BT-Drucksache 17/9673

Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen für Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens Berlin Brandenburg

Vom 14. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9673
17. Wahlperiode 14. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Ralph Lenkert, Stefan Liebich, Kornelia
Möller, Wolfgang Neskovic, Thomas Nord, Ingrid Remmers, Kersten Steinke,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen für Anwohnerinnen und Anwohner
des Flughafens Berlin Brandenburg

Der neue Flughafen Berlin Brandenburg (BER) steht vor seiner Eröffnung.
Diese sollte ursprünglich am 3. Juni 2012 erfolgen, wurde aber am 8. Mai 2012
auf voraussichtlich Ende August 2012 verschoben – nach offiziellen Angaben
aus Brandschutzgründen. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum
Flughafenneubau wurde unter Punkt 5.1 der Nebenbestimmungen „Auflagen
zur Vermeidung und Minderung des Fluglärms“ u. a. Folgendes geregelt: „Für
Wohnräume, Büroräume, Praxisräume und sonstige nicht nur vorübergehend be-
trieblich genutzte Räume in der Umgebung des Flughafens sind geeignete
Schallschutzvorrichtungen vorzusehen. Die Vorrichtungen haben zu gewähr-
leisten, dass durch die An- und Abflüge am Flughafen im Rauminnern bei ge-
schlossenen Fenstern keine höheren Maximalpegel als 55 Dezibel (dB(A)) auf-
treten. Innerhalb des Tagschutzgebietes haben die Träger des Vorhabens auf
Antrag des Eigentümers eines Grundstücks, das am 15. 05. 2000 bebaut oder be-
baubar war, für geeignete Schallschutzvorrichtungen an den Räumen Sorge zu
tragen.“ Ähnliche und weitergehende Regelungen wurden unter Punkt 5.1.3
auch für die Nachtschutzgebiete getroffen.

Nach gleichlauteten Berichten der „Märkischen Allgemeinen“ (www.maerkische
allgemeine.de/cms/beitrag/12308665/2242247/Ministerium-Flughafen-Eroeffnung-
wird-nicht-verschoben-Antrag-von.html) sowie des „Rundfunks Berlin-Branden-
burg rbb“ (www.rbb-online.de/nachrichten/wirtschaft/2012_4/Umzug_zum_neuen_
Flughafen_BER_beginnt.html) ist diesen Anforderungen bisher nicht umfas-
send Rechnung getragen worden, was zu massiven Protesten der Anwohnerin-
nen und Anwohner führt.

Zudem haben die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB)/Berliner Flug-
hafen-Gesellschaft mbH (BFG) bei der Berechnung der den Betroffenen in der
Tag-Lärmschutzzone zustehenden Lärmschutzmaßnahmen die Annahme zu
Grunde gelegt, dass es in Innenräumen täglich sechs Mal lauter als 55 dB(A)
werden darf. Dies ist durch den Planfeststellungsbeschluss aber nicht gedeckt.

Darin heißt es, dass dies kein Mal bzw. durchschnittlich weniger als ein Mal
täglich zulässig ist. Die FBB hat am 19. April 2012 beim Ministerium für Infra-
struktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg einen Klarstellungsantrag
eingereicht, mit dem die angeblich missverständliche entsprechende Aussage
im Planfeststellungsbeschluss zu Gunsten der FBB geklärt werden soll
(http://preview.berlin-airport.de/de/presse/pressemitteilungen/2012/2012-04-19-
klarstellungsantrag/index.php).

Drucksache 17/9673 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Am 21. April 2012 beschloss der Aufsichtsrat der FBB, sich bei den Lärm-
schutzmaßnahmen bei Deckenhöhen, Raumgrößen etc. großzügiger zu zeigen
und die sogenannte Abgeltungsklausel, durch die Anspruchsberechtigte auf
weitere Ansprüche pauschal verzichten sollten, zu streichen. Für die dadurch er-
forderlichen Lärmschutzmaßnahmen werden über die bislang bewilligten Haus-
haltsmittel in Höhe von 140 Mio. Euro hinaus, weitere Haushaltsmittel in Höhe
von 17 Mio. Euro zur Verfügung gestellt (http://preview.berlin-airport.de/de/
presse/pressemitteilungen/2012/2012-04-20-schallschutz/index.php).

