BT-Drucksache 17/9399

Verantwortung für die entwicklungspolitische Dimension der EU-Fischereipolitik übernehmen

Vom 25. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9399
17. Wahlperiode 25. 04. 2012

Antrag
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Cornelia Behm, Ute Koczy, Uwe Kekeritz,
Dr. Valerie Wilms, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Agnes Brugger,
Viola von Cramon-Taubadel, Katja Keul, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof
Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verantwortung für die entwicklungspolitische Dimension der EU-Fischereipolitik
übernehmen

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Fischfang ist in vielen Entwicklungsländern von zentraler Bedeutung für Er-
nährungssicherheit, Beschäftigung und Einkommen. Mehr als 500 Millionen
Menschen, die Hälfte davon Frauen, bestreiten ihren Lebensunterhalt von den
Einnahmen aus dem Fischereisektor: beim Fischfang, in der Fischverarbeitung,
im Verkauf, im Transport des Fisches zu den Märkten sowie im Bootsbau.
Fischprodukte sind für viele Entwicklungsländer die wichtigste Exporteinnah-
mequelle. Aber vor allem für die Ernährungssicherung spielt Fisch eine zen-
trale Rolle: Für mehr als eine Milliarde Menschen ist er die mit Abstand wich-
tigste tierische Proteinquelle. Vor allem die Ärmsten der Armen sind von Fisch
als Eiweißlieferant abhängig. Eine kohärente Hunger- und Armutsbekämp-
fungsstrategie muss daher der herausgehobenen Bedeutung des Fischereisek-
tors Rechnung tragen.

Als weltgrößter Importmarkt für Fisch und Fischprodukte hat die EU eine be-
sondere Verantwortung in der globalen Fischerei. Ihre Gemeinsame Fischerei-
politik (GFP) und auch die EU-Handelspolitik haben direkte Auswirkungen auf
den Fischereisektor in Entwicklungsländern. Aufgrund des steigenden Fisch-
konsums und der Überfischung der EU-Gewässer stammt mittlerweile jeder
zweite in der EU konsumierte Fisch aus außereuropäischen Fanggründen. Fast
die Hälfte der EU-Fischimporte stammt aus Entwicklungsländern; in Deutsch-
land ist es etwa ein Drittel.

Der Rückgang der heimischen Fischbestände hat die EU schon vor 30 Jahren be-
wogen, der europäischen Fischindustrie zu neuen Fanggründen vor den Küsten
von Entwicklungsländern in Afrika und im Pazifik zu verhelfen. Damit werden
bis heute Überkapazitäten der EU-Fangflotten ausgelastet, die ansonsten aus

ökonomischen Gründen abgebaut würden. Nach dem UN-Seerechtsüberein-
kommen UNCLOS (United Nations Convention on the Law of the Sea) darf die
EU aber nur Fangrechte von Drittländern mit „überschüssigen“ Fischbeständen
aushandeln, die diese Länder selbst nicht ausreichend befischen können oder
wollen, mit der Einschränkung in den Artikeln 63 und 64 (UNCLOS) und dem
Zusatzabkommen über „weit wandernde Fischarten“, welches beinhaltet, dass
bei migratorischen Zielarten die Definition eines „Überschusses“ nur auf der

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Grundlage einer Berücksichtigung der Fischereiaktivitäten aller die Bestände
nutzenden Staaten erfolgen sollte. In der Praxis sind diese Überschüsse aber nur
noch eingeschränkt vorhanden. Trotzdem fischt die hochsubventionierte EU-
Fangflotte ohne substantiell überprüfbare Fangbeschränkungen vor der Küste
Westafrikas. Ein europäischer Supertrawler fängt dabei so viel Fisch pro Tag wie
dutzende afrikanische Kleinfischerboote in einem ganzen Jahr. Der gefangene
Fisch wird oft schon an Bord der großen Fabrikschiffe verarbeitet und tiefgefro-
ren, wodurch eine Wertschöpfung durch das fischverarbeitende Gewerbe in den
Partnerländern kaum noch möglich ist. Hinzu kommt, dass der Fischereisektor
in Afrika durchsetzt ist mit Korruption und mafiösen Strukturen, die von euro-
päischen und asiatischen Unternehmen genutzt werden, um sich Vorteile zu ver-
schaffen.

Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Überfischung sind dabei ebenso
katastrophal wie die ökologischen. So wurden zum Beispiel vor der Küste
Somalias die Bestände durch europäische und asiatische Trawler derart dezi-
miert, dass die Lebensgrundlage der somalischen Kleinfischer vernichtet
wurde. Die jahrzehntelange unregulierte und oft illegale Ausbeutung der Mee-
resressourcen vor den Küsten Afrikas durch fremde Fischfangflotten hat zur
Verarmung vieler Küstenbewohner beigetragen. und eine vielschichtige Basis
für Migration und kriminelle Aktivitäten gelegt. Viele mittellos gewordene
Fischer sind den Weg der Piraterie gegangen und bedrohen heute den interna-
tionalen Schiffsverkehr am Horn von Afrika und vor der westafrikanischen
Küste. Die Folgen der Überfischung sind damit auch von sicherheitspolitischer
Relevanz.

