BT-Drucksache 18/10530

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/9518, 18/9959, 18/10102 Nr. 19 - Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz - PSG III)

Vom 30. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10530
18. Wahlperiode 30.11.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Maria
Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Kai Gehring, Ulle Schauws, Tabea Rößner, Doris Wagner, Beate Walter-
Rosenheimer, Kerstin Andreae, Ekin Deligöz, Britta Haßelmann,
Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Brigitte
Pothmer, Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9518, 18/9959, 18/10102 Nr. 19, 18/10510 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung
und zur Änderung weiterer Vorschriften
(Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) der Regierungskoalition von
CDU/CSU und SPD sollen zum einen die Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeits-
gruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege aus dem Jahr 2015 umge-
setzt werden. Zum anderen wird der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff nach dem PSG II
im Recht auf Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) einge-
führt. Des Weiteren wird das Verhältnis zwischen den Leistungen der Pflegeversiche-
rung, der Hilfe zur Pflege sowie der Eingliederungshilfe parallel zum in Beratungspro-
zess befindlichen Bundesteilhabegesetz (BTHG, BT-Drs. 18/9522) neu geordnet.
Diese Maßnahmen werden mit dem PSG III unbefriedigend umgesetzt. Bei der Stär-
kung der Kommunen geht die Bundesregierung allenfalls symbolische Schritte. Die
Ausgestaltung der geplanten befristeten Modellvorhaben zur kommunalen Beratung
ist unzureichend. Die Begrenzung der Modellkommunen auf maximal 60 ist zu wenig
für ein aussagekräftiges Ergebnis. Durch die reine Konzentration der Modelle auf die
Aufgabe der Beratung bleiben den teilnehmenden Kommunen zudem Möglichkeiten
der Erprobung von Case und Care Management-Strukturen sowie der Planung und
Gestaltung der pflegerischen Versorgung und Altenhilfe vor Ort verwehrt. Entspre-
chend werden von den Modellen keine weitreichenden Impulse etwa zur Entwicklung

Drucksache 18/10530 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
moderner Quartierskonzepte ausgehen. Weitergehende Vorschläge der Bundestags-
fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Antrag „Pflege vor Ort gestalten“
(BT-Drs. 18/9668) wurden nicht aufgenommen. Das Pflegestärkungsgesetz stärkt
demnach die Rolle der Kommunen in der Pflege keinesfalls.
An den Schnittstellen zwischen Sozialer Pflegeversicherung, Hilfe zur Pflege und der
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen wird man die nun vorgesehenen
Regelungen in der praktischen Auswirkung sehr genau beobachten und auswerten
müssen. Es muss in jedem Falle vermieden werden, dass die verschiedenen Kostenträ-
ger auf dem Rücken der Betroffenen darüber in Konflikt geraten, wer für die Leistun-
gen zuständig ist. Mit der Neuregelung muss sichergestellt sein, dass behinderte Men-
schen, die zugleich pflegebedürftig sind, abgestimmt aus einer Hand die Leistungen
erhalten, die sie benötigen und dabei sowohl Zugang zu Leistungen aus der Pflegever-
sicherung als auch zu Leistungen der Eingliederungshilfe haben, die in diesen Fällen
die Leistungen der Hilfe zur Pflege umfasst.
Für pflegebedürftige Menschen in vollstationären Behinderteneinrichtungen bleibt es
bei der extrem fragwürdigen, seit Mitte der 1990er Jahre praktizierten Deckelung der
Leistungen der Pflegeversicherung auf max. 266 Euro pro Monat. Der fatale Anreiz,
Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf in stationäre Pflegeeinrichtungen „abzu-
schieben“, bleibt damit bestehen. Dies widerspricht dem allseits akzeptierten Leitge-
danken der Inklusion von Menschen mit Behinderungen und der UN-Behinderten-
rechtskonvention.
Dass die Bundesregierung Maßnahmen gegen Abrechnungsbetrug in der (vor allem
häuslichen) Pflege ergreift, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings versäumt es die
Bundesregierung, die Träger der Sozialhilfe angemessen in die Zusammenarbeit ein-
zubeziehen.
Das PSG III berührt zudem die Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden, Physiothe-
rapeuten und Ergotherapeuten. Die Bundesregierung verlängert hier die 2009 einge-
führten Modellklauseln zur Erprobung akademischer Erstausbildungen um weitere
vier Jahre bis 2022. Die erfolgreich erprobte Akademisierung wird damit nicht regel-
haft eingeführt, sondern erneut aufgeschoben. Es bleibt unsicher, ob, wann und wie
eine Umsetzung erfolgt.
Bilanzierend muss das PSG III in einer Reihe mehrerer pflegepolitischer Maßnahmen
betrachtet werden, die die Regierungskoalition im bisherigen Verlauf der 18. Wahlpe-
riode vorgenommen hat. Hier sind vor allem die vorhergehenden Pflegestärkungsge-
setze I und II zu nennen (BT-Drs. 18/1798, 18/5926). Trotz dieser durchaus umfängli-
chen Gesetze weisen viele der Maßnahmen in die falsche Richtung und zahlreiche
zentrale Probleme bleiben ungelöst.
So haben CDU/CSU und SPD weiterhin kein Konzept für eine dauerhaft tragfähige
Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung. Trotz der Anhebung des Beitragssatzes
um insgesamt 0,5 Prozent, das entspricht rd. 6 Mrd. Euro, ist die Finanzierung nur bis
maximal 2022 gesichert. Trotz der steigenden Beitragsbelastung bleibt es bei der un-
solidarischen Zweiteilung in soziale und private Pflegeversicherung. So können sich
auch weiterhin die wirtschaftlich leistungsstärksten und im Durchschnitt auch jünge-
ren und gesündesten Bevölkerungsgruppen dem Solidarausgleich entziehen. Zudem
bleibt der mit dem PSG I eingeführte sog. „Pflegevorsorgefonds“ bestehen. Dieser hat
nach einschlägiger Meinung von Expertinnen und Experten keinerlei nachhaltige Fi-
nanzierungswirkung. In den Fonds fließen jährlich ca. 1,2 Milliarden Euro an Beitrags-
mitteln, die für andere, dringende Aufgaben fehlen.
Verschoben wurde auch eine Lösung des dramatischen Problems des Personalmangels
in der Pflege. Zwar wurde mit dem PSG II beschlossen, dass bis Mitte des Jahres 2020
ein Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtun-
gen entwickelt und erprobt werden soll. Dies dauert jedoch zum einen sehr lange, zum

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10530
anderen ist keine verbindliche Einführung des Verfahrens vorgesehen. Die Weiterent-
wicklung der Ausbildung in den Pflegeberufen steht weiterhin aus.
Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und am Menschen orientierten Pflege
hat die Bundesregierung trotz der drei Maßnahmenpakete nicht erreicht.

II. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung
auf,

A. Änderungen zum Dritten Pflegestärkungsgesetz vorzulegen, mit denen
1. die Rolle der Kommunen in der Pflege wirksam gestärkt wird, durch

• die Verankerung eines Initiativrechts für Kommunen zur Initiierung von
Pflegestützpunkten und durch die Schaffung der Möglichkeit, statt Pflege-
stützpunkten in den Kommunen, neutrale Beratungs- und Vernetzungsstruk-
turen vor Ort für Pflege und Teilhabe zu schaffen;

• die Stärkung der Steuerungs- und Planungskompetenz der Kommunen für die
regionale Pflegestruktur;

• die Sicherstellung der Beteiligung von Betroffenengruppen und Verbänden
an neuen Gremien;

• die Verankerung eines gesetzlichen Anspruchs auf ein unabhängiges, indivi-
duelles Case Management und durch die Schaffung der Möglichkeit, Pflege-
sachleistungen auf Wunsch als persönliches Budget in Anspruch zu nehmen;

• die Schaffung eines Förderfonds unter Beteiligung der Pflegeversicherung,
mit dem kommunale Maßnahmen der Pflegestrukturplanung inklusive Bür-
gerbeteiligung gefördert werden;

• die Erprobung „Regionaler Budgets“, bei denen die Mittel der verschiedenen
Leistungsträger für die Schaffung der Versorgungssicherheit im Quartier
durch die Kommune genutzt werden;

• das Setzen von Anreizen für die Länder, Beratung für Kommunen, die eine
aktive Rolle in der bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung übernehmen
wollen, anzubieten;

2. der Kostenvorbehalt bei Leistungen der Eingliederungshilfe wie auch bei der
„Hilfe zur Pflege“ (§ 13 SGB XII) aufgehoben wird;

3. die in § 43a SGB XI manifestierte Ungleichbehandlung von behinderten Men-
schen mit Pflegebedarf, die in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe
leben, beendet wird und diese Personen mindestens die Leistungen der Pflegever-
sicherung nach § 36 erhalten (Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege);

4. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII auch nicht-pflegeversicherten Menschen
SGB XII zuteilwird, auch im Pflegegrad 1 bedarfsdeckend ausgestaltet wird und
auch Personen unterhalb des Pflegegrades 1 mit Pflegebedarf gewährt wird;

5. sichergestellt wird, dass der Leistungskatalog der Hilfe zur Pflege auch weiterhin
umfassende und ganzheitliche Pflege- und Assistenz-Arrangements ermöglicht;

6. die vorgesehenen Maßnahmen gegen den Abrechnungsbetrug in der Pflege er-
gänzt werden um verbindliche Vorgaben zur Kooperation der gesetzlichen Pfle-
gekassen bzw. des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen mit den jeweiligen
örtlichen Sozialhilfeträgern;

7. bezüglich der Modellvorhaben im Ergotherapeutengesetz, im Hebammengesetz,
im Gesetz über den Beruf des Logopäden und im Masseur- und Physiotherapeu-
tengesetz zur Erprobung akademischer Erstausbildungen klare Ziele und Per-
spektiven für die Weiterentwicklung der entsprechenden Berufe nach Abschluss
der Vorhaben formuliert werden;

Drucksache 18/10530 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
B. umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem
1. zügig umfassende Maßnahmen gegen den Personalmangel in der Pflege ergriffen

werden, u. a. durch die rasche Entwicklung, Erprobung und verbindliche Einfüh-
rung eines bundeseinheitlichen Personalbemessungsinstruments, durch die Ent-
wicklung einer integrativ gestuften Pflegeausbildung sowie durch ein durchlässi-
geres Aus-, Fort- und Weiterbildungssystem;

2. eine Pflege-Bürgerversicherung eingeführt wird und die Leistungen der Pflege-
Bürgerversicherung regelmäßig zu zwei Dritteln an die Lohn- und zu einem Drit-
tel an die Inflationsentwicklung angepasst werden;

3. der Pflegevorsorgefonds nach den §§ 131 ff. SGB XI ersatzlos gestrichen wird
und die dafür vorgesehenen Beitragssatzmittel zur Finanzierung aktuell notwen-
diger Leistungen verwendet werden.

Berlin, den 30. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

II.A. PSG III
Zu 1: Kommunen
Im Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege, das
dem Dritten Pflegestärkungsgesetz vorausgeht, heißt es, dass „den Kommunen im Bereich der Pflege nur be-
grenzte Gestaltungsmöglichkeiten in Planung, Beratung und Steuerung zur Verfügung [stünden]. Sie [seien] je-
doch aufgrund ihrer Kenntnisse und aufgrund ihrer originären Zuständigkeiten gut geeignet, in diesem wichtigen
Feld der Versorgung ihrer Bevölkerung eine stärkere Rolle zu übernehmen“. Im nächsten Absatz wird genauer
definiert, was zu einer bedarfsgerechten Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen gehört, nämlich
„eine neutrale, effiziente und wohnortnahe Beratung, die die erforderlichen Informationen vermittelt und durch
ein gutes Fallmanagement zur Verhinderung, Minderung und Bewältigung von Pflegebedürftigkeit beiträgt, ein
breites Spektrum an Wohnformen, um Wahlfreiheit bezüglich des altersgerechten Wohnens zu sichern und dem
Wunsch nach größtmöglicher Selbständigkeit Rechnung zu tragen, eine leistungsfähige, ortsnahe und aufeinan-
der abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung der Bevölkerung sowie die Gestaltung des
Sozialraums/der Lebenswelt, in dem/der Familie, bürgerschaftliches Engagement und Nachbarschaftshilfe von
Fachkräften sinnvoll ergänzt werden“.
Diesen Anregungen werden die Maßnahmen des Dritten Pflegestärkungsgesetzes nicht annähernd gerecht. Im
Mittelpunkt der „Stärkung der Rolle der Kommunen“ steht die Einführung einer Neuregelung in den §§ 123 und
124 SGB XI, mit denen befristete Modellvorhaben zur kommunalen Beratung von Pflegebedürftigen und ihren
Angehörigen aufgelegt werden. Deren Ausgestaltung ist jedoch inhaltlich sehr kurzgreifend. Die Begrenzung der
Modellkommunen auf maximal 60 ist zu wenig für ein aussagekräftiges Ergebnis. Durch die reine Konzentration
der Modelle auf die Aufgabe der Beratung bleiben den teilnehmenden Kommunen zudem Möglichkeiten der
Erprobung von Case und Care Management-Strukturen sowie der Planung und Gestaltung der pflegerischen Ver-
sorgung und Altenhilfe vor Ort verwehrt. Entsprechend werden von den Modellen keine weitreichenden Impulse
etwa zur Entwicklung moderner Quartierskonzepte ausgehen. Weitere Regelungen zu den Modellvorhaben sind
schlicht unverständlich und lassen vermuten, dass ihr Scheitern beabsichtigt ist, so etwa die Vorgabe, dass die
Hälfte der Modellkommunen über keine mehrjährigen Erfahrungen in der Beratungstätigkeit verfügen dürfen.
Dieser Anteil ist extrem hoch. Damit besteht die Gefahr, dass bei der späteren Evaluation der Modelle allein der

