Ort und sind be-
deutende Treiber für ökologische und soziale Fortschritte in Deutschland.

Die unternehmerischen Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement sind darauf an-
gewiesenn sich in passenden Rechtsformen organisieren zu können, damit sie als ju-
ristische Personen am Rechtsverkehr teilnehmen können. Dabei kann der Gesetzgeber
Erleichterungen schaffen, indem er für die Initiativen unangemessenen bürokratischen

Drucksache 18/13019 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Aufwand vermeidet bzw. bestehende Hürden abbaut. Bei ausgeübten wirtschaftlichen
Betätigungen ist in einer Risikoabwägung natürlich darauf zu achten, dass sowohl der
Gläubigerschutz als auch im Innenverhältnis der Schutz der Mitglieder vor eventuellen
finanziellen Risiken sichergestellt ist.

Nachdem im Beratungsverfahren zum Gesetzentwurf der Bundesregierung die Rege-
lungen zum Vereinsrecht gestrichen wurden, enthält der nun abzuschließende Gesetz-
entwurf Veränderungen, die auf den Bürokratieabbau im Bereich der Genossenschaf-
ten abzielen. Es ist zu begrüßen, dass die Pläne zu einer Neustrukturierung des § 22
BGB i. V. m. mit einer Verordnung über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an wirt-
schaftliche Vereine nach § 22 BGB gestrichen wurden. Diese Regelungen hätten für
viele bestehende Idealvereine zu Rechtsunsicherheiten, zu mehr Bürokratie und zu
neuen Doppelstrukturen zwischen den Registergerichten und Landesverwaltungsbe-
hörden geführt. Sie sind auch insoweit unnötig, da für unternehmerische Initiativen
aus bürgerschaftlichem Engagement, die sich nicht nur als Nebenzweck im Sinne von
§ 21 BGB wirtschaftlich betätigen, vereinfachte Zugänge zur genossenschaftlichen
Rechtsform geschaffen werden sollten.

Die jetzt vorliegende Fassung des abzuschließenden Gesetzentwurfs enthält zwar ei-
nige Regelungen, die zu Vereinfachungen im Genossenschaftsgesetz führen, ent-
täuscht aber insgesamt, weil für kleine Initiativen weiterhin die bürokratischen Hürden
und vor allem Kostengründe die Wahl der Genossenschaftsrechtsform unmöglich ma-
chen.

Trotz stabiler und attraktiver Voraussetzungen ist die Zahl der Genossenschaftsgrün-
dungen seit der Reform des Genossenschaftsgesetzes (GenG) im Jahr 2006 im Bereich
kleinerer Genossenschaften nur moderat angestiegen. Die bürokratischen und zum Teil
kostspieligen Pflichtprüfungen, vor allem für kleine und mittlere Genossenschaften,
hemmen die Gründungsbereitschaft. Zudem fehlt es an ausreichenden staatlichen
Gründungsförderungsmöglichkeiten für Genossenschaften. Sie werden in Wirtschafts-
und Arbeitsförderprogrammen benachteiligt, etwa bei der KfW Bankengruppe und bei
der Bundesagentur für Arbeit.

Weitere Maßnahmen sind denkbar, um das Potenzial an Neugründungen besser zu er-
schließen bei gleichzeitiger Wahrung des Markenkerns und des hohen öffentlichen
Ansehens der Rechtsform Genossenschaft. Eine wichtige Maßnahme liegt in der För-
derung des Bekanntheitsgrades der Rechtsform an Schulen, Universitäten und Einrich-
tungen für Unternehmensgründungen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

1) die Schwellenwerte der kleinen Genossenschaften nach § 53 Absatz 2 GenG, de-
ren Pflichtprüfung nicht den Jahresabschluss beinhalten muss, den Schwellen-
werten nach § 267 Absatz 1 HGB für kleine Kapitalgesellschaften anzugleichen,
um die ungleiche Behandlung zwischen kleinen Genossenschaften und kleinen
Kapitalgesellschaften aufzuheben;

2) sicherzustellen, dass

a) die Benachteiligung von Genossenschaften gegenüber anderen Unterneh-
mensformen, insbesondere Kapitalgesellschaften, bei Wirtschafts- und Ar-
beitsförderprogrammen beseitigt wird, bzw. passende Fördermaßnahmen
geschaffen werden;

b) Existenzgründungsprogramme für Genossenschaften eingerichtet werden,
um die Kosten einer Gründungsprüfung ganz oder teilweise aufzufangen.
Dies gilt insbesondere für Genossenschaften, die ökologische und soziale
Zwecke verfolgen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13019

3) in § 6 GenG sicherzustellen, dass bei der Einladung zur Generalversammlung die
individuelle Benachrichtigung der Mitglieder der Genossenschaft gewährleistet
bleibt. Dies kann auch über eine elektronische E-Mailzusendung geschehen.

