BT-Drucksache 18/10406

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9812, 18/9824, 18/9825, 18/9826 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

Vom 22. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10406

18. Wahlperiode 22.11.2016

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Anja Hajduk, Dr. Tobias
Lindner, Kerstin Andreae, Matthias Gastel, Britta Haßelmann, Dieter Janecek,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Stephan Kühn (Dresden), Peter
Meiwald, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Markus Tressel, Dr. Julia
Verlinden, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9812, 18/9824, 18/9825, 18/9826 –

Entwurf eines Gesetzes

über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017
(Haushaltsgesetz 2017)

hier: Einzelplan 12

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr
und digitale Infrastruktur

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Verkehrspolitik muss endlich ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Rund
20 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen gehen auf den Verkehr zu-
rück. Während in allen übrigen Sektoren die CO2-Emissionen zurückgehen, sind diese
im Verkehrssektor in den letzten sieben Jahren kontinuierlich angestiegen. Um die
Klimaziele von Paris einhalten zu können, muss in der Verkehrspolitik jetzt schnell
und entschlossen gehandelt werden. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, eine Ver-
kehrswende und den damit verbundenen Strukturwandel einzuleiten.

Anstelle einer klimapolitisch ambitionierten Verkehrspolitik brachten die letzten drei
Jahre unter Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt das Theater um eine auslän-
derfeindliche und europarechtswidrige PKW-Maut, den Abgasskandal und einen Bun-
desverkehrswegeplan, der die Betonpolitik des letzten Jahrhunderts fortsetzen soll.
Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Bereich Verkehr und Ansatzpunkte einer Ver-
kehrswende hin zu einer nachhaltigen Mobilität sucht man im Haushaltsentwurf 2017
vergeblich. Alexander Dobrindt denkt beim Thema Mobilität ausschließlich an das

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Auto und an den Straßenbau. Der Radverkehr, Schienen- und der öffentliche Perso-
nennahverkehr werden vernachlässigt.

Bundesverkehrswegeplan 2030: Bundesregierung plant für die Vergangenheit

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 erfüllt die Anforderungen an eine nachhaltige Inf-
rastrukturpolitik nicht. Er ist nicht zukunftsfest und ignoriert längst vereinbarte Klima-
und Umweltziele.

Ein Gesamtnetzdenken fehlt dem Plan genauso wie eine eindeutige Priorisierung der
Bauvorhaben, etwa zur Etablierung eines Deutschland-Taktes im Schienenverkehr mit
bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen im Personenverkehr und leis-
tungsfähigen Güterverkehrstrassen. Mehr als die Hälfte der im Vordringlichen Bedarf
vorgesehenen Bundestraßenprojekte hat keine Bedeutung für das Gesamtnetz. Statt ei-
ner klaren Rangfolge gibt es nur unverbindliche Kategorien. Auch beim vielzitierten
Vorsatz „Erhalt vor Neubau“ bleibt der Plan bei bloßen Ankündigungen. Dies zeigt
sich auch im Haushaltsentwurf 2017: Die Erhaltungsmittel liegen weit unter den Vor-
gaben der eigenen Erhaltungsbedarfsprognose.

Der Bundesverkehrswegeplan muss zu einem Bundesnetzplan weiterentwickelt wer-
den. Dieser Netzplan muss die Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes sowie den Klima-
und Umweltschutz in den Mittelpunkt stellen.

ÖPNV stärken – Mehr Fahrgäste für Bus und Bahn mit dem Zukunftsprogramm Nah-
verkehr

Eine moderne Verkehrspolitik setzt auf eine optimale Vernetzung der Verkehrsmittel.
Die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist in vielen Städten
und Regionen Deutschlands jedoch in einem schlechten Zustand und genügt längst
nicht mehr den heutigen Ansprüchen. Die Herausforderungen des Ausbaus und der
Sanierung des öffentlichen Nahverkehrs müssen endlich angepackt werden. Der Bund
muss hier seiner Verantwortung gerecht werden und verlässlich mehr Mittel bereitstel-
len, um die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs zu sanieren, zu modernisieren
und zu erweitern. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, die Attraktivi-
tät öffentlicher Verkehrsangebote deutlich zu erhöhen und Kapazitäten für steigenden
Fahrgastzahlen zu schaffen.

Elektromobilität für alle Verkehrsträger

Zentraler Pfeiler der Verkehrswende ist der Umstieg auf Elektromobilität auf Basis
erneuerbarer Energien. Die Bundesregierung fördert jedoch ausschließlich Elektromo-
bilität im Automobilbereich – und das nicht einmal erfolgreich. Ihre Kaufprämie für
Elektroautos ist ein Rohrkrepierer der sozial ungerecht finanziert wird und keine öko-
logische Lenkungswirkung entfaltet. Andere Bereiche der Elektromobilität wie Las-
tenräder, Busse oder Bahnen ignoriert die Bundesregierung.

