BT-Drucksache 17/965

Einsatz der Bundesmarine gegen Piraten und Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Eindämmung der Piraterie

Vom 5. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/965
17. Wahlperiode 05. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Agnes Malczak, Dr. Frithjof Schmidt,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs, Jerzy Montag, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einsatz der Bundesmarine gegen Piraten und Maßnahmen zur Vermeidung
bzw. Eindämmung der Piraterie

1. Wie entwickelte sich der Umfang des Schiffsverkehrs in den nationalen und
internationalen Gewässern am Golf von Aden und im Indischen Ozean in den
letzten fünf Jahren (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

2. Wie viele Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen
(WFP) sowie von internationalen Hilfsorganisationen (falls nötig bitte auf-
schlüsseln) wurden seit Beginn der Mission Atalanta durch die deutsche
Marine bzw. durch andere Kräfte von Atalanta begleitet bzw. direkt beschützt
(bitte aufschlüsseln nach Schiffsbetreibern und Jahren)?

3. a) Wie viele Schiffe des WFP fuhren in den letzten fünf Jahren nach Somalia,
um die dortige Bevölkerung zu versorgen?

b) Wie viele Menschen wurden durch die Fracht derweil jährlich versorgt?

4. Wie viele Schiffe des WFP mit Hilfe für Somalia wurden vor dem Einsatz der
Bundesmarine von Piraten wann bedroht, angegriffen und aufgebracht und
mit welchem Ergebnis?

5. Wie viele Schiffe des WFP mit Hilfe für Somalia wurden nach Beginn des
Einsatzes der Bundesmarine angegriffen und aufgebracht?

6. Wie viel finanzielle Hilfe hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren
(bitte nach Jahren aufschlüsseln) für das WFP in Somalia geleistet, bzw. wie
hoch ist der Anteil der EU an der Finanzierung des WFP?

7. Wie viele deutsche und europäische Fischfangschiffe fischten in den letzten
fünf Jahren jeweils am Golf von Aden, im Indischen Ozean bzw. in der
„Exclusive Economic Zone“ (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Schiffsherkunft
und Zielregion)?
8. a) Wie viele Fischfangschiffe unterstützte die Bundesmarine – ggf. auch im
Rahmen von Atalanta – in den letzten fünf Jahren dort mit Begleitschutz
(bitte aufschlüsseln nach Jahren und Herkunft der Schiffe)?

b) In wie vielen Fällen erfolgte dies auf Wunsch der Schiffsverantwortlichen?

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9. Wie viele weitere Schiffe unterstützte die Bundesmarine – ggf. auch im Rah-
men von Atalanta – in den letzten fünf Jahren dort mit Begleitschutz (bitte
aufschlüsseln nach Jahren und Herkunft der Schiffe)?

In wie vielen Fällen erfolgte dies auf Wunsch der Schiffsverantwortlichen?

10. a) Wie viele Piraterie-Vorfälle im Jahr 2009 am Golf von Aden bzw. im Indi-
schen Ozean (bitte einzeln aufschlüsseln) sind der Bundesregierung be-
kannt?

b) Wie häufig waren davon jeweils Schiffe mit Hilfslieferungen im Auftrag
internationaler Hilfsorganisationen sowie deutsche bzw. europäische
Schiffe betroffen (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Schiffe: Hilfsschiffe,
Handelsschiffe, Fischfangflotte und Urlaubsschiffe)?

11. a) Inwiefern evaluiert die Bundesregierung die Atalanta-Mission hinsicht-
lich der Eindämmung bzw. Verringerung des Piraterie-Risikos?

b) Inwiefern berücksichtigt sie dabei Erkenntnisse des „International Mari-
time Bureau“ sowie des maritimen Sicherheitszentrums des Operativen
Hauptquartiers Northwood?

c) Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Beitrag der Atalanta-
Mission zur Eindämmung bzw. Verringerung des Piraterie-Risikos, auch
unter dem Gesichtspunkt möglicher Verlagerungseffekte?