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vermeintliche Beleg erbracht wird, dass die Modelle gescheitert sind, die Stärkung der Kommunen also insgesamt
nicht sinnvoll sei. Hinzu kommen als weitere Probleme, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowohl
mit der Erstellung der Empfehlungen über die Voraussetzungen, Ziele, Inhalte und Durchführung wie auch mit
der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Modellvorhaben beauftragt wird. Insbesondere die Be-
gleitung und Auswertung muss zwingend unabhängig von wissenschaftlicher Seite erfolgen, sinnvolle Zielvor-
gaben könnten auch im Gesetz an sich vorgenommen werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass insbesondere
der Spitzenverband Bund sich im Gesetzgebungsverfahren dezidiert gegen die Modellvorhaben ausgesprochen
hat. Als weiteres Problem kommt die sehr lange Laufzeit der Modelle hinzu. Der endgültige Abschluss aller
Modelle kann sich bis ins Jahr 2026 ziehen, was angesichts des hohen Handlungsdrucks in der Pflege ein sehr
langer Zeitraum ist.
Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in ihrem Antrag „Pflege vor Ort gestalten ‒ Bessere
Bedingungen für eine nutzerorientierte Versorgung schaffen“ (BT-Drs. 18/9668) deutlich weitergehende Vor-
schläge für eine wirkliche Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege unterbreitet. Die Bundesregierung
hat diese nicht aufgenommen.

Zu den Forderungen im Einzelnen:
Für eine gute, individuelle Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen brauchen wir Strukturen, die weit
über Pflegestützpunkte hinausgehen. Auch die Vernetzung von Angeboten wie zum Beispiel mit den Selbsthil-
fegruppen, den Krankenhäusern und Heilmittelerbringern, von ehrenamtlichen Pflegebegleitern, der ambulanten
Dienste, der mobilen Reha oder der Gemeindeschwester etc. soll vor Ort geleistet werden. Es kann auch fachliche
Beratung und Begleitung für Kommunen angeboten werden, die etwas anstoßen wollen, etwa bei der Gründung
von Runden Tischen zur Pflege. Die 60 Modellprojekte zur kommunalen Beratung Pflegebedürftiger und ihrer
Angehöriger würden in dieser Regelung aufgehen.
Ein Gesundheits- und Pflegebeirat, dem Patienten- und Selbsthilfeorganisationen sowie VertreterInnen aus der
Kommunalpolitik angehören könnten, wäre dafür zuständig, lokale Versorgungsprobleme zu ermitteln und
könnte als weiteres Bindeglied zwischen der gesundheitlichen und der pflegerischen Versorgung vor Ort fungie-
ren.
Kommunen sollten die Möglichkeit erhalten, im Zusammenwirken mit städteplanerischen Instrumenten Sozial-
räume so zu entwickeln, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld
verbleiben können. Damit überließe man die Ausgestaltung der pflegerischen Infrastruktur nicht mehr alleine
dem Wettbewerb, sondern übertrüge sie den Kommunen mit. Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde in
Bezug auf die Entwicklung und Steuerung der pflegerischen Infrastruktur der bisherige Vorrang der Freien Wohl-
fahrtspflege zugunsten einer gesetzlich verankerten Gleichstellung von gemeinnützigen und privat-gewerblichen
Trägern von Pflegediensten und Einrichtungen aufgegeben. Zugleich erhielten alle Pflegeeinrichtungen einen
gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Abschluss von Versorgungsverträgen unabhängig vom konkret vor-
liegenden Bedarf. Damit sollte ein geschlossener Markt der zugelassenen Pflegeeinrichtungen verhindert werden,
neue, innovative Leistungsanbietern einen Zugang zum Pflegemarkt erhalten und so der Wettbewerb unter den
Pflegeeinrichtungen gefördert werden. In der Realität führt das jedoch häufig zum Bau von überdimensionierten
Großeinrichtungen, die so von den pflegebedürftigen Menschen nicht gewünscht werden. Entsprechend wäre zu
überlegen, ob die kommunale Planung im SGB XI verankert werden soll. Damit bekämen auch die Länder, die
das bereits in ihren Landespflegegesetzen vorsehen, mehr Rechtssicherheit.
Eine bessere Beteiligung der unmittelbar Betroffenen, also in erster Linie Pflegebedürftiger und ihrer Angehöri-
gen, kann durch die erwähnten Gesundheits- und Pflegebeiräte geschehen. Darüber hinaus sollten jedoch die
Verbände der Vertreter von Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftigen auch mit Stimmrecht im Quali-
tätsausschuss vertreten sein. Auch wenn ein Landespflegeausschuss zur sektorübergreifenden Zusammenarbeit
eingerichtet wurde, oder wenn es regionale Ausschüsse in Landkreisen und kreisfreien Städten gibt, sollten die
Verbände der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sowie die Wohlfahrtsverbände Mitglieder entsenden.
Ein individueller Case Manager und ein persönliches Pflegebudget sind Garanten für eine nutzerorientierte Ver-
sorgung vor Ort. Mit Hilfe des individuellen Case Managers oder der Case Managerin können Pflegebedürftige
sich ihre Leistungen nach ihrem festgestellten Pflegebedarf selbst zusammenstellen. Modellversuche haben er-
wiesen, dass dies zu deutlichen Verbesserungen des Pflegearrangements führt und damit Pflegebedürftige wie
ihre Angehörigen gleichermaßen entlastet werden (vgl. Abschlussbericht zum Pflegebudget 2008,