Doch auch diese zusätzlichen Haushaltsmittel reichen bei weitem nicht aus, die
nach Ansicht der Fragesteller fehlerhafte und rechtswidrige Berechnung der den
Betroffenen zustehenden Lärmschutzmaßnahmen auszugleichen.

Elf Anwohnerinnen und Anwohner haben am 27. April 2012 eine Klage vor dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht, mit der die Eröffnung
des BER so lange hinausgezögert werden soll, bis alle Anspruchsberechtigten
den ihnen laut Planfeststellungsbeschluss zustehenden Lärmschutz erhalten ha-
ben („Mehr Geld für den Lärmschutz“, Berliner Zeitung vom 23. April 2012).
Lärm stellt eine erhebliche gesundheitliche Belastung dar und führt zu einer er-
heblichen Minderung der Lebensqualität. Aus diesem Grund haben die Anteils-
eigner des Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ dafür Sorge zu tra-
gen, dass die Anforderungen des Planfeststellungsverfahrens erfüllt werden,
bevor der Flughafen in Betrieb genommen wird. Die Bundesrepublik Deutsch-
land, vertreten durch die Bundesregierung, ist mit einem Anteil von 26 Prozent
Eigner der FBB/BFG und damit Gesellschafter der FBB/BFG. Zwei Staatssek-
retäre, aus dem Bundesministerium der Finanzen und aus dem Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, vertreten als Mitglieder der Bun-
desregierung im Aufsichtsrat der FBB die Interessen des Gesellschafters Bund.
Die folgenden Fragen richten sich unter Verweis auf die Antworten der Bundes-
regierung zu den Fragen 58 und 59 auf der Großen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. „Flughafen Berlin Brandenburg: Flugrouten, Lärmauswirkungen“
(Bundestagsdrucksache 17/8514) an die Bundesregierung, insbesondere in ihrer
Funktion als Gesellschafter der FBB/BFG.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anwohnerinnen und Anwohner haben die Errichtung von Schall-
schutzmaßnahmen beantragt (bitte zwischen Tag- und Nachtschutzzone un-
terscheiden)?

2. Wie viele der beantragten Schallschutzmaßnahmen wurden genehmigt (bitte
zwischen Tag- und Nachtschutz unterscheiden)?

3. Wie viele der Anwohnerinnen und Anwohner in den Tagschutzgebieten ha-
ben nach Kenntnis der Bundesregierung bisher tatsächlich Schallschutzfens-
ter oder sonstige Schallschutzmaßnahmen erhalten (bitte nach Art des Schall-
schutzes differenzieren)?

4. Wie viele der Anwohnerinnen und Anwohner in den Nachtschutzgebieten
haben nach Kenntnis der Bundesregierung bisher tatsächlich Schallschutz-
fenster oder sonstige Schallschutzmaßnahmen erhalten (bitte nach Art des
Schallschutzes differenzieren)?

5. Wie viele Anwohnerinnen und Anwohner haben zwar einen positiven Be-
scheid, aber noch keine Schallschutzvorrichtungen erhalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9673

6. Wie viele der berechtigten Anwohnerinnen und Anwohner werden nach
Kenntnis der Bundesregierung rechtzeitig zur Eröffnung des Flughafens mit
allen notwendigen Schallschutzmaßnahmen ausgestattet sein (bitte zwi-
schen Tag- und Nachtschutzzone unterscheiden und in Prozent und absolut
angeben)?

7. Welche Lärmbelastung ist mit allen vorgesehenen Schallschutzvorrichtun-
gen in den Wohnungen zu erwarten, und wie hoch ist die Lärmbelastung
ohne derlei Maßnahmen (bitte zwischen Tag- und Nachtschutzgebieten
unterscheiden)?

8. Welche Gründe sind ursächlich für den schleppenden Ausbau der Schall-
schutzvorrichtungen?

9. Gibt es Anwohnerinnen und Anwohner, die noch keine Errichtung von
Schallschutzvorrichtungen beantragt haben, obwohl deren Wohnlage einen
berechtigten Anspruch vermuten lässt?