12. a) Wie viele mutmaßliche Piraten hat die Bundesmarine im Rahmen der
Mission Atalanta bisher in Gewahrsam genommen?

Welche Nationalitäten hatten sie jeweils (bitte aufschlüsseln)?

b) Wie viele davon wurden an je welche Drittstaaten übergeben?

13. a) Was ist mit den 23 mutmaßlichen Piraten passiert, welche die Bundes-
marine bis 1. Dezember 2009 an Kenia übergab (vgl. Antwort der Bun-
desregierung vom 3. Dezember 2009 auf die Schriftliche Frage 65 des
Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz, Bundestagsdrucksache 17/160)?

b) Wie viele davon wurden inzwischen je

aa) einem Strafverfahren unterzogen,

bb) zu welchen Strafen verurteilt,

cc) einer Strafvollstreckung unterzogen, z. B. Haft,

dd) freigelassen?

c) Was ist der Bundesregierung über das weitere Schicksal der Freigelasse-
nen bekannt?

14. a) Was hat die Bundesregierung unternommen, um zu gewährleisten, dass
diese Personen in Kenia nach rechtstaatlichen Verfahren und unter men-
schenrechtlich einwandfreien Bedingungen behandelt werden?

b) Wie hat die Bundesregierung insbesondere gemäß ihrer Verpflichtung in
Artikel 12 Absatz 2 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP gewähr-
leistet, „dass für niemandem das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeg-
licher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe
oder Behandlung besteht“?

c) Wie hat Kenia seine einzelnen Verpflichtungen aus seinem Briefwechsel
mit der Europäischen Union vom 6. März 2009 (Abl. L 79/49 vom
25.3.2009) seither jeweils eingehalten, und welche ggf. nicht?

d) In wie vielen Fällen kam Kenia etwa seiner Verpflichtung aus Nummer 3
Buchstabe f Nummer 4 des Anhangs jenes Briefwechsels nach, überstell-
ten Personen kostenfreie Verteidiger zu stellen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/965

e) Wie viele überstellte Personen hat Kenia bisher an welche anderen Staa-
ten ausgewiesen bzw. übergeben, und bezüglich wie vieler Personen holte
es die dafür gemäß Nummer 3 des Anhangs zum o. a. Briefwechsel
nötige schriftliche Genehmigung von EUNAVOR /Atalanta vorher ein?

f) Wie hat die Bundesregierung das unter Frage 14c Erfragte bisher über-
prüft, und wie wird sie es künftig überprüfen?

g) Wie viele Strafverfahren gegen Überstellte hat die deutsche Botschaft in
Nairobi bisher an wie vielen Prozesstagen besucht, und wie hat sie am
diesbezüglichen „Monitoring“ teilgenommen (vgl. Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 4 vom 17. April 2009 auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 16/12648)?

h) Wie hat die Bundesregierung gemäß ihrer Ankündigung (a. a. O.) seither
den Deutschen Bundestag über ihre Erkenntnisse und Kontrollen unter-
richtet?

15. Wie lauten entsprechend vorstehenden Fragen 14a bis 14h die Auskünfte
bezüglich Überstellungen von Piraterie-Verdächtigen an die Seychellen und
dazu getroffenen Vereinbarungen?

16. Strebt die Bundesregierung mit weiteren Staaten in der Region Überstel-
lungsabkommen an?

Wenn ja, warum, mit welchen Staaten, und bis wann?

17. a) Was beinhalten im Einzelnen der Operationsplan zur Mission Atalanta
und die Durchführungsregeln dazu gemäß Artikel 5 der Gemeinsamen
Aktion 2008/851/GASP?

b) Mit welchen Inhalten sind letztere seither ggf. durch das Politische und
Sicherheitspolitische Komitee des Rates (PSK) angepasst worden (vgl.
2008/851/GASP, Artikel 6)?

