BT-Drucksache 17/9739

Myanmar - Den demokratischen Wandel unterstützen

Vom 23. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9739
17. Wahlperiode 23. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Ute Koczy, Dr. Thomas Gambke, Viola
von Cramon-Taubadel, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Agnes
Brugger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Tom Koenigs, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Myanmar – Den demokratischen Wandel unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im November 2010 fanden in Myanmar die ersten Wahlen nach fast 20 Jahren
statt. Zwar waren die Wahlen weder frei noch fair, jedoch ermöglichte das regie-
rende Militär danach weitreichende Reformen. Damit erzielte die langjährige
Oppositionsbewegung, angeführt von Aung San Suu Kyi, einen wichtigen Er-
folg. Beigetragen haben dazu auch die verschiedenen Initiativen im Ausland, die
sich seit Jahren hinter die Oppositionsbewegung gestellt haben.

Kurz nach der Wahl wurde der Hausarrest der Nobelpreisträgerin Aung San Suu
Kyi aufgehoben. Die Regierung nahm Waffenstillstandsgespräche mit den be-
waffneten aufständischen Gruppen in den Grenzgebieten des Landes auf, und
die ersten politischen Häftlinge wurden im Oktober 2011 aus den Gefängnissen
entlassen. Ende Dezember 2011 beschloss die Regierung schließlich Nachwah-
len, die am 1. April 2012 stattfanden, und bei denen auch Aung San Suu Kyi und
andere Vertreterinnen und Vertreter ihrer Partei ins Parlament gewählt wurden.
Am 23. April 2012 beschloss die EU, alle Sanktionen gegenüber Myanmar aus-
zusetzen. Daraufhin kündigte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, die Wiederaufnahme der bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar an.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die in den letzten Monaten vollzogenen Refor-
men in Myanmar und unterstützt ausdrücklich diejenigen Akteure der Zivilge-
sellschaft, die die Demokratisierung und politische Öffnung des Landes voran-
treiben. Darüber hinaus muss auf die Reformkräfte innerhalb der Regierung
eingewirkt werden, an ihrem bisherigen Kurs festzuhalten. Der nun eingeschla-
gene Weg weist in die richtige Richtung. Aber nach wie vor gibt es massive
politische Repression mit Verletzung von Menschenrechten, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit. Ein erster Test waren die Nachwahlen im April 2012. Sie

waren ein wichtiger Schritt für die weitere Demokratisierung des Landes, auch
wenn sie insgesamt nicht als demokratisch und fair zu werten sind, da drei Vier-
tel der Sitze im Parlament durch das Militär besetzt werden. Umso wichtiger
sind die Wahlen im Jahr 2015, die sehr viel umfang- und einflussreicher sein
werden als die Nachwahlen vom April 2012.

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Der nun eingeschlagene Weg birgt jedoch auch Risiken, wenn die Öffnung nicht
durch eine nachhaltige Politik begleitet wird. Die Lockerung oder Aufhebung
der Sanktionen wird ausländische Investitionen im Land weiter ansteigen lassen
und eine wirtschaftliche Liberalisierung und Privatisierung vorantreiben. Ohne
starke ökologische, soziale und menschenrechtliche Leitplanken werden solche
Investitionen auch negative Auswirkungen haben. Länder wie Thailand haben
bereits angekündigt, ihre „schmutzigen“ Industrien nach Myanmar auszulagern.
Bei einer unkontrollierten Industrialisierung hätte die Durchsetzung notwendi-
ger Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards keine Chance. Aber vor al-
lem steht zu befürchten, dass eine ungehemmte Ausbeutung der zahlreichen
Rohstoffe auf Kosten der Bevölkerung, der einheimischen Wirtschaft und der
Umwelt vorangetrieben wird. Forciert werden könnte eine solche Entwicklung
durch die verbreitete Korruption in der Verwaltung und im Regierungsapparat.
Die soziale Lage im Land würde sich dadurch erneut verschärfen und die wirt-
schaftliche Entwicklung des Landes auf Jahre hinweg lähmen.