Berlin, den 20. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Um eine Benachteiligung gegenüber Kapitalgesellschaften zu verhindern, sollten die Schwellenwerte der kleinen
Genossenschaften, die von der Verpflichtung zur Prüfung ihres Jahresabschlusses befreit sind, den Schwellen-
werten für Kapitalgesellschaften nach dem HGB angepasst werden. Bisher sind von der Befreiungsregelung nach
§ 53 Absatz 2 GenG nur kleine Genossenschaften erfasst, deren Bilanzsumme nicht 1 Mio. Euro und deren Um-
satzerlöse nicht 2 Mio. Euro übersteigen. Der vorliegende Gesetzgebungsentwurf sieht lediglich eine marginale
Anhebung der Schwellenwerte auf 1,5 Mio. Euro Bilanzsumme und 3 Mio. Euro Umsatzerlöse vor. Der Schwel-
lenwert für kleine Kapitalgesellschaften, für die Erleichterungen vorgesehen sind, liegt nach § 267 Absatz 1 HGB
dagegen bei 6 Mio. Euro Bilanzsumme und 12 Mio. Euro Umsatzerlösen. Durch die Befreiung von der Jahres-
abschlussprüfung sinken die Prüfkosten im Rahmen der Pflichtprüfung für kleine Genossenschaften. Nach der
Evaluierung des BMJ aus dem Jahr 2009, hat sich die Regelung über die Befreiung kleiner Genossenschaften
von der Verpflichtung zur Jahresabschlussprüfung bewährt. Für die genossenschaftliche Prüfung ohne Einbezie-
hung der Jahresabschlussprüfung wurden von den Verbänden eigene Prüfungsstandards entwickelt, die stärker
auf die Belange der Genossenschaften zugeschnitten sind und den Genossenschaften größeren Nutzen bringen,
ohne dass dadurch die Qualität der Prüfung verschlechtert würde. Bereits bei den Beratungen zur Reform des
Genossenschaftsrechts im Jahr 2006 war der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der Ansicht, dass lang-
fristig die für Kapitalgesellschaften geltenden Schwellenwerte des § 267 Absatz 1 HGB auch für die Genossen-
schaften gelten sollten (Bundestagsdrucksache 16/1524). Damals lag das Verhältnis zwischen den unterschied-
lich geltenden Schwellenwerten bei 1:4. Sollte es bei den marginalen Anpassungen des vorliegenden Gesetzent-
wurfs bleiben, dann betoniert man das schon damals geltende Verhältnis von 1:4 und kommt nicht zu der erfor-
derlichen Angleichung, wie es der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vor nun mehr elf Jahren für
notwendig erachtet hat. Es bleibt den Genossenschaften unbenommen, freiwillig eine Jahresabschlussprüfung
durchzuführen.

Zu Nummer 2

Die staatliche Gründungsförderung für Genossenschaften ist im Vergleich zu anderen Rechtsformen derzeit völ-
lig unzureichend. Fördermittel (zum Beispiel Gründercoaching, Gründungszuschuss, Gründerkredite) werden in
der Regel vergeben, um einzelne Unternehmer zu unterstützen. Das können Einzelunternehmer sein, persönlich
haftende Gesellschafter von Personengesellschaften oder Geschäftsführer einer GmbH. Für Genossenschaften ist
diese Förderung in der Regel uninteressant, da die Vorstandsmitglieder nicht selbst mit erheblichem Kapital an
der Finanzierung des Unternehmens beteiligt sind. Andere Länder, wie beispielsweise Schweden, betreiben öf-
fentlich finanzierte Gründungsagenturen für neue Genossenschaften. Auch Deutschland wäre gut beraten, eine
gerechte Förderstruktur für Genossenschaften zu schaffen. Vorbilder können die Förderprogramme der KfW
Bankengruppe zu Energieeffizienz und Umweltschutz im Unternehmen, erneuerbaren Energien oder zur kom-
munalen und sozialen Infrastruktur sein. Die Förderprogramme sollten so eingerichtet werden, dass damit die
Kosten der Gründungsprüfung aufgefangen werden, sofern entsprechende soziale und/oder ökologische Bedin-
gungen erfüllt werden.

Drucksache 18/13019 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Nummer 3

Aus dem Novellierungsvorschlag zu § 6 GenG kann herausgelesen werden, dass die Einladung und die Tages-
ordnung zu einer Generalversammlung ausschließlich über die Website einer Genossenschaft erfolgen kann. Dies
würde die Transparenz bzw. die Informationssicherheit der Mitglieder über die wichtigste Veranstaltung ihrer
Genossenschaft erheblich reduzieren. Die Teilnahme der Mitglieder an der Generalversammlung stellt die ein-
zige gesetzlich gesicherte Möglichkeit der Mitglieder dar, ihr Mitwirkungsrecht und damit das Demokratieprin-
zip – ein Mensch eine Stimme – auszuüben, das die Genossenschaft gegenüber anderen wirtschaftlichen Rechts-
formen auszeichnet. Diese Möglichkeit erheblich zu reduzieren, indem die Bringschuld der Genossenschaft in
eine Holschuld des Mitglieds umgewandelt wird, würde den Kern der Genossenschaftsidee in der eingetragenen
Genossenschaft aushöhlen. Dies ist abzulehnen. Eine Klarstellung der ausdrücklichen Zulassung einer Einladung
in Textform, auch per E-Mail, entspricht den gegenwärtigen Gepflogenheiten vieler Genossenschaften und steht
als unkomplizierter Einladungsweg zur Verfügung, der keiner weiteren „Entbürokratisierung“ bedarf.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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