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https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/forschung/projekte_unterseiten/pfle-
gebudget/1Anlage_PB-Gesamtzusammenfassung_3271.pdf).
Es gibt auch jetzt schon einen Rechtsanspruch auf Pflegeberatung im SGB XI, nach dem „Personen, die Leistun-
gen nach diesem Buch erhalten, […] Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflege-
berater oder eine Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vor-
gesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfsangeboten“ haben (§ 7a SGB XI). Allerdings wird dieser An-
spruch von den Kassen sehr unterschiedlich erfüllt. Darüber hinaus ist nicht gewährleistet, dass der entsprechende
Pflegeberater oder die Pflegeberaterin auch tatsächlich eng in die kommunalen Strukturen eingebunden ist.
Wenn die Kommunen zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, muss es dafür auch eine Gegenfinanzierung
geben. Dabei geht es nicht um eine Vollfinanzierung durch die Pflegeversicherung, sondern darum, die ohnehin
für Beratung und Pflege sowie Leben und Wohnen im Alter vorgesehen Finanzströme, Personal- und Sachmittel,
etwa von den Pflegekassen, dem Programm Soziale Stadt, den Trägern der Hilfe zur Pflege usw. verlässlich zu
machen, damit die Kommunen kontinuierlich ihre Quartiersarbeit leisten können. Eine Möglichkeit bestünde in
diesem Zusammenhang in der von den Antragstellern geforderten Reform des § 43a SGB XI (vgl. Forderung 4).
Die Gewährung von häuslichen Leistungen der Pflegeversicherung für Menschen in vollstationären Einrichtun-
gen der Behindertenhilfe würde zu deutlichen Kostenentlastungen der Kommunen (Träger der Eingliederungs-
hilfe) in Höhe von schätzungsweise 1,6-1,8 Mrd. Euro führen. Diese Mittel sollten gezielt verwendet werden für
eine effektive Stärkung der Rolle der Kommunen, etwa indem diese verpflichtet werden, örtliche Strukturen des
Care Managements aufzubauen und zu koordinieren.
Bei regionalen Budgets erhalten Kommunen die Verantwortung für die Gelder der Pflegekassen. Am Leistungs-
anspruch der Pflegebedürftigen ändert sich nichts. Die Kommunen können die Mittel bspw. für einen stärkeren
Ausbau des ambulanten Bereichs einsetzen und dabei Mittel einsparen, beispielsweise durch die Möglichkeit,
Verträge der integrierten Versorgung mit Leistungsanbietern zu schließen. Überschüssiges Geld muss in die
Pflege zurückfließen, so wird Zweckentfremdung vermieden und es entstehen Anreize zum Aufbau entsprechen-
der Strukturen. Allerdings birgt das regionale Budget auch Risiken, so sind bei hoher stationärer Versorgungs-
quote fiskalische Verluste denkbar. Deshalb soll im Rahmen von Modellprojekten die kommunale Verantwor-
tung für regionale Budgets erprobt und evaluiert werden, um anhand der Ergebnisse verbindliche Regelungen für
regionale Budgetverantwortung der Kommune zu verfassen.
Die meisten Kommunen schöpfen ihr Beteiligungspotential noch nicht aus. Sie sind auch nicht ohne weiteres in
der Lage, eine Vernetzungsstruktur und neue Angebote aufzubauen. Wenn sie jedoch eine Beratung erhielten,
könnten sie die Versorgungssituation vor Ort stark verbessern. In einigen Ländern geschieht das bereits. In Nord-
rhein-Westfalen berät das „Landesbüro altengerechte Quartiere“ Kommunen, aber auch andere Akteure wie Ini-
tiativen, Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen bei der Entwicklung von alternativen Konzepten, inno-
vativen Projekten und nachhaltig demographiefesten Strukturen für altengerechte Quartiere (vgl. Altengerechte
Quartiere NRW, online unter: http://www.aq-nrw.de/landesbuero-altengerechte-quartierenrw/landesbu-
ero.html?&nav_lb=lb).
Weiterhin hat das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen
(MGEPA) das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) mit dem Projekt „Qualifizierungsmaßnahmen für das
Kommunale Quartiers-Management (KoQuMa)“ beauftragt. Im Rahmen dieses Projektes wird interessierten
Kommunen eine umfassende Qualifizierung angeboten, wie sie die altengerechte Quartiersentwicklung besser
anstoßen und begleiten können (vgl. Kuratorium Deutsche Altershilfe, online unter: https://www.kda.de/news-
detail/items/unterstuetzungsangebot-fuer-kommunen-bei-der-altengerechten-quartiersentwicklung.html).
In Rheinland-Pfalz ist die „Servicestelle für kommunale Struktur- und Pflegeplanung“, die durch das Ministerium
für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz (MSAGD) gefördert wird, An-
sprechpartnerin für Kommunen bei allen Fragen zu den Themen Pflege und Wohnen und berät sie bei den erfor-
derlichen Planungsprozessen. Darüber hinaus organisiert sie Fachveranstaltungen und Veranstaltungen zum Aus-
tausch und zur Vernetzung (vgl. Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. , online unter:
https://www.lzg-rlp.de/de/servicestelle-fuer-kommunale-pflegestrukturplanung-und-sozialraumentwick-
lung.html).

Zu 2: Kostenvorbehalt
Der Kostenvorbehalt besagt, dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ nicht gilt, „wenn eine Leistung für eine
geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten

https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/forschung/projekte_unterseiten/pflegebudget/1Anlage_PB-Gesamtzusammenfassung_3271.pdf
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/forschung/projekte_unterseiten/pflegebudget/1Anlage_PB-Gesamtzusammenfassung_3271.pdf
http://www.aq-nrw.de/landesbuero-altengerechte-quartierenrw/landesbuero.html?&nav_lb=lb
http://www.aq-nrw.de/landesbuero-altengerechte-quartierenrw/landesbuero.html?&nav_lb=lb
https://www.kda.de/news-detail/items/unterstuetzungsangebot-fuer-kommunen-bei-der-altengerechten-quartiersentwicklung.html
https://www.kda.de/news-detail/items/unterstuetzungsangebot-fuer-kommunen-bei-der-altengerechten-quartiersentwicklung.html
https://www.lzg-rlp.de/de/servicestelle-fuer-kommunale-pflegestrukturplanung-und-sozialraumentwicklung.html
https://www.lzg-rlp.de/de/servicestelle-fuer-kommunale-pflegestrukturplanung-und-sozialraumentwicklung.html
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10530
verbunden ist“. Der Kostenvorbehalt kann bedeuten, dass die Sozialämter darüber entscheiden, wo und wie ein
Mensch zu leben hat. Das ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung des Menschen. Zudem ist der Kostenvorbehalt
ein massives Hindernis für den Ausbau einer Pflege- und Betreuungsinfrastruktur vor Ort.

