BT-Drucksache 17/966

Position der Bundesregierung zur Verankerung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung im internationalen Recht

Vom 5. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/966
17. Wahlperiode 05. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Cornelia Behm, Viola von Cramon-Taubadel, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann,
Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Nicole Maisch,
Agnes Malczak, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripur,
Dr. Hermann Ott, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Position der Bundesregierung zur Verankerung des Menschenrechts
auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung im internationalen Recht

Weltweit verfügen circa 17 Prozent der Weltbevölkerung über keinen Zugang zu
sauberem Trinkwasser. Etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung fehlt es an sanitä-
rer Grundversorgung. Besonders gravierend ist die Lage in Subsahara-Afrika
und in Südasien. Insgesamt sterben mehr Menschen an Krankheiten, die auf ver-
schmutztes Wasser und mangelhafte sanitäre Grundversorgung und Hygiene-
maßnahmen zurückzuführen sind, als an Aids oder in Zusammenhang mit be-
waffneten Konflikten. Fortschritte in der weltweiten menschlichen Entwicklung,
der Gesundheit, des Umweltschutzes, der Bildung und der Gleichstellung der
Geschlechter werden durch den fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und
sanitärer Grundversorgung erheblich behindert und konterkariert.

Bislang existiert kein explizites, universell kodifiziertes Menschenrecht auf
sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung (MRWS). In einigen Verträgen der
Vereinten Nationen (VN) wird das Thema aufgegriffen und teilweise aus anderen
kodifizierten Rechten abgeleitet. So fordert das VN-Übereinkommen zur Be-
seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW, Artikel 14) von
Staaten, die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an der ländlichen Ent-
wicklung und dabei auch ihren Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung umzu-
setzen. In der VN-Kinderrechtskonvention (Artikel 24) ist der Zugang zu Trink-
wasser im Rahmen des Rechtes von Kindern auf Gesundheit geregelt. Über die
genannten Verträge der Vereinten Nationen hinaus, gibt es eine Reihe internatio-
naler sowie regionaler Erklärungen und Übereinkommen, in denen Staaten das
Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als Bestandteil
des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard anerkennen.

Der Fachausschuss zum VN-Sozialpakt (Internationaler Pakt über wirtschaftli-
che, soziale und kulturelle Rechte – ICESCR) leitet in seiner Allgemeinen Be-

merkung 15 aus dem Jahr 2002 das Menschenrecht auf Trinkwasser aus den
Rechten auf einen angemessenen Lebensstandard und auf ein Höchstmaß an Ge-
sundheit ab (Artikel 11 und 12 des VN-Sozialpakts). Die Frage sanitärer Grund-
versorgung wurde in der Allgemeinen Bemerkung bewusst ausgeklammert. Als
Interpretation und Konkretisierung staatlicher Verpflichtungen im Bereich des
Zugangs zu sauberem Trinkwasser ist der Allgemeine Kommentar Nr. 15 des
Sozialpakt-Ausschusses ein wichtiger Fortschritt. Eine Anerkennung durch

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Staaten und der Vereinten Nationen als Gesamtorganisation stellt er aber nicht
dar.

Deutschland hat sich bislang gemeinsam mit anderen Staaten für die universelle
Anerkennung eines MRWS eingesetzt. Die Positionierung der neuen Bundes-
regierung hierzu ist noch nicht hinreichend bekannt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Befürwortet die Bundesregierung

a) ein kodifiziertes, eigenständiges Menschenrecht auf sauberes Trinkwas-
ser und Sanitärversorgung (MRWS) auf VN-Ebene oder

b) ein aus anderen Menschenrechten abgeleitetes MRWS auf VN-Ebene,
und

c) wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

2. Wenn die Bundesregierung die Frage 1a befürwortet, wie setzt sich die Bun-
desregierung für die Kodifizierung des MRWS als eigenständiges Recht auf
VN-Ebene ein, und wie ist der Stand der Verhandlungen?

3. Wenn die Bundesregierung die Frage 1b befürwortet, wie setzt sich die
Bundesregierung für die völkerrechtliche Anerkennung eines aus anderen
Rechten abgeleiteten MRWS auf VN-Ebene ein, und wie ist der Stand der
Verhandlungen?

4. Welche zukünftigen Schritte zur weiteren rechtlichen Verankerung des
MRWS plant die Bundesregierung gemeinsam mit anderen Staaten?

5. Welche Staaten unterstützen nach Ansicht der Bundesregierung die völker-
rechtliche Anerkennung des MRWS, und welche Staaten sind gegen eine
solche Anerkennung?

6. Inwieweit hat die sonstige Arbeit der Unabhängigen Expertin der VN,
Catarina de Albuquerque, nach Meinung der Bundesregierung bisher bei der
rechtlichen Verankerung des MRWS geholfen?

7. Wie unterstützt die Bundesregierung die Arbeit der Unabhängigen Expertin,
und welche Ergebnisse konnten bisher erreicht werden?

8. In welchem Zeitraum könnte nach Einschätzung der Bundesregierung eine
Kodifizierung eines eigenständigen MRWS im VN-Sozialpakt erreicht wer-
den?

9. Hält die Bundesregierung eine internationale Fachkonferenz zum Thema
MRWS für sinnvoll, um eine rechtliche Verankerung voranzutreiben, und
wie begründet sie ihre Haltung?

10. Inwiefern fördern die Aktivitäten des Weltwasserforums nach Meinung der
Bundesregierung die Verrechtlichung des MRWS, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Ansicht?

Berlin, den 5. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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