Diese einseitige Förderpolitik muss durch einen verkehrsträgerübergreifenden Ansatz
ersetzt werden. Die im Energie- und Klimafonds vorgesehenen Mittel zum Kauf
elektrisch betriebener Fahrzeuge in Höhe von 192 Millionen Euro müssen für eine
breiter angelegte Förderstrategie zugunsten aller Verkehrsträger verwendet werden.
Um den Umweltvorteil des ÖPNV noch zu steigern, muss der Schwerpunkt der För-
derung ein Marktanreizprogramm für E-Busse sein. Ebenso muss die Elektrifizierung
der Schiene eine größere Rolle spielen. Noch immer fahren zu viele Dieselloks, vor
allem auf Nebenstrecken.

Radverkehr stärken

Der Ausbau des Radverkehrs trägt dazu bei, Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten
und insbesondere die Lebensqualität in Städten zu erhöhen. Eine flächendeckende in-
takte Radinfrastruktur und Radschnellwege müssen daher die gemeinsame Aufgabe

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von Bund, Ländern und Kommunen sein. Bisher kommt der Bund seiner Verantwor-
tung weder beim Ausbau der Radwege an Bundesstraßen noch bei der Etablierung
überregionaler Radwegenetze nach. Dazu gehört auch, in Absprache mit den Ländern
einheitliche Standards für Radschnellwege zu definieren und bedeutende Vorhaben
finanziell zu unterstützen.

Vor allem in städtischen Ballungsgebieten sorgen Lieferverkehre für eine hohe Ver-
kehrsbelastung. Lastenräder können dazu beitragen, diese Belastung zu senken und
sind besonders für die „letzte Meile“ eine gute Alternative zum Lieferwagen. Um mehr
Menschen die Nutzung elektrischer E-Lastenräder zu ermöglichen, muss der Bund ein
zeitlich befristetes Förderprogramm zur Umsetzung von Sharing-Konzepten auflegen
und den Aufbau einer Verleih-Infrastruktur fördern.

Schiene statt Straße – Verkehre verlagern

Um die Klimaziele einzuhalten ist eine umfassende Verkehrsverlagerung von der
Straße auf die Schiene notwendig. Der Güterverkehr auf der Schiene ist bis zu fünfmal
klimafreundlicher als auf der Straße.

Dennoch fördert die Bundesregierung weiterhin einseitig den Gütertransport durch den
LKW. Der Anteil des LKW-Verkehrs am Gütertransport ist in den letzten Jahren stetig
gewachsen und liegt mittlerweile bei über 70 Prozent, während die Schiene bei einem
Anteil von 17 Prozent stagniert. Verkehrsminister Dobrindt verfolgt hier die falsche
Strategie zulasten des Klimaschutzes und zulasten der Menschen, die an Fernverkehrs-
straßen leben.

Die Zeit drängt: Es müssen endlich die politischen Rahmenbedingungen für ein lang-
fristiges und dauerhaftes Wachstum des Schienenverkehrs geschaffen werden. Dazu
gehört etwa, die Produktivität im Schienengüterverkehr durch den Ausbau überlasteter
Strecken, das Beheben von Engpässen und den Aufbau eines deutschlandweiten 740-
Meter-Netzes gezielt zu erhöhen und die Attraktivität des Kombinierten Verkehrs zu
stärken. Durch eine Ausweitung der Lkw-Maut, die Einbeziehung von Fernbussen in
die Infrastrukturfinanzierung und eine stufenweise Aufhebung der Privilegien des
Flugverkehrs bei der Energiebesteuerung wird der Wettbewerb zwischen den Ver-
kehrsträgern fairer. Die Akzeptanz des Verkehrsträgers Schiene muss durch frühzei-
tige Bürgerbeteiligung und umfassenden Lärmschutz verbessert werden.

