BT-Drucksache 18/12551

Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen - Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren

Vom 30. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12551
18. Wahlperiode 30.05.2017
Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder,
Caren Lay, Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Susanna
Karawanskij, Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Birgit Menz, Norbert Müller (Potsdam),
Thomas Nord, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen –
Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für die Landwirtschaft ist der Boden die wichtigste Produktionsgrundlage. In Deutsch-
land ist der Bodenerwerb zwar gesetzlich reguliert (Grundstücksverkehrs-, Landpacht-
verkehrs- und Reichssiedlungsgesetz), aber aktuell wird der Zugang zu Grund und Bo-
den maßgeblich über Kauf- bzw. Pachtpreise entschieden, die nicht mehr durch die
landwirtschaftliche Tätigkeit erwirtschaftet werden können.
Durch den gesetzlichen Auftrag zur Privatisierung bundeseigener Flächen und mit dem
Eintritt landwirtschaftsfremder Investoren auf den Bodenmarkt sind die Pacht- und
Kaufpreise exorbitant gestiegen: von 2005 bis 2015 haben sich die Hektarkaufpreise
im bundesweiten Durchschnitt verdoppelt, wobei sie in Brandenburg und Mecklen-
burg-Vorpommern sogar auf mehr als das Vierfache anstiegen. Diese Entwicklung
schließt Landwirtinnen und Landwirte zunehmend vom Bodenerwerb aus. Verschärft
wird die Situation durch den ungebremsten Zugriff von Investoren und (Agrar-)Hol-
dings auf Pacht- und Eigentumsflächen, die über Kapitalanteilskäufe an landwirt-
schaftlichen Unternehmen in Konzernstrukturen integriert werden. Eine starke Boden-
konzentration ist die Folge, die nicht nur das politische Ziel einer breiten Streuung des
Bodeneigentums, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft und des
ländlichen Raums insgesamt gefährdet.
Das aus dem letzten Jahrhundert stammende rechtliche Instrumentarium ist nicht mehr
geeignet, den gesetzlichen Auftrag weiter zu erfüllen, d. h. die Position ortsansässiger
Landwirte auf dem Bodenmarkt zu stärken, agrarstrukturelle Ziele der Länder zu er-
reichen und auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren. Es bedarf deshalb einer
umfassenden Reform des Bodenrechts, mit der die Bodenpreise begrenzt werden, bei-
spielsweise durch Bindung an den landwirtschaftlichen Ertragswert und Einführung
einer wirksamen Preismissbrauchsgrenze. Dem muss zwingend eine Regulierung vo-
rausgehen, die den Erwerb durch landwirtschaftsfremde Investoren ausschließt sowie
den indirekten Landerwerb durch Anteilskäufe von landwirtschaftlichen Unternehmen
unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt.

Drucksache 18/12551 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Es liegt im öffentlichen Interesse, den Verkauf einer landwirtschaftlichen Fläche so zu
regeln, dass ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe ein besonderes Zugriffsrecht und
Vorrang vor den Interessen landwirtschaftsfremder Investoren oder überregionaler
(Agrar-)Konzerne bzw. Agrarholdings erhalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Maßnahmen zur Überwindung der Intransparenz auf dem Bodenmarkt, beim Bo-
denbesitz und beim Bodeneigentum zu ergreifen, so dass in der Agrarstrukturer-
hebung, bei den Buchführungsergebnissen des Testbetriebsnetzes und in der Da-
tenbank der Agrarzahlungen Tochterunternehmen gesondert auszuweisen sind,

2. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um eine statistische Erhebung der Eigentums-
verhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft in anonymisierter Form nach Grö-
ßengruppen mit dem Ziel einzuführen, die Bodenbesitzverhältnisse, Verpächter-
gruppen und die Verteilung der Grundrente offenzulegen,

3. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Privatisierungen von land- und forst-
wirtschaftlichen Flächen aus den Beständen der bundeseigenen Bodenverwer-
tungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) zu stoppen und stattdessen den grund-
sätzlichen Vorrang der Vergabe langfristiger Nutzungsrechte und der Erbpacht
zu regeln,

4. die Einrichtung eines öffentlichen Bodenfonds zu prüfen,
5. im Gesellschaftsrecht die Voraussetzungen für eine Genehmigungspflicht von

Anteilskäufen von landwirtschaftlichen Unternehmen mit Grundbesitz zu schaf-
fen,

6. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um share deals zu unterbinden und die Grenze,
ab der Grunderwerbssteuerpflicht besteht, auf deutlich unter 95 Prozent zu sen-
ken,

7. einen Gesetzentwurf vorzulegen mit dem Ziel, dass bei Ausübung des Vorkaufs-
rechts durch Landgesellschaften und der Weiterveräußerung an landwirtschaftli-
che Betriebe die Grunderwerbsteuer nur einmal erhoben wird.

Berlin, den 30. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12551
Begründung

Mit der Föderalismusreform 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für die Bodenmarktpolitik an die Länder
gegeben. Aufgrund der drastisch gestiegenen Kauf- und Pachtpreise, der Aktivitäten nichtlandwirtschaftlicher
Investoren sowie der Ausbildung von Holdingstrukturen in der Landwirtschaft wurde 2014 die Bund-Länder-
Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“ eingerichtet, die bereits im März 2015 einen umfassenden Katalog mit Hand-
lungsempfehlungen unterbreitet hat. Dazu gehörte u. a. die sofortige Beseitigung der derzeit vorhandenen erheb-
lichen Vollzugsdefizite namentlich beim Grundstücksverkehrsgesetz und Landpachtgesetz, bezogen auf die noch
bestehende bundeseinheitliche Gesetzesgrundlage, die solange gilt, bis sie nicht durch Landesgesetze ersetzt
worden ist. Die Arbeitsgruppe stellte außerdem heraus, dass von einem Genehmigungsvorbehalt bei Anteilskäu-
fen an landwirtschaftlichen Unternehmen („share-deals“) die Gesetzgebungskompetenz des Bundes berührt ist.
Deshalb ist der Bund in der Pflicht hierfür im Gesellschaftsrecht einen bundesweit einheitlichen Rahmen zu schaf-
fen, weil vor allem überregional agierende landwirtschaftsfremde Investoren und Agrarholdings die Bodenpreise
in die Höhe treiben und ihnen gegenüber ein bundesweit einheitliches Handeln geboten ist.
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