BT-Drucksache 18/12826

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/7616 - Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz - BPolBeauftrG) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/7617 - Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern - Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz - BPolBeauftrG)

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12826

18. Wahlperiode 21.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg,

Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/7616 –

Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte
oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes
(Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/7617 –

Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergänzung zum Entwurf
eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den
unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes
(Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG)

A. Problem

Zu Buchstabe a

Die Polizei steht für das staatliche Gewaltmonopol, den Schutz der Grundrechte
und die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit wie keine andere staatliche Stelle.
Ihr kommt in vielerlei Hinsicht besondere Verantwortung und Vorbildfunktion
zu.

Auf Bundesebene haben die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und der Zoll
im Inland und an den Grenzen in unterschiedlicher Art und Weise die Aufgabe,

Drucksache 18/12826 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Straftaten zu verhüten bzw. zu verfolgen und Gefahren abzuwehren. Ferner un-
terstützt die Bundespolizei die Länderpolizeien auf Anforderung, insbesondere
bei Demonstrationen und Großveranstaltungen. Die Beschäftigten sind einerseits
für Bürgerinnen und Bürger wichtige Ansprechpartner bei Problemen und Kon-
flikten verschiedenster Art. Andererseits sind sie mit weitgehenden Eingriffsbe-
fugnissen ausgestattet. Gerade in angespannten Situationen kann es dazu kom-
men, dass im Bürgerkontakt gesetzliche Grenzen überschritten, unverhältnismä-
ßige Gewalt ausgeübt, Menschenrechte verletzt oder einzelne Bürgerinnen und
Bürger – häufig im öffentlichen Raum – diskriminiert oder unangemessen behan-
delt werden. Daher ist es wenig überraschend, dass sich polizeiliche Großeinsätze,
wie beispielsweise die Grenzsicherung, auch in der Zahl eingegangener Be-
schwerden niederschlagen. Konkret wurden dabei bis November 2015 für das
Jahr 2015 182 Beschwerden im grenzpolizeilichen Aufgabenbereich gezählt. Mit
solchem Fehlverhalten müssen zudem beistehende Kolleginnen bzw. Kollegen
umgehen, was angesichts des kollektiven Zusammenhaltes verschiedene Prob-
leme aufwirft. Nicht zuletzt berichten aber auch Beschäftigte über unangemesse-
nes Verhalten von Vorgesetzten und Kolleginnen bzw. Kollegen und von internen
wie externen Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen.

Eine permanente Selbstkontrolle und die Aufarbeitung von Fehlern bzw. rechts-
widrigem Verhalten, aber auch strukturelle Mängel sind angesichts der besonde-
ren Bedeutung der Polizei im rechtsstaatlichen Gefüge und im Sinne einer profes-
sionell und effektiv agierenden Polizei elementar.

Derzeit kann jedoch ein Fehlverhalten von Beschäftigten lediglich im Rahmen
einer Fach- bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde oder einer Strafanzeige geltend ge-
macht werden. Die Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerde dienen aber lediglich
der Selbstkontrolle der Verwaltung, stellen also kein unabhängiges Verfahren dar.
Zudem verhindern die hierarchische Organisation und das beamtenrechtliche Be-
förderungssystem oftmals eine Aufklärung zugunsten des „beruflichen Friedens“.

Im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung von polizeilichem Fehlverhalten
werden Ermittlungsverfahren überdurchschnittlich häufig eingestellt, was auch
mit der institutionellen Nähe in Verbindung gebracht werden kann. Ein solcher
Interessenkonflikt betrifft auch bei den Staatsanwaltschaften eingerichtete Spezi-
alabteilungen oder für Ermittlungen gegen Polizeibeamte zuständige besondere
Dienststellen.

Gleichzeitig gibt es gegenwärtig neben der Durchführung eines Ermittlungsver-
fahrens keine Möglichkeit, entsprechende Sachverhalte zu klären und gegebenen-
falls auch unterhalb der Schwelle einer Strafbarkeit einer für alle Beteiligten inte-
ressengerechten Lösung zuzuführen.

Diese Gesamtproblematik ist weitgehend bekannt. Infolge der öffentlichen Dis-
kussion hierüber haben bereits einige Bundesländer besondere Stellen eingerich-
tet, an die sich Opfer oder Zeugen von Fehlverhalten wenden können, teils auch
Beschäftigte, so im Falle des Beauftragten für die Landespolizei Rheinland-Pfalz.
Auf Bundesebene besteht bislang keine solche Stelle. Und das, obschon ein ef-
fektives Beschwerdesystem in Deutschland seit Jahrzehnten von internationalen
Organisationen wie den Vereinten Nationen, dem UN-Menschenrechtsausschuss
und dem Europarat, der Europäische Kommission gegen Rassismus und Intole-
ranz (ECRI) entsprechend der menschenrechtlichen Verpflichtung gefordert wird.

Nicht zuletzt haben die Untersuchungen der Ermittlungen im Zusammenhang mit
den NSU-Morden Missstände und Fehler, die im Umgang mit Opfern und Ange-
hörigen sowie durch einseitige Ermittlungen entstehen können, verdeutlicht.
Dementsprechend wurde eine unabhängige Beschwerdestelle in den Sondervoten
von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. zum Abschlussbericht

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12826

des NSU-Untersuchungsausschusses (Bundestagsdrucksache 17/14600) gefor-
dert.

