BT-Drucksache 18/12473

Einschränkung zivilgesellschaftlicher Rechte in Israel

Vom 19. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12473
18. Wahlperiode 19.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Omid Nouripour, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einschränkung zivilgesellschaftlicher Rechte in Israel

Die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland beruht auf den gemeinsamen
Werten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und auf der historischen Verant-
wortung Deutschlands für die Massenverbrechen an Jüdinnen und Juden in der
Zeit des Nationalsozialismus. Die deutsche Verpflichtung für Israels Existenz und
Sicherheit ist bedingungslos. In einem feindlichen Umfeld, von Terror und An-
griffen bedroht, hat es Israel stets geschafft, eine funktionierende Demokratie zu
bleiben, in der abweichende Meinungen und Minderheitenrechte stets hochgehal-
ten wurden. Bereits die Unabhängigkeitserklärung von 1948 klärt: „Der Staat Is-
rael wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil of-
fenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Be-
wohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden […] gestützt
sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Ge-
schlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens-
und Gewissensfreiheit […] unter seinen Schutz nehmen […].“
Der israelische Rechtsstaat und insbesondere der Oberste Gerichtshof hat immer
wieder Gesetzesinitiativen und Vorstöße der Regierung abwenden können, die
diese Rechte verletzten. Mit Sorge nehmen wir die Klagen vieler zivilgesell-
schaftlicher Organisationen sowie politischer Gruppen und Parteien über Ein-
schränkungen ihrer Arbeitsmöglichkeiten zur Kenntnis. In den letzten Jahren
wurden in der Knesset Initiativen eingebracht, die auf Einschränkung der bürger-
lichen und politischen Rechte abzielen oder zivilgesellschaftliche Akteure in ihrer
Arbeit behindern sollten. In abgeschwächter Form sind solche Gesetze auch von
der Mehrheit der Knessetabgeordneten verabschiedet worden, etwa das Einreise-
gesetz, nach dem ausländischen Bürgern, die zum Boykott gegen Israel oder ge-
gen israelische Siedlungen aufrufen, die Einreise nach Israel untersagt werden
kann. Die Kampagne „Boycott, Divetment and Sanctions“ (BDS) und den Aufruf
zum Boykott Israels lehnen die Fragesteller ab. Ein pauschales Einreiseverbot
aber ist die falsche Reaktion auf BDS.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung das sogenannte NGO-

Gesetz, das am 11. Juli 2016 im israelischen Parlament verabschiedet wurde,
auf die Arbeit der betroffenen israelischen Nichtregierungsorganisationen
ausgewirkt?

Drucksache 18/12473 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie trägt die Bundesregierung in ihren bilateralen Beziehungen zu Israel
dem Umstand Rechnung, dass Organisationen für Bürgerbeteiligung wie
CIVICUS, die den öffentlichen Raum für Zivilgesellschaft weltweit be-
obachten, davon ausgehen, dass dieser in Israel derzeit als blockiert („ob-
structed“) einzustufen ist (Stufe 3 von 5)?

3. Welche Auswirkungen erwartet sie vor diesem Hintergrund von einem wei-
teren, am 20. März 2017 verabschiedeten NGO-Gesetz, das die Arbeit von
Nichtregierungsorganisationen in Zeiten des Wahlkampfs reglementiert?

4. Inwiefern verfügt die Bundesregierung über Informationen darüber, wie das
neue Einreisegesetz („Entry to Israel Law (Amendment 27) 5777-2017“) in
der Praxis umgesetzt werden soll, ob etwa Reisende nach ihren politischen
Positionen etwa zu Siedlungen oder der Kennzeichnung von dort stammen-
der Waren befragt werden sollen, und wer gegebenenfalls diese Befragungen
durchführen wird?

5. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass
Organisationen verschiedener politischer Ausrichtungen, die sich grundsätz-
lich mit dem Staat Israel solidarisch erklären, wie Americans for Peace Now,
J-Street, das American Jewish Committee und die Anti-Defamation League,
sich kritisch zu den neuen Einreiseregelungen geäußert haben?

6. Inwiefern fallen nach Einschätzung der Bundesregierung auch die Warnhin-
weise zu Geschäften mit Firmen aus den besetzten Gebieten auf der Seite des
Auswärtigen Amts selbst (www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/
Laender/Laenderinfos/Israel/Wirtschaft_node.html) unter die Kriterien für
ein Einreiseverbot nach dem neuen Einreisegesetz, und inwiefern befürchtet
die Bundesregierung für ihr Personal bzw. das deutscher Entwicklungsorga-
nisationen sowie von EU-Partnern, Konsequenzen bei der Einreise in das
Land?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu den Bemühungen des
israelischen Erziehungsministeriums vor, Organisationen wie „B’Tselem“
und „Breaking The Silence“ den Zugang zu israelischen Schulen zu verwei-
gern („Israeli Ministers Back Bill Seeking to Bar Anti-occupation Group
From Schools“, in: HAARETZ vom 9. Januar 2017)?