Wenn ja, wie hoch ist der Anteil dieser Anwohnerinnen und Anwohner an
den insgesamt Anspruchsberechtigten (Angaben bitte in Prozent und abso-
lut)?

10. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der am 27. April 2012
von Anwohnerinnen und Anwohnern beim Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg eingereichten Klage nach einer Verschiebung des Eröffnungs-
termins, wenn dem Planfeststellungsbeschluss, nach dem bis zur Inbetrieb-
nahme des Flughafens ein ausreichender Schallschutz für die Anliegerinnen
und Anlieger gewährleistet werden muss, nicht Rechnung getragen werden
kann?

11. Unter welchen Umständen wären die Schutzziele des Lärmschutzkonzeptes
als verfehlt anzusehen?

12. Trifft es zu, dass das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des
Landes Brandenburg als Genehmigungsbehörde rechtliche Anordnungen
gegenüber dem BER treffen kann, wenn die Schutzziele des Lärmschutz-
konzeptes systemtisch verfehlt werden (bitte begründen)?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, welche rechtlichen oder sonstigen Konsequenzen hätte eine
Nichteinhaltung des Lärmschutzkonzeptes?

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die betroffenen Anliege-
rinnen und Anlieger zu entschädigen, falls bis zur Eröffnung des Flughafens
die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen nicht durchgeführt wurden?

14. Unterstützt die Bundesregierung den Klarstellungsantrag der FBB/BFG
vom 19. April 2012 beim Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
des Landes Brandenburg, mit dem die zulässige Zahl an Überschreitungen
durch Einzelschallereignisse von mehr als 55 dB(A) in Innenräumen geklärt
werden soll (bitte begründen)?

15. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass die FBB/
BFG bei der Berechnung der den Betroffenen in der Tag-Lärmschutzzone
zustehenden Lärmschutzmaßnahmen die Annahme zu Grunde gelegt hat,
dass es täglich in Innenräumen sechs Mal lauter als 55 dB(A) werden darf
(bitte begründen)?

16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der geltende Planfeststel-
lungsbeschluss für die Tag-Schutzzone Einzelschallereignisse über 55 dB(A)
in Innenräumen kein Mal oder zumindest weniger als (durchschnittlich) ein
Mal zulässt (bitte begründen)?

Drucksache 17/9673 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Trifft die Aussage der FBB/BFG zu, wonach der „Maximalpegel (…) nach
den Prognosen erst 2015 mehr als einmal überschritten“ wird („Flughafen-
Start Fall fürs Gericht“, Neues Deutschland vom 28. April 2012) (bitte be-
gründen)?

18. Wurden die Lärmschutzzonen nach Festlegung der Flugrouten durch das
Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bereits angepasst?

Wenn ja, wann, und wie erfolgte das?

Wenn nein, warum nicht, und wann wird das geschehen?

19. Wann wird die Überprüfung der Lärmschutzbereiche nach § 4 Absatz 6 des
Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) erfolgen (bitte begrün-
den)?

a) Welche Abweichung gibt es zwischen den Grenzwerten des § 2 FluLärmG
und den im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Grenzwerten?

b) Welche Grenzwerte sind für die Überprüfung der Lärmschutzbereiche
maßgeblich (bitte begründen)?

20. Trifft es zu, dass die Lärmschutzmaßnahmen laut Planfeststellungsbe-
schluss auf der Basis von 240 000 Flugbewegungen im Jahr berechnet wur-
den?

Wenn ja, wann werden diese 240 000 Flugbewegungen jährlich laut den
Prognosen erreicht, und welcher finanzielle Bedarf entsteht durch zusätz-
liche Lärmschutzmaßnahmen, wenn die laut Planfeststellungsbeschluss
maximal zulässige Zahl von 360 000 Flugbewegungen erreicht wird?

Wenn nein, auf Basis wie vieler Flugbewegungen wurden die Lärmschutz-
maßnahmen berechnet?

Berlin, den 14. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.