Zu Buchstabe b

Vor dem Hintergrund des Entwurfs eines Bundespolizeibeauftragtengesetzes und
der für die Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens im Sinne des § 1 Absatz 1
Satz 1 Nr. 2 BPolBeauftrG-E enorm wichtigen Aussagen der polizeilichen Kolle-
ginnen und Kollegen wird die Bundesregierung weitergehend aufgefordert, die-
sen Beamtinnen und Beamten die Mitwirkung zu erleichtern. Bei Aussageverwei-
gerungen nach § 55 StPO müssten unverzüglich Einstellungsmöglichkeiten eines
Ermittlungsverfahrens wegen Strafvereitelung gemäß den §§ 153 ff. StPO geprüft
und Aussagen trotz entsprechender Ermittlungen ermöglicht werden. Im Interesse
der Rechtssicherheit solle außerdem erst bei einer zurechenbaren Verzögerung
des Hauptverfahrens von mindestens drei Wochen der staatliche Strafanspruch
wegen Strafvereitelung entstehen. Die Antragsteller fordern die Bundesregierung
auf, diese Maßnahmen durch eine Anpassung der Richtlinien für das Straf- und
Bußgeldverfahren (RiStBV) oder eine Novellierung der §§ 258a StGB, 153 ff.
StPO umzusetzen.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/7616 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/7617 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Vorlagen.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für die Arbeit der oder des Bundespolizeibeauftragten ist eine Ausstattung mit
Personal- und Sachmitteln erforderlich. Diese beläuft sich auf voraussichtlich
1,85 Mio. Euro jährlich.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein neuer Erfüllungsaufwand.

Drucksache 18/12826 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein neuer Erfüllungsaufwand. Bürokratiekosten aus
Informationspflichten entstehen nicht. Es werden keine Informationspflichten
eingeführt, geändert oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Bei den Behörden im Zuständigkeitsbereich der oder des unabhängigen Bundes-
polizeibeauftragten entsteht voraussichtlich nur ein geringer zusätzlicher Erfül-
lungsaufwand, da diese auch bisher Hinweisen und Eingaben zu einem behaupte-
ten Fehler bzw. Fehlverhalten nachgehen. Durch die präventive Wirkung der Tä-
tigkeit der oder des Beauftragten wird dieser Aufwand mittelfristig möglicher-
weise sogar sinken.

Aufgrund der Übertragung von Aufgaben auf die Präsidentin oder den Präsiden-
ten des Bundestages sowie durch die Unterstützung der oder des Bundespolizei-
beauftragten durch die Bundestagsverwaltung wird sich dort voraussichtlich eine
Mehrbelastung ergeben, deren Ausmaß jedoch wesentlich durch die parlamenta-
rische Praxis, insbesondere die Zahl der übertragenen Prüfaufträge, bestimmt sein
wird, sodass eine Quantifizierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mög-
lich ist.

Für die Bundes- und Landesverwaltung sowie für andere Körperschaften des öf-
fentlichen Rechts kann ein geringfügiger zusätzlicher Erfüllungsaufwand durch
Amtshilfe entstehen, insbesondere durch die Beantwortung von Anfragen im Rah-
men von Erhebungen der oder des Bundespolizeibeauftragten.

F. Weitere Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12826

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/7616 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 18/7617 abzulehnen.

Berlin, den 21. Juni 2017

Der Innenausschuss

Ansgar Heveling
Vorsitzender

Günter Baumann
Berichterstatter

Wolfgang Gunkel
Berichterstatter

Frank Tempel
Berichterstatter

Irene Mihalic
Berichterstatterin

Drucksache 18/12826 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Günter Baumann, Wolfgang Gunkel, Frank Tempel und
Irene Mihalic

I. Überweisung

Die Vorlagen auf den Drucksachen 18/7616 und 18/7617 wurden in der 177. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 10. Juni 2016 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 155. Sitzung am 21. Juni 2017 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung der Vorlagen empfohlen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 112. Sitzung am 29. März 2017 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche
Anhörung zu der Vorlage auf Drucksache 18/7616 durchzuführen und in seiner 116. Sitzung am 26. April 2017
beschlossen, diese Anhörung um die Vorlage auf Drucksache 18/7617 zu erweitern. Gegenstand der Anhörung
war auch der beim Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung federführend anhängige Antrag
auf BT-Drucksache 18/7618.

Die öffentliche Anhörung hat der Innenausschuss in seiner 118. Sitzung am 29. Mai 2017 durchgeführt. Hinsicht-
lich des Ergebnisses der Anhörung, an der sich sechs Sachverständige beteiligt haben, wird auf das Protokoll der
118. Sitzung des Innenausschusses vom 29. Mai 2017 verwiesen (Protokoll 18/118).

Der Innenausschuss hat die Vorlagen in seiner 121. Sitzung am 21. Juni 2017 abschließend beraten und empfiehlt
die Ablehnung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/7616 und 18/7617 jeweils mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der SPD.

Berlin, den 21. Juni 2017

Günter Baumann
Berichterstatter

Wolfgang Gunkel
Berichterstatter

Frank Tempel
Berichterstatter

Irene Mihalic
Berichterstatterin

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Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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