Zu 3: § 43a SGB XI
§ 43a SGB XI begrenzt den Anspruch pflegebedürftiger Menschen, die in vollstationären Einrichtungen der Be-
hindertenhilfe leben, bisher auf 10 Prozent der Heimkosten, maximal jedoch 266 Euro. Im PSG III ist vorgesehen,
den Anteil von 10 auf 15 Prozent zu erhöhen, die Obergrenze von 266 Euro soll jedoch bestehen bleiben. Obwohl
mit dem parallel verhandelten Entwurf der Bundesregierung für das Bundesteilhabegesetz (BTHG) das Ziel ver-
folgt wird, die Unterscheidung in ambulante und stationäre Leistungen aufzuheben, schreibt das PSG III diese
Benachteiligung explizit fort. Immerhin hat die Bundesregierung im laufenden Verfahren nun aber zumindest
davon abgesehen, den Geltungsbereich des § 43 a SGB XI auch auf bestimmte ambulante Wohnformen auszu-
dehnen, wie dies im ursprünglichen Gesetzentwurf zum PSG III noch vorgesehen war. Dennoch bleibt der fatale
Anreiz bestehen, Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf in stationäre Pflegeeinrichtungen „abzuschieben“.
Dies widerspricht dem allseits akzeptierten Leitgedanken der Inklusion von Menschen mit Behinderungen und
der UN-Behindertenrechtskonvention. Diese Einschätzung wird auch gestützt durch ein wissenschaftliches Gut-
achten von Prof. Dr. iur. Felix Welti aus dem Jahr 2015, der zudem zum Ergebnis kommt, dass § 43a insofern
verfassungswidrig sei, da die Regelung die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, das Benachtei-
ligungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletze
(vgl. Prof. Dr. iur. Felix Welti: „Die Sonderregelung der Pflegeversicherung in Wohneinrichtungen für behin-
derte Menschen nach §§ 36 Abs. 1 Satz 2, 43a Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversi-
cherung“, Gutachten für den Landeswohlfahrtsverband Hessen, September 2015).
Es ist deshalb überfällig, diese Regelung aufzuheben. Sofern Menschen mit Behinderungen außerhalb eines nach
dem SGB XI anerkannten Pflegeheimes Pflege benötigen, sind ihnen zumindest die Leistungen zur Verfügung
zu stellen, die bei der Pflege in der eigenen Häuslichkeit bewilligt würden. Das wären die Pflegesachleistungen
im häuslichen Umfeld nach § 36 SGB XI. Dem aktuellen Barmer GEK Pflegereport 2016 von Heinz Rothgang
u. a. zufolge würde dies Mehrkosten für die Soziale Pflegeversicherung in Höhe von ca. 1,6-1,8 Milliarden Euro
verursachen, aber auch zu einer etwa analogen Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe führen (vgl. Heinz
Rothgang, Thomas Kalwitzki, Rolf Müller, Rebecca Runte, Rainer Unger: BARMER GEK Pflegereport 2016.
S. 59f.). Diese Mehrkosten könnten beispielweise durch eine Abschaffung des Pflegevorsorgefonds nach
§§ 131ff. SGB XI größtenteils refinanziert werden (s. u. Forderung II.3). Der Fonds leistet nach einhelliger Mei-
nung von Expertinnen und Experten keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung der Sozialen Pflegever-
sicherung. In den Fonds fließen bis zum Jahr 2035 jährlich 1,2 Mrd. Euro an Beitragsmitteln.
In einer strukturellen Gesamtbetrachtung der Pflegeversicherung und angrenzender Leistungssysteme erweist
sich die Regelung in § 43a SGB XI als einer von mehreren „Verschiebebahnhöfen“. Gemeint sind damit proble-
matische Schnittstellen, an denen Kostenzuständigkeiten in andere Leistungssysteme abgeschoben werden bzw.
immer wieder Unklarheiten und in der Folge Streitigkeiten auftreten, welcher Kostenträger denn nun zuständig
ist.
Zahlreiche dieser Schnittstellenprobleme werden seit Jahren in der Fachwelt und auch politisch zwar diskutiert,
bleiben bisher aber ungelöst. Mit ihnen gehen in aller Regel systematische Fehlanreize einher, die sich im End-
effekt in unzureichenden Leistungen widerspiegeln, unter denen die Betroffenen zu leiden haben, wie es etwa
am Beispiel der Auswirkungen des § 43a SGB XI zum Ausdruck kommt. Ein weiteres Beispiel ist die seit Mitte
der 1990er Jahre strittige Regelung der Kostenübernahme der medizinischen Behandlungspflege in stationären
Pflegeeinrichtungen. Seit Einführung der Sozialen Pflegeversicherung wird die medizinische Behandlungspflege
im ambulanten Bereich nach § 37 Abs. 2 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziert.
Die medizinische Behandlungspflege hingegen in Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege
und der vollstationären Pflege wird aus den gedeckelten Leistungssätzen der Sozialen Pflegeversicherung finan-
ziert. Da diese in aller Regel nicht ausreichend sind, um die Kosten der pflegerischen Versorgung abzudecken,
müssen die Betroffenen in diesen Settings die Behandlungspflege letztlich selbst bezahlen bzw. zuzahlen, wäh-
rend Versicherte im häuslichen Umfeld dies nicht müssen. Für diese Ungleichbehandlung nach dem Ort der
Leistungserbringung gibt es keine schlüssige fachliche Begründung. Ursache ist allein ein politischer unionsin-
terner Kompromiss im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Ersten SGB XI-Änderungsgesetz im Jahr
1996 zwischen den damaligen Bundesministern für Arbeit und Sozialordnung sowie für Gesundheit. Zudem wer-