18. a) War die Bundesmarine auch – ggf. inwiefern – beteiligt an präventivem
Vorgehen gegen Piraten, etwa gegen deren Stützpunkte an Land oder
deren als logistische Basis genutzten Mutterschiffe, oder plant sie derlei
(vgl. entsprechende Forderungen etwa vom Abgeordneten Dr. Rainer
Stinner, dpa vom 17. Dezember 2009)?

b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass solches präventive Vorge-
hen durch die Aufgabe zur ortsunabhängigen Ingewahrsamnahme von
Personen (vgl. 2008/851/GASP, Artikel 2 Buchstabe e: „in Gebieten, in
denen sie präsent sind“) oder durch die Aufgabe zur „Durchführung der
erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt zur
Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Hand-
lungen im Einsatzgebiet“ (vgl. 2008/851/GASP, Artikel 2 Buchstabe d)
umfasst wäre?

19. In welchen Formen kooperiert die Bundesmarine jenseits der Koordination
bei Atalanta mit der NATO und der Operation Enduring Freedom gegen
Piraterie oder plant dies?

20. a) Was sind aus Sicht der Bundesregierung die Ursachen der Piraterie am
Horn von Afrika?

b) Was unternahmen Deutschland und die EU jeweils in den letzten zehn
Jahren nichtmilitärisch gegen Ursachen und Auswirkungen von Piraterie
am Horn von Afrika?

21. a) Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der Zu-
nahme von Piraterie-Vorfällen vor der somalischen Küste und der sich
kontinuierlich verschlechternden Bürgerkriegssituation in Somalia?

b) Welche politischen Initiativen für einen regionalen Ansatz zur Ursachen-

bekämpfung hat die Bundesregierung in den letzten Jahren angestoßen?

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22. Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung der Abgeordneten Dorothee
Bär, dass die dortige Piraterie militärisch nicht dauerhaft und effektiv be-
kämpft werden kann (vgl. ebenso: dpa-Meldung vom 17. Dezember 2009)?

23. Welche Schiffe oder Flugzeuge der Bundeswehr wurden seit Beginn der
Operation Atalanta von wann bis wann ausschließlich oder zeitweise einge-
setzt

a) im Auftrag der Operation Atalanta,

b) im Auftrag der Operation Enduring Freedom,

c) im Rahmen der NATO,

d) im nationalen Auftrag?

24. Wann, für wie lange, aus welchem Anlass, und zu wessen Gunsten wurde
seit Beginn der Operation Atalanta das Unterstellungsverhältnis

a) der für die Operation Atalanta vorgesehenen Kräfte

b) der für die Operation Enduring Freedom (OEF) vorgesehenen Kräfte

c) der im NATO-Auftrag im Operationsgebiet von Atalanta/OEF operieren-
den Bundeswehrkräfte

d) der im nationalen Auftrag im Operationsgebiet von Atalanta/OEF operie-
renden Bundeswehrkräfte

geändert?

25. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es aus rechtlicher und poli-
tischer Sicht nicht unerheblich ist, welchem Mandat einzelne Abgeordnete
die Zustimmung erteilen, und welchem nicht?

Wenn ja, wie wird die Bundesregierung gegenüber den Abgeordneten künf-
tig Mandatsklarheit und Mandatswahrheit gewährleisten?

26. Wann wird die Bundesregierung das Nebeneinander verschiedener Missio-
nen im gleichen Operationsgebiet beenden?

27. Wie stellt sich die Bundesregierung die von den EU-Verteidigungsministern
am 24. Februar 2010 beschlossene Ausweitung der EU-Militärmission
„Atalanta“ auf die Häfen, von denen aus Piraten operierten, vor?

Sollen die Häfen von der See aus kontrolliert werden?

Wenn ja, wie?

28. Was versteht die Bundesregierung darunter, dass Mutterschiffe der Piraten
„neutralisiert“ werden sollen?

29. Wie sind Mutterschiffe der Piraten definiert?

30. Wie will die EU sicherstellen, dass die ausgebildeten und ausgestatteten so-
malischen Sicherheitskräfte sich nicht von der somalischen Übergangsregie-
rung abwenden und nicht zu den Milizen der al-Shabaab, Hizbul Islam, ein-
zelnen Klans oder Piraten überlaufen?

Berlin, den 5. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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