BT-Drucksache 17/9778

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/7376, 17/9773 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes

Vom 22. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9778
17. Wahlperiode 22. 05. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W.
Birkwald, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer,
Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/7376, 17/9773 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung hängt stark vom Ver-
trauen in das Gesundheitssystem und in den Prozess von Organspende und
Transplantation ab. Eine zwingende Voraussetzung für Vertrauen in den Organ-
spendeprozess ist größtmögliche Transparenz. Berechtigte Bedenken der Sach-
verständigen in den beiden Anhörungen am 8. und am 29. Juni 2011 hat die Bun-
desregierung unzureichend aufgenommen. Damit werden die Transparenz im
Spendeprozess und das Vertrauen bei potentiellen Organspenderinnen und
Organspendern nicht erhöht. Zudem berücksichtigt das Gesetz nicht in ausrei-
chendem Maße den Stand der medizinischen Forschung und Wissenschaft und
löst vorhandene rechtliche Widersprüche nicht auf.

Statt die Verbindlichkeit zu erhöhen und Kontrolle zu schaffen, hat die Bundes-
regierung die Rechte der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) im
Gesetz gestärkt und ihre Kompetenzen erweitert. Die DSO ist als Stiftung des
Privatrechts nur bedingt geeignet, als Koordinierungsstelle für Organtransplan-
tationen zu fungieren. Die Koordinierungsstelle kann verbindliche Verfahrens-
anweisungen nur erlassen, wenn sie als Behörde organisiert ist (z. B. durch
Dienstanweisungen). Auch interne Vorkommnisse innerhalb der DSO, über die
die Presse berichtete, tragen nicht zum Vertrauen bei.

Die organisatorisch zentralen Fragen der Organzuteilung, wie die Kriterien der
Wartelisten und die praktische Verteilung der Organe, bei denen es aufgrund der
Mangelsituation um Fragen über Leben und Tod geht, werden nicht befriedigend
gelöst. So liegt die Richtlinienkompetenz für die Organzuteilung bei der Bun-

desärztekammer – also einem nicht eingetragenen Verein, der nicht gesellschaft-
lich legitimiert und kontrolliert ist. Die Verteilung von Organen ist an eine im
Ausland sitzende Stiftung (Eurotransplant International Foundation) abgetreten,
die nicht dem deutschen Recht unterliegt. Die Bundesregierung stellt mit dem
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes keine Trans-
parenz her. Weder die Richtlinien über die Zuteilung noch die Vergabekriterien
werden transparenter gestaltet.

Drucksache 17/9778 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auch hinsichtlich der Hirntoddiagnostik schafft die Bundesregierung keine wei-
tergehende Klarheit und Transparenz. Neuerliche Zweifel, dass der für die Or-
ganspende ausschlaggebende Hirntod wirklich der „richtige“ Tod sei, werden
nicht berücksichtigt. Anders als in anderen Ländern sind in der Bundesrepublik
Deutschland keine ausreichenden und dem Stand der medizinischen Wissen-
schaft entsprechenden ethischen Kriterien für die Organentnahme bei Hirntod
definiert.

Die EU-Richtlinie 2010/53 fordert geeignete Regelungen zur Optimierung von
Ischämiezeiten und zur Einschränkung von Organschäden. Die Bundesregie-
rung hat lediglich geregelt, dass der Transport von Organen unter der Beachtung
einer Verfahrensanweisung der Koordinierungsstelle erfolgen soll. Statt einer
Verfahrensanweisung sind Verordnungen der richtige Weg, um Verbindlichkeit
für Dritte herzustellen. Die Bundesregierung hat es versäumt, die Anforderung
an den Transport von Organen im Gesetzentwurf dem Stand der medizinischen
Forschung anzupassen. So werden neue medizinische Erkenntnisse, nach denen
es zur Erhöhung des Transplantationserfolges zielführend ist, Organe nicht in
Behältern aufzubewahren, sondern sie während des Transports mit Blut zu per-
forieren (normotherme pulsatile Oxygenierung), nicht berücksichtigt.

Befürchtungen vieler Menschen, sie könnten als potenzielle Organspenderin
oder Organspender im Notfall nicht alle medizinisch notwendigen Leistungen
erhalten, bzw. dass trotz anderslautender Patientenverfügung lebensverlän-
gernde Maßnahmen durchgeführt werden, bis ein günstiger Zeitpunkt zur Orga-
nentnahme eingetreten ist, tritt die Bundesregierung nicht entgegen. Eine ein-
deutige rechtliche Klärung nimmt sie nicht vor.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. nach der Aufarbeitung der Vorkommnisse um die DSO verbindliche Verfah-
rensanweisungen und Kontrollen für die Koordinierungsstellen verankert
und die Koordinierungsstelle in der Rechtsform einer Behörde errichtet;

2. verbindliche und transparente, dem wissenschaftlichen Stand entsprechende
Richtlinien über die Zuteilungskriterien von Organen, Geweben und Gewe-
bezubereitungen festlegt;

3. hinsichtlich der Hirntodproblematik weitergehende Kriterien nach internatio-
nalen Standards definiert und Regelungen zur verpflichtenden apparativen
Diagnostik vorschreibt;

4. nach wissenschaftlichen Kriterien geeignete und dem Stand der medizini-
schen Forschung entsprechende Regelungen und Verordnungen zum Trans-
port von explantierten Organen festlegt;

5. das Verhältnis zwischen Organspendeerklärung und Patientenverfügung
rechtlich eindeutig klärt und vorhandene Widersprüche und Konflikte auf-
löst;

6. eine ergebnisoffene und nicht interessengeleitete Beratung von möglichen
Spenderinnen und Spendern und ihrer Angehörigen sicherstellt, die konflikt-
bezogen gestaltet wird und juristische, ethische und medizinische Aspekte
einbezieht.

Berlin, den 22. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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