Drucksache 18/10530 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
den auch systematische Fehlanreize beschrieben, die darauf hindeuten, dass Krankenkassen ein tendenziell grö-
ßeres Interesse an stationären Versorgungsformen zeigen, um die Kosten der Behandlungspflege an die Pflege-
versicherung abzuschieben (vgl. Rolf Hoberg, Thomas Klie, Gerd Künzel, Strukturreform PFLEGE und TEIL-
HABE, November 2013).
Ein weiteres Beispiel ist die in der Praxis mangelhafte Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pflege. Die
gesetzliche Krankenversicherung erfüllt als Träger der pflegevermeidenden Rehabilitation diese Aufgabe kaum.
Ursächlich sind auch hier systematische Fehlanreize, da für die medizinische Rehabilitation nicht derjenige Trä-
ger zuständig ist, der das Risiko des Scheiterns trägt. Weiterhin erschwert die mangelhafte Umsetzung des § 40
Absatz 3 SGB V, wonach die Krankenversicherung bei unterlassener Rehabilitationsleistung Strafzahlungen an
die Pflegeversicherung leisten muss, die pflegevermeidende Rehabilitation. Auch hier kommt es in der Praxis
immer wieder zum Verweis des einen Kostenträgers auf einen anderen, was die gute und zügige Versorgung der
Versicherten verzögert oder gar verhindert. Zur wirksamen Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pflege
sind verschiedene Wege denkbar. Zum einen könnte die Pflegeversicherung in den Kreis der Rehabilitationsträ-
ger aufgenommen werden. Als Rehabilitationsträger entwickelt sie somit ein eigenes Interesse an medizinischer
Rehabilitation zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und kann dies besser durchsetzen. Als weitere Option
wird auch die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen der sozialen Pflegeversicherung an die gesetzliche Kran-
kenversicherung diskutiert. So könnten die Anreize für die Krankenkassen, ihrer Aufgabe der pflegerischen Re-
habilitation nachzukommen, deutlich erhöht werden. Ausführlich hat die Bundestagsfraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN dazu Stellung genommen im Antrag „Die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit
Behinderung menschenrechtskonform gestalten“ (BT- Drs. 18/3155).
Diese und weitere Schnittstellenprobleme bedürfen dringend einer Gesamtbetrachtung und einer abgestimmten
Lösungsstrategie.

Zu 4: Nicht-Versicherte und Bedarfsdeckung in Pflegegrad 1
In Deutschland ist eine kleine, aber doch erkennbare Gruppe von Menschen trotz der allgemeinen Versicherungs-
pflicht nicht pflegeversichert. Dies sind zumeist Menschen, die von Suchterkrankungen oder Wohnungslosigkeit
betroffen sind oder ältere jüdische Menschen, die aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion stammen und
keine bzw. unzureichende Vorversicherungszeiten in der Pflegeversicherung aufweisen und daher nicht leis-
tungsberechtigt sind. Diese Personengruppe ist insofern gegenüber anderen pflegebedürftigen Menschen benach-
teiligt, da sie etwa nicht beim sog. „doppelten Stufensprung“ berücksichtigt werden, wenn eine eingeschränkte
Alltagskompetenz vorliegt, da das SGB XII diese Definition nicht kennt. Zudem bleiben ihnen auch die zusätz-
lichen Betreuungsleistungen nach § 43b SGB XI (bisher § 87b SGB XI) verwehrt. Diese Ungleichbehandlung
sollte behoben werden, indem den Betroffenen analoge Leistungen zugesichert werden.
Ein weiteres Problem betrifft pflegebedürftige Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem
SGB XII, die in den Pflegegrad 1 eingruppiert werden. Diese erhalten nach § 63 SGB XII künftig nur noch
teilweise, keine bedarfsdeckenden Leistungen der Hilfe zur Pflege. Hilfen im häuslichen, teilstationären und sta-
tionären Bereich bleiben ihnen weitestgehend verschlossen, wenn sie die Kosten, die über die gedeckelten Leis-
tungen der Pflegeversicherung hinausgehen, selbst aufbringen müssten.
Überdies kann auch bei pflegebedürftigen Menschen, die den Pflegerad 1 knapp nicht erreichen, ein zwar gerin-
ger Hilfebedarf bestehen, der aber dennoch über die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII abgedeckt werden sollte.
Im derzeitigen Recht der Hilfe zur Pflege sind diese geringen Hilfebedarfe gedeckt, künftig sollen sie dies nicht
mehr sein.

Zu 5: Andere Verrichtungen
Pflegebedürftige Menschen benötigen ganzheitliche Unterstützung. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff trägt
dem in weiten Teilen Rechnung. Die Umsetzung im Rahmen der Hilfe zur Pflege birgt jedoch die Gefahr, dass
der bisher offene, über die durch die von der Pflegeversicherung erfassten Verrichtungen hinausreichenden Leis-
tungskatalog durch ein Leistungsspektrum ersetzt wird, dass als abgeschlossen interpretiert werden kann. Dies
würde Pflegearrangements von Menschen gefährden, die auf umfassende und ganzheitliche Unterstützung ange-
wiesen sind, was verhindert werden muss.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10530
Zu 6: Maßnahmen gegen den Abrechnungsbetrug
Ermittlungen und Medienberichte haben gezeigt, dass es einzelne Dienstleister im Pflegebereich gibt, die durch
das falsche Abrechnen nicht erbrachter Leistungen oder durch den Einsatz von nicht ausreichend qualifiziertem
Personal unrechtmäßig Gelder aus der Pflegeversicherung und der Hilfe zur Pflege beanspruchen und damit einen
hohen finanziellen und ideellen Schaden anrichten. Es handelt sich dabei eindeutig um kriminelle Strukturen, die
den Ruf einer ganzen Branche gefährden. Außerdem werden pflegebedürftigen Menschen gute Leistungen vor-
enthalten. Deswegen ist es richtig, dass nunmehr Gegenmaßnahmen eingeleitet werden sollen. Es werden aber
hauptsächlich die Möglichkeiten für Pflegekassen erweitert, um gegen Betrugsfälle vorzugehen. Im vorliegenden
Pflegestärkungsgesetz III erhalten die Landesverbände der Pflegekassen beispielsweise das Recht, neben Wirt-
schaftlichkeitsprüfungen auch Abrechnungsprüfungen zu veranlassen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
eine Pflegeeinrichtung fehlerhaft abrechnet. Was noch weitgehend fehlt, ist die Beteiligung der Sozialhilfeträger
in diesem Bereich, obwohl sie über die Hilfe zur Pflege einen großen Teil der Kosten für Pflege in Deutschland
tragen. Deswegen ist dafür Rechnung zu tragen, dass die Sozialhilfeträger beim Vorgehen gegen Betrugsstruk-
turen angemessen eingebunden werden und eine Zusammenarbeit aller Beteiligten gewährleistet ist.