ÖPP: Bauen auf Kosten der kommenden Generationen

Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) sollen nach dem Willen der Großen Koali-
tion ein großes Revival erleben. Das Haushaltsrecht setzt einen festen Rahmen und
klare Vorgaben für staatliche Aufträge an die Privatwirtschaft: Wirtschaftlichkeit, po-
litische Kontrolle und Transparenz sind elementar. Aus den Erfahrungen ist bekannt:
ÖPP-Projekte als Finanzierungsalternative staatlicher Aufgaben werden politisch nur
unzureichend kontrolliert, sind intransparent und im Vergleich zur Finanzierung durch
die öffentliche Hand unwirtschaftlich. Das haben Bundesrechnungshof und Länder-
rechnungshöfe anhand von Projekten nicht nur im Straßenbau, sondern auch im Hoch-
bau dargelegt. So belegen Berechnungen des Bundesrechnungshofs, dass fünf der
sechs vergebenen ÖPP-Projekte der zweiten Staffel um insgesamt über 1,9 Milliarden
Euro teurer sind, als ein konventioneller Bau. Auch konnten die gesamtwirtschaftli-
chen Nutzeneffekte der ÖPP-Variante, die das Bundesverkehrsministerium hervor-
hebt, diese Kostennachteile nicht ausgleichen. Für den Steuerzahler ist eine solche Lö-
sung teuer. Hinzu kommt, dass diese Projekte auch mittelstandsfeindlich sind, denn
zum Zug kommen hier nur wenige Großunternehmen. Mit dieser extrem teuren Form
der Infrastrukturfinanzierung umgeht die Bundesregierung die verfassungsrechtlich
vorgegebene Schuldenbremse. Anstatt ÖPP zu forcieren, sollte der Staat vielmehr
klare Prioritäten bei den Investitionen im Haushalt setzen und Anreize dafür schaffen,
das private und unternehmerische Investitionsklima in Deutschland zu verbessern. Vor

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diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, dass die Bundesregierung eine „Neue Ge-
neration ÖPP“ im Straßenbau auf den Weg bringt.

Intransparenz beenden – Vermögensbilanz im Verkehrsetat einführen

In der gegenwärtigen Haushaltssystematik wird der Vermögensverzehr im Haushalt
nicht abgebildet. Das vorhandene Anlagevermögen erleidet durch Nutzung und Alter
andauernd Wertverluste. Da eine Aufstellung des Infrastrukturzustands und Erhal-
tungsbedarfs in der bestehenden kameralen Haushaltssystematik nicht erfolgen muss,
neigt die gegenwärtige Struktur des Bundeshaushaltes zu teuren Neuinvestitionen. Für
laufende Erhaltungsmaßnahmen stehen strukturell zu wenige Mittel zur Verfügung.
Der Einzelplan 12 muss deswegen deutlich transparenter werden und den Vermögens-
verzehr der Verkehrsinfrastruktur abbilden. Die Infrastrukturvermögenswerte müssen
kaufmännisch nach den Prinzipien des Handelsgesetzbuches erfasst werden und als
jährliche Bilanz zusammen mit dem Entwurf für den jeweils kommenden Haushalt
offengelegt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

 das GVFG-Bundesprogramm zu einem „Zukunftsprogramm Nahverkehr“,
ausgestattet mit insgesamt 1 Milliarde Euro pro Jahr, weiterzuentwickeln und für
Sanierungsmaßnahmen und mehr Verkehrsverlagerung auf Bus, Bahn und Fahr-
rad zu öffnen;

 die Förderung der Elektromobilität verkehrsträgerübergreifend auszuweiten, ein
Elektrifizierungsprogramm bei der Schiene und ein Marktanreizprogramm für E-
Busse aufzulegen sowie kommunale Citylogistikkonzepte auf Basis von E-Fahr-
zeugen und Lastenrädern zu fördern;

 eine flächendeckende Radinfrastruktur zu fördern und hierfür die Mittel für den
Ausbau der Radwege an Bundesstraßen auf 200 Millionen Euro zu verdoppeln
sowie einen neuen Haushaltstitel für überregionale Radschnellwege mit einem
Volumen von 100 Millionen Euro zu schaffen;

 die LKW-Maut auf alle außerörtlichen Bundesstraßen und auf Fahrzeuge ab 3,5
Tonnen auszuweiten;

 die Mittel für den Lärmschutz an Bundesschienenwegen auf 200 Millionen Euro
anzuheben;

 nach einer erneuten Überprüfung den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans zu
einem Bundesnetzplan weiterzuentwickeln, der die Leistungsfähigkeit eines ver-
kehrsträgerübergreifenden bundesweiten Vorrangnetzes sichert und ökologisch
wie ökonomisch nachhaltige Mobilitätsangebote fördert;

 den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs zu folgen und keine neuen ÖPP-
Vorhaben im Bereich der Bundesfernstraßen zu planen oder zu beginnen und die
hierfür im Bundeshaushalt 2017 vorgesehen Mittel zu streichen;

 die Infrastrukturvermögenswerte kaufmännisch nach den Prinzipien des Handels-
gesetzbuches zu erfassen und als jährliche Bilanz zusammen mit dem Entwurf für
den jeweils kommenden Haushalt offenzulegen;

 den Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ konsequent durchzusetzen und hierfür Haus-
haltsmittel umfassend von Neu- und Ausbau in den Erhaltungstitel umzuschichten
und die einzusetzenden Mittel für den Erhalt eng an den Vermögensverlust der
Verkehrswege zu orientieren.

Berlin, den 21. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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