8. Welche Organisationen dürfen nach Kenntnis der Bundesregierung an Schu-
len auftreten?

9. Welche Auswirkungen hat das Nakba-Gesetz nach Einschätzung der Bun-
desregierung auf die Verständigung der verschiedenen Bevölkerungsgrup-
pen in Israel?

10. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung von dem israelischen
Gesetzentwurf, der die Nutzung von Lautsprechern in religiösen Gebäuden
nachts verbietet, für das Zusammenleben der Religionen in Israel, vor allem
in Jerusalem?
a) Gilt nach Einschätzung der Bundesregierung dieser Gesetzentwurf für

alle religiösen Gebäude gleichermaßen?
b) Wie ist die Rechtslage dazu in Deutschland?

11. Inwiefern hat die israelische Regierung die Bundesregierung bzw. ihre Ver-
treterinnen und Vertreter, ähnlich wie zuvor die britische Premierministerin
Theresa May (vgl. www.haaretz.com/opinion/editorial/1.770937) zu einer
Einstellung der finanziellen Unterstützung von „Breaking The Silence“ oder
anderer israelischer NGOs aufgefordert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12473

12. a) Inwiefern haben sich Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung

bei Besuchen in Israel während der 18. Wahlperiode des Deutschen Bun-
destages mit kritischen Nichtregierungsorganisationen wie „B’Tselem“
und „Breaking The Silence“ getroffen, und inwiefern wurden sie dafür,
wie dies beim belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel der Fall war
(www.timesofisrael.com/israel-to-issue-protest-after-belgian-pm-meets-
left-wing-groups/), von der israelischen Regierung kritisiert?

b) Inwiefern finanziert die Bundesregierung direkt oder über Dritte Organi-
sationen, die die Existenz des Staates Israel kritisieren oder infrage stellen
bzw. Verständnis für terroristische Aktivitäten gegen die israelische Be-
satzung entgegenbringen?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe für die Einrei-
severweigerung von 109 Deutschen nach Israel im Jahr 2016 (Angaben isra-
elischer Behörden, vgl. www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.771826)?
Wurde die Bundesregierung von Betroffenen aufgefordert, sich gegenüber
den israelischen Behörden für eine Einreiserlaubnis einzusetzen, und wenn
ja, welche Schritte unternahm sie, und hatten diese Erfolg?

14. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass ein Zusatz zu
dem sogenannten Basic Law, das sich mit der Ausschlussmöglichkeit von
Kandidaten und Kandidatinnen oder ganzer Parteien von der Parlamentswahl
befasst, die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass vor allem israelisch-palästinen-
sische Kandidaten und Kandidatinnen oder ganze Parteien von der Wahl zum
Parlament ausgeschlossen werden könnten (www.haaretz.com/opinion/
editorial/1.777594)?

15. Inwiefern sieht die Bundesregierung in den Invektiven von Teilen der israe-
lischen Regierung gegen zahlreiche Medien sowie der Rolle der meistgele-
senen Tageszeitung, der kostenlosen „Israel Hayom“ eine Beeinträchtigung
der freien Presseberichterstattung in Israel (www.jpost.com/Israel-News/
Politics-And-Diplomacy/For-Netanyahu-and-Trump-attacking-the-media-is-
all-part-of-a-game-481830)?

16. Wie schätzt die Bundesregierung das am 19. Juli 2016 vom israelischen Par-
lament verabschiedete Suspension-Law ein, besonders hinsichtlich der Aus-
wirkungen auf die arabischen politischen Parteien in Israel, und wie hat sie
darauf reagiert (www.timesofisrael.com/knesset-approves-bill-to-remove-
lawmakers-from-office/)?

17. Welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung für die Medienplu-
ralität in Israel durch die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl.
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28131)?

18. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Folgen des im Jahr
2015 erlassenen Verbots des nördlichen Zweigs des „Islamic Movement“ für
die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und ihre Mitglieder,
die Teil der Organisation waren, und teilt sie die Einschätzung israelischer
Sicherheitsdienste, dass die Organisation keine Beziehung zu Terrorismus
oder illegalen Aktivitäten habe (vgl. http://carnegieendowment.org/sada/
63006)?

19. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Anklage gegen Moham-
med El Halabi, dem Veruntreuung von Mitteln der Hilfsorganisation World
Vision zugunsten der Hamas vorgeworfen wird?

Drucksache 18/12473 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Einreise-

verweigerungen in den Gazastreifen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
von Hilfsorganisationen entwickelt, welche Organisationen waren davon
aus welchem Grund betroffen, und wie hat sich ebenso die Anzahl der Aus-
reiseverweigerungen aus dem Gazastreifen vor allem für Händlerinnen und
Händler, sowie Unternehmerinnen und Unternehmer entwickelt (vgl. http://
foreignpolicy.com/2016/09/20/israel-declares-war-on-gazas-ngos-palestine-
hamas/?utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=flash
%20points%209-20&utm_term=Flashpoints)?

21. Inwiefern hat diese Politik nach Kenntnis der Bundesregierung im vergange-
nen Jahr auch Deutsche bzw. Vertreterinnen und Vertreter deutscher NGOs
betroffen?

Berlin, den 19. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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