Zu 7: Modellvorhaben für nicht-akademische Gesundheitsberufe
Die im Jahr 2009 eingeführten Modellvorhaben im Ergotherapeutengesetz, im Hebammengesetz, im Gesetz über
den Beruf des Logopäden und im Masseur- und Physiotherapeutengesetz zur Erprobung akademischer Erstaus-
bildungen werden mit dem PSG III um weitere vier Jahre bis zum Jahr 2021 verlängert werden. Der Grund für
diese Verlängerung erschließt sich nicht sogleich, da die Bundesregierung diese Verlängerung mit keiner inhalt-
lichen, konzeptionellen Perspektive versieht. Die Verlängerung ist nur insofern akzeptabel, als genügend Zeit
gegeben sein muss, bestimmte Maßnahmen nach Abschluss der Vorhaben umzusetzen. Dies müsste etwa eine
Überarbeitung der Berufsgesetze und Ausbildungs- und Prüfungsordnungen und die Nennung eines verbindli-
chen Zeitpunktes, ab wann es eine gesetzlich geregelte akademische Erstausbildung für angehende Ergothera-
peuten, Logopäden und Physiotherapeuten geben soll, umfassen. Darüber hinaus wäre es sehr wünschenswert,
auch die berufliche Ausbildung kostenfrei zu gestalten.

II.B.
Zu 1: Personalmangel
In den allermeisten stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten besteht ein chronischer Personal-
mangel, der die Betriebe, vor allem aber die Pflegekräfte vor extreme, zum Teil unzumutbare dauerhafte Belas-
tungssituationen stellt und die Sicherung der qualitativ hochwertigen Versorgung von Pflegebedürftigen gefähr-
det. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung werden bis 2030, je nach Entwicklung der Anzahl der Pfle-
gebedürftigen und der Pflegeorganisation, bis zu 500.000 Vollzeitkräfte in der Langzeitpflege fehlen (vgl. Ber-
telsmann-Stiftung, online unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/Graue-
Publikationen/GP_Themenreport_Pflege_2030.pdf).
Für eine angemessene Personalausstattung gibt es keine ausreichend verbindlichen Regelungen. Daher sind ge-
setzliche Regelungen notwendig, die eine verbindliche Personalbemessung und damit die Anzahl der Pflege-
kräfte festlegen. Es muss sichergestellt werden, dass die für den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff vorgesehenen
zusätzlichen Beitragsmittel in zusätzliche Leistungen für pflegebedürftige Personen und damit zum überwiegen-
den Teil in mehr Personal investiert werden. Durch die vor allem mit den Pflegestärkungsgesetzen I und II vor-
gesehene, im Grundsatz zu begrüßende Ausweitung der Leistungen der Pflegeversicherung wird es mehr an-
spruchsberechtigte Personen geben. Die neuen Leistungen selbst dürften teilweise zeitintensiver sein als die ge-
genwärtigen, da sie explizit auf Aktivierung und Teilhabe angelegt sind. Sie müssen von qualifiziertem Pflege-
personal erbracht werden. Die Einführung von Personalbemessungsvorgaben ist daher für die Sicherung einer
hochwertigen qualitätsgesicherten Pflege als auch für die Stärkung und Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs
unerlässlich. Mit dem 2015 beschlossenen PSG II hat die Bundesregierung daher nach § 113c SGB XI die Ver-
tragsparteien bis Mitte 2020 mit der „Entwicklung und Erprobung ein wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur
einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstä-
ben“ beauftragt. Das weist zwar in die richtige Richtung. Die zeitliche Perspektive ist jedoch deutlich zu lang,
das Verfahren muss zügiger entwickelt werden. Vor allem aber fehlt jegliche verbindliche Regelung, das Ver-
fahren nach der Erprobung auch sicher einzuführen. Daran führt jedoch kein Weg vorbei.

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Themenreport_Pflege_2030.pdf
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Themenreport_Pflege_2030.pdf
Drucksache 18/10530 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zusätzlich zu einer ausreichenden Personalausstattung sind motivierende Arbeitsbedingungen und teamorien-
tierte Organisationsstrukturen wichtige Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Versorgung in der
Pflege. Dazu gehören eine familienfreundliche Arbeitszeitorganisation ebenso wie auskömmliche und langfris-
tigere Anstellungsverhältnisse sowie Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.
Des Weiteren ist eine Reform der derzeitigen Ausbildung in den drei Pflegeberufen notwendig. Die Regierungs-
koalition von CDU/CSU und SPD ist aktuell nicht in der Lage, sich auf ein schlüssiges Konzept zu verständigen.
Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dazu bereits im Jahr 2011 das Konzept für eine integra-
tiv gestufte Pflegeausbildung vorgelegt und im März 2016 einen Antrag mit umfassenden Reformvorschlägen
zur Aus-, Fort- und Weiterbildung eingebracht (BT-Drs. 18/7880, „Integrative Pflegeausbildung – Pflegeberuf
aufwerten, Fachkenntnisse erhalten“). Darin wird die Entwicklung eines Konzeptes für eine integrativ gestufte
Ausbildung gefordert. Dabei werden im ersten Ausbildungsabschnitt (eineinhalb bis zwei Jahre) identische Aus-
bildungsinhalte unterrichtet. Im zweiten Teil (ein bis eineinhalb Jahre) spezialisieren sich die Auszubildenden in
einem der drei Berufe, mit dem sie die Ausbildung abschließen. Diese Form der Ausbildung schafft die Basis für
eine verbesserte Zusammenarbeit der Pflegeberufe. Die Einsatzfelder und Entwicklungsmöglichkeiten der Aus-
zubildenden werden erweitert. Eine Nachqualifizierung in einem der anderen Pflegeberufe wird erleichtert. Zu-
gleich jedoch bleibt die derzeitige Spezialisierung weiter bestehen, das heutige Niveau der Versorgungsqualität
bleibt erhalten. Die Ausbildung muss in allen Bundesländern kostenfrei sein.
Des Weiteren muss das Aus-, Fort- und Weiterbildungssystem durchlässiger gestaltet, das Qualifizierungssystem
modular aufgebaut werden und von der Pflegehilfskraft bis zur Professur für Pflegewissenschaften alle Qualifi-
kationsstufen umfassen. Bereits geleistete Ausbildungsinhalte müssen anerkannt, bestehende Ausbildungsstruk-
turen zwar erhalten, aber besser miteinander vernetzt werden. Die Durchlässigkeit zwischen den Sektoren muss
erhöht werden. So wie heute bereits eine Gesundheits- und Krankenpflegekraft selbstverständlich in einer stati-
onären Einrichtung für Altenpflege arbeiten kann, soll es zukünftig ebenso möglich sein, dass eine Altenpflege-
kraft ihr Fachwissen im Krankenhaus einbringt, etwa im Umgang mit demenzkranken Patientinnen und Patien-
ten. Um eine konsequente Durchlässigkeit für alle Ebenen der Pflegeausbildung zu garantieren, bedarf es auch
der Harmonisierung der teils sehr unterschiedlichen länderspezifischen Regelungen für die Heilerziehungspflege
sowie Pflegehilfs- und Assistenzberufe. Des Weiteren wird die Einberufung eines Gesundheitsberufegipfels an-
geregt, um eine Neuaufstellung der Gesundheitsberufe – sowohl was die Qualifikation als auch was die Aufga-
benverteilung und die Kompetenzen angeht – grundlegend in Angriff zu nehmen. Neben der Ärzteschaft und der
Pflege müssen alle weiteren akademischen und nicht-akademischen Gesundheitsberufe wie etwa Psychothera-
peuten und die Heilmittelerbringer einbezogen werden.