Eine Öffnung des Landes muss daher behutsam erfolgen und darf nicht von
einem neoliberalen Duktus geleitet werden. Die deutsche Politik muss dem
Rechnung tragen und darf nach der Aussetzung der EU-Sanktionen nicht auf
eine radikale Marktöffnung in Myanmar drängen. Auch bei der Korruptions-
bekämpfung und bei der Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit müssen
weitere Fortschritte gemacht werden. Darüber hinaus muss das Regime in
Myanmar nun endlich alle weiteren politischen Inhaftierten freilassen, die nach
wie vor in Gefängnissen einsitzen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Europäische Union die Reformen in
Myanmar anerkannt hat und das Land bei der weiteren Entwicklung unterstüt-
zen möchte. Die am 23. April 2012 beschlossene Aussetzung der Sanktionen ist
ein wichtiges Signal für die Reformkräfte im Lande. Allerdings ist bis heute of-
fen, ob sich die Reformer gegen die Hardliner in der Regierung dauerhaft durch-
setzen werden. Noch immer besitzen die Militärs im Parlament eine Sperrmino-
rität. Eine juristische Aufarbeitung ihrer Verbrechen ist nicht absehbar. Deshalb
wäre es sinnvoll gewesen, die Handelsbarrieren zunächst nur graduell abzu-
bauen, da die Gefahr besteht, dass Firmen in der Hand des Militärs davon beson-
ders profitieren. Die Aussetzung der Sanktionen sollte daher regelmäßig anhand
der tatsächlich vollzogenen Reformfortschritte überprüft werden. Die Europä-
ische Union muss deutlich machen, dass man sich mit dem bisher Erreichten
nicht zufriedenstellen wird, sondern dass weitere Anstrengungen nötig sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich innerhalb der EU dafür einzusetzen, dass der weitere Reformprozess in
Myanmar aktiv unterstützt und die Aussetzung der Sanktionen regelmäßig
anhand der vollzogenen Fortschritte insbesondere im Bereich der Menschen-
rechte und der verschiedenen Friedensprozesse mit ethnischen Minderheiten
überprüft werden;

2. die myanmarische Regierung zu unterstützen, unter Einbeziehung aller Ak-
teure eine politische Lösung der ethnischen Konflikte zu finden;

3. den Dialog mit der demokratischen Opposition, insbesondere mit Aung San
Suu Kyi, zu pflegen und sich für volle politische Freiheiten der demokrati-
schen Opposition einzusetzen;

4. sich dafür einzusetzen, dass die nach wie vor gängige Zensur durch die ange-
strebte Reform des Mediengesetzes überwunden wird. Die Unabhängigkeit
und Pluralität der Medien in Myanmar muss durch das neue Gesetz garantiert
werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9739

5. den Aufbau einer kritischen, unabhängigen und pluralen Medienlandschaft in
Myanmar über Institutionen wie die Deutsche Welle auch weiterhin zu unter-
stützen und zu prüfen, ob das bereits existierende Engagement weiter ausge-
baut werden kann;

6. sich international für eine tragfähige Geberabstimmung im Land einzusetzen
und in enger Zusammenarbeit mit der EU und den Partnerinnen und Partnern
in Myanmar eine neue entwicklungspolitische Strategie für das Land vorzu-
legen, die darauf abzielt,

– einen nachhaltigen Entwicklungspfad und eine nachhaltige Wirtschafts-
entwicklung vor Ort zu fördern, von der alle Bevölkerungsschichten pro-
fitieren;

– Myanmar dabei zu unterstützen, den Rohstoffsektor nachhaltig zu entwi-
ckeln, in dem der Rohstoffreichtum durch entsprechende Vertragsausge-
staltung, den Aufbau von Wertschöpfung vor Ort und die Verankerung
substanzieller Standards für die Entwicklungsinteressen des Landes ge-
nutzt wird;

– den Ausbau des Rechtssystems in Myanmar zu unterstützen, um beispiels-
weise Rohstoffausbeutung ohne starke ökologische, soziale und men-
schenrechtliche Standards oder „land grabbing“ zu verhindern;

– durch den Transfer von Know-how und Capacity Development entwick-
lungsförderliche Strukturen im Land zu unterstützen;

– die bisherigen Zusagen bei positivem Verlauf des weiteren Reformprozes-
ses zu erhöhen;

7. in Regierungsverhandlungen die Bekämpfung der Korruption zu einem
Schwerpunkt der Gespräche zu machen.

Berlin, den 29. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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