BT-Drucksache 17/9507

Umsetzung der Leistungen des bundesweiten Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975"

Vom 30. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9507
17. Wahlperiode 30. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Dörner, Josef Philip Winkler, Ulrich Schneider,
Monika Lazar, Ekin Deligöz, Markus Kurth, Kai Gehring, Britta Haßelmann,
Agnes Krumwiede, Tabea Rößner, Krista Sager und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung der Leistungen des bundesweiten Fonds „Heimerziehung in der
Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“

Auf Beschluss des Deutschen Bundestages hatten Bundesregierung und die
westdeutschen Bundesländer 2009 einen Runden Tisch „Heimerziehung in den
50er und 60er Jahren“ (RTH) eingerichtet. Er befasste sich mit der Aufarbei-
tung der Heimerziehung unter den damaligen rechtlichen, pädagogischen und
sozialen Bedingungen und sollte Hinweise auf an Heimkinder zugefügtes Un-
recht prüfen. Ziel war, neben der Herstellung von Öffentlichkeit für dieses
lange verdrängte Thema, eine wirksame Hilfe und Unterstützung von Opfern in
der Heimerziehung.

In seinem im Dezember 2010 vorgelegten Abschlussbericht empfiehlt der RTH
rehabilitative Maßnahmen für die Betroffenengruppe und finanzielle Maß-
nahmen zugunsten einzelner Betroffener. In einem interfraktionellen Antrag
(Bundestagsdrucksache 17/6143) hat sich der Deutsche Bundestag für die Um-
setzung der Empfehlungen des Runden Tisches ausgesprochen. Zu den Vor-
schlägen gehörte die Schaffung eines Fonds auf Bundesebene zur Gewährung
von Leistungen an ehemalige Heimkinder. Der Deutsche Bundestag hat in dem
Antrag unter anderem seinen Willen bekundet, dass finanzielle Maßnahmen zu-
gunsten einzelner Betroffener ohne Anrechnung auf Renten und Transferleis-
tungen zu gewähren sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen der öffentlichen Kommunikation plant die Bundes-
regierung, um die Leistungen des bundesweiten Fonds als Angebot an ehe-
malige Heimkinder öffentlich wahrnehmbar zu machen?

2. Von welchen Überlegungen hat sich die Bundesregierung leiten lassen, wie
diese besondere Gruppe ehemaliger Heimkinder sinnvoll angesprochen und
erreicht werden kann?
3. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen,
dass die finanziellen Maßnahmen (beispielsweise Zahlungen aus dem Fonds)
nicht auf Renten und Transferleistungen angerechnet werden?

4. Inwiefern ist sichergestellt, dass Entschädigungszahlungen aus dem Fonds
gemäß § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht auf Leis-
tungen nach diesem Buch des Sozialgesetzbuches angerechnet werden?

Drucksache 17/9507 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Zu welchen Ergebnissen führten die Gespräche zwischen dem Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und den
Kommunen über das Anliegen, Kürzungen der Fondsleistungen auf Grund
von Anrechnungen auszuschließen, und falls diese Gespräche ergebnislos
blieben, wann ist mit der Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs zu
rechnen, wie der Pressereferent des BMFSFJ H. S. dem Bielefelder „WEST-
FALEN-BLATT“ Ende Februar 2012 mitteilte?

Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, inwiefern in einzelnen Bundes-
ländern Betroffene derzeit wegen der unklaren Rechtslage keine Anträge
stellen können bzw. die Bearbeitung der Anträge ausgesetzt wurde?

6. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis davon, in welchen Bundeslän-
dern untergesetzliche Regelungen bzw. Vereinbarungen getroffen wurden,
die die Nichtanrechnung von Fondszahlungen auf Renten und Transferleis-
tungen festlegen und so den Betroffenen den Erhalt der Leistungen ohne
Gegenrechnung ermöglichen?

7. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie viele Betroffene
seit Beginn des Jahres Anträge auf Fondsleistungen gestellt haben?

8. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass die Betroffenen in der
Glaubhaftmachung ihrer vorgetragenen Heimerfahrungen (z. B. Verpflich-
tung zur Erklärung der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht) zu
einem hochschwelligen anspruchsverhindernden Beweisantritt aufgefor-
dert werden, der vom RTH und vom Deutschen Bundestag nicht gewollt
war?

9. Inwieweit sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, die dazu geführt
haben, dass die so genannte Verzichtserklärung nunmehr – wie auch beim
Fonds Heimerziehung Ost – fallengelassen worden ist?

10. Innerhalb welches Zeitrahmens werden diese eingegangenen Anträge be-
arbeitet und beschieden (bitte in Tagen angeben)?

11. Ist bei dem Rentenersatzfonds sichergestellt, dass auch diejenigen ehemali-
gen Heimkinder Ersatzleistungen erhalten, die als Kinder (jünger als 14 Jahre
und deshalb nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt) erzwungene
Arbeit leisten mussten?

12. Nach welchen Kriterien werden Leistungen aus dem Fonds an betroffene
ehemalige Heimkinder erbracht und inwiefern wird sichergestellt, dass bei
Leistungen das Sachleistungsprinzip insoweit nachrangig behandelt wird,
als – wie im geltenden Sozialrecht – die anspruchsberechtigten Betroffenen
durch Auszahlungen von Geldleistungen in ihre Hände selbst über die
Hilferealisierung bestimmen dürfen?

13. Inwieweit wird (auch) durch die Bundesregierung sicher gestellt, dass die
Betroffenen im Alter nicht durch einen Pflegebedarf (schon) der Stufe 1
wieder in unzumutbare stationäre Heimversorgungen gelangen, die sie
retraumatisieren könnten?

14. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung – rechtlich, materiell, informa-
torisch und praktisch – die Suche nach Akten und eine Akteneinsicht durch
ehemalige Heimkinder, die schutzwürdiges Interesse an der weiteren Auf-
bewahrung von Akten sowie deren Einsicht haben, da sie ein verfassungs-
rechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis über ihre Vergangenheit haben
und diese Akten als Voraussetzung der Leistungsgewährung entscheidend
sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9507

15. Inwieweit ist geplant, die Akteneinsicht, das Kopieren der Akten und die
Übergabe durch die regionalen Anlauf- und Beratungsstellen zu organisie-
ren, und gibt es zwischen Fonds und Anlaufstellen Kooperationsvereinba-
rungen?

Berlin, den 30. April 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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