Zu 2: Pflege-Bürgerversicherung
Eine nachhaltige Finanzierung der Pflege ist angesichts der demografischen Entwicklung, die u. a. mit einer stei-
genden Zahl pflegebedürftiger Menschen einhergehen wird, unabdingbar. Das hätte zuallererst oder zumindest
doch parallel in Angriff genommen werden müssen, um eine solide Basis für alle notwendigen Leistungsverbes-
serungen zu schaffen. Dies muss nun zügig nachgeholt werden.
Wie auch in der Krankenversicherung ist die Zweiteilung in Soziale und Private Pflegeversicherung (SPV/PPV)
ungerecht und unbegründet. Sie sollen daher in einer Pflege-BürgerInnenversicherung zusammengeführt werden.
Da SPV und PPV seit jeher einen identischen Leistungskatalog aufweisen, ist der Übergang in eine BürgerIn-
nenversicherung zügig umsetzbar. In der Pflege-BürgerInnenversicherung nach dem Modell der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN sind alle Bürgerinnen und Bürger Mitglied. Alle Einkunftsarten – auch Vermögensein-
kommen, Gewinne und Mieteinkünfte – werden in die Finanzierung der Pflegeversicherung einbezogen. Damit
durch die Heranziehung weiterer Einkommensarten nicht vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieherin-
nen und -bezieher belastet werden, sind für die zusätzlichen Einkommensarten Freigrenzen einzuräumen. Die
Beitragsbemessungsgrenze wird auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung (West) angehoben. Die
Beiträge auf Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung werden weiterhin paritätisch finanziert. Die
Pflege-BürgerInnenversicherung kann auch durch private Versicherungsunternehmen angeboten werden, die sich
dem Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen stellen müssen. Die Regeln, die dabei gelten, sind: Umlagefinan-
zierung, einkommensbezogene Beiträge, einheitlicher Leistungskatalog, Kontrahierungszwang, Diskriminie-
rungsverbot.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/10530
Zudem werden die Leistungen der Pflege-BürgerInnenversicherung im Gegensatz zur geltenden Rechtslage re-
gelmäßig so angepasst (dynamisiert), dass ein Realwertverlust der Leistungen vermieden wird. Da sich die Pfle-
gekosten zu etwa zwei Dritteln aus Personal- und zu etwa einem Drittel aus Sachkosten zusammensetzen, werden
die Leistungen regelmäßig in diesem Verhältnis an die Lohn- und Inflationsentwicklung angepasst.
Ein im Auftrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstelltes Gutachten des Zentrums für Sozialpolitik
der Universität Bremen (Prof. Dr. Heinz Rothgang, Dr. Robert Arnold u. a.: „Berechnungen der finanziellen
Wirkungen verschiedener Varianten einer Pflegebürgerversicherung. Gutachten aus dem Zentrum für Sozialpo-
litik im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen“, 10/2011) ergibt, dass durch die Einbeziehung
aller Bürgerinnen und Bürger sowie Einkommensarten nicht nur die Solidarität im System gestärkt, sondern auch
der Anstieg der Pflegeversicherungsbeiträge im Rahmen der demografischen Entwicklung zwar nicht vermieden,
aber deutlich gedämpft und auf ein überschaubares Maß reduziert werden kann.

Zu 3: Pflegevorsorgefonds
Der mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG 1) eingeführte Pflegevorsorgefonds (§§ 131 ff. SGB XI) leistet
nach einhelliger Meinung von Expertinnen und Experten keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung der
Sozialen Pflegeversicherung. In den Fonds fließen bis zum Jahr 2035 jährlich 1,2 Mrd. Euro an Beitragsmitteln.
Bis zum Jahr 2055 soll der Fonds dann entleert werden, um den Beitragssatz zur Pflegeversicherung senken zu
können. Das funktioniert nicht. Zum einen wird die Zahl der Pflegebedürftigen zwar gegen Ende der 2050er
Jahre wieder sinken, die der Beitragszahlerinnen und -zahler jedoch ebenfalls. Damit wird der Beitragssatz nach
der Entleerung des Fonds im Jahr 2055 nicht etwa sinken, sondern sich auf einem konstant hohen Niveau ein-
pendeln. Das angesparte Guthaben reicht zudem für einen nennenswerten Stabilisierungseffekt bei Weitem nicht
aus. Darum sollten die im Fonds gebundenen Beitragsmittel für aktuell notwendige Leistungen zur Verfügung
stehen.
Denkbar wäre auch eine Verwendung der frei werdenden Beitragsmittel für die Refinanzierung steigender Mit-
telbedarfe, wenn die Ungleichbehandlung von pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung nach § 43a SGB XI
beendet wird und diese Personen vollwertige Leistungen der Pflegeversicherung erhalten (s. o. Forderung 4).

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