Bereits bei der letzten Reform der GFP im Jahr 2002 hat die EU erkannt, dass
ihre Fangflotte ein Teil des Problems der Überfischung in den Gewässern vor
Entwicklungsländern ist und versucht, ihre Fischereiabkommen entwicklungs-
freundlicher zu gestalten. Dass dies nicht gelungen ist und sich die EU-Fischerei-
abkommen bisher „nicht wesentlich auf die Armutsbekämpfung und die Ver-
wirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele ausgewirkt“ haben, wurde von
der Kommission im aktuellen Grünbuch zugegeben.

Es ist daher zu begrüßen, dass die Europäische Kommission bei der aktuellen
Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik erstmals ein eigenes Kapitel zur
externen Dimension der EU-Fischereiaktivitäten in ihren Legislativvorschlag
integriert hat.

Die Befischung der Gewässer von Drittstaaten durch EU-Fangschiffe im Rah-
men der EU-Fischereiabkommen soll zukünftig an Nachhaltigkeitsprinzipien
ausgerichtet werden. Einige der langjährigen Forderungen von lokalen Klein-
fischerverbänden und Nichtregierungsorganisationen sollen endlich verpflich-
tend werden. So zum Beispiel die Forderung, dass die EU über alle Fischerei-
abkommen eines Partnerlandes informiert sein muss, bevor sie selbst über
etwaige Überschüsse verhandelt. Neue Protokolle im Rahmen der Abkommen
sollen laut Kommissionsvorschlag nur noch auf der Grundlage gesicherter wis-
senschaftlicher Daten über den Zustand der Bestände verhandelt werden. Ange-
sichts der Tatsache, dass es bisher kaum belastbare Daten über den Zustand der
Fischbestände in den Gewässern von Entwicklungsländern gibt und entspre-
chende Informationen jahrelanger Forschung bedürfen, stellt sich allerdings die
Frage, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die EU in nächster Zeit über
etwaige Überschüsse verhandeln will. Schätzungen der Ernährungs- und Land-
wirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) legen nahe, dass viele
der kommerziell befischten Bestände in den Gewässern vor der westafrikani-
schen Küste bereits voll ausgeschöpft oder überfischt sind. Vor diesem Hinter-
grund müssten die Fangquoten im Rahmen der Fischereiabkommen, vor allem
bei den beiden gemischten Abkommen (Fang mehrerer Zielarten) mit Maure-

tanien und Guinea Bissau, deutlich reduziert oder gegebenenfalls die Fischerei-
aktivitäten der EU eingestellt werden.

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Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine ökologische und sozialverträg-
liche Ausgestaltung der externen Dimension der GFP ist es, in allen Entschei-
dungen kohärent zu den entwicklungspolitischen Zielsetzungen der EU zu sein.
Bislang ist dieses Gebot aber nicht einmal in den Zielbestimmungen der exter-
nen Dimension des Legislativvorschlags erwähnt. Außerdem fehlt dort ein
klares Bekenntnis zum Schutz grundlegender Menschenrechte. Insbesondere
das Recht auf angemessene Ernährung muss als Maßstab für alle Aktivitäten von
EU-Fangschiffen in den Küstengewässern von Entwicklungsländern konkret
benannt werden.

EU-Fischereiabkommen müssen darüber hinaus im Einklang mit internatio-
nalem Recht stehen. Abkommen wie das Ende Februar 2012 ausgelaufene
Fischereiabkommen der EU mit Marokko, welches Fischbestände vor der von
Marokko völkerrechtswidrig besetzten Westsahara mit einschließt, sind inak-
zeptabel. Das EU-Parlament hatte im Dezember 2011 zu Recht sein Veto gegen
eine Verlängerung des Fischereiabkommens mit Marokko eingelegt.

Eine Reform der offiziellen Fischereiabkommen allein reicht aber nicht aus, um
die vielfältigen Fischereibeziehungen von EU-Akteuren mit Entwicklungs-
ländern auf eine nachhaltige Grundlage zu stellen. Nur die Hälfte der rund
800 Fangschiffe unter den Flaggen von EU-Mitgliedstaaten fischt im Rahmen
der derzeit elf Fischereipartnerschaftsabkommen (FPAs) mit Entwicklungslän-
dern. Die andere Hälfte agiert unter intransparenten privaten Vereinbarungen
über den Zugang zu Fischgründen. Darüber hinaus fischen schätzungsweise
300 Schiffe mit EU-Kapitalanteilen unter der Flagge von Drittstaaten, zum Bei-
spiel im Rahmen von Joint Ventures, oder werden nach der Ausschöpfung der
unter den FPAs vereinbarten Fangmöglichkeiten einfach „umgeflaggt“. Die
Reduzierung der Fangquoten unter den zukünftigen nachhaltigen Fischerei-
abkommen wird den Anreiz, außerhalb der Abkommen auf Fangfahrt zu gehen,
zusätzlich erhöhen.

Damit private Vereinbarungen und Investitionen das Ziel einer nachhaltigen
EU-Fischereipolitik nicht untergraben, müssen Informationen über Zahlungs-
flüsse und Fangmengen sowohl in der EU als auch in Entwicklungsländern
öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Erfahrungen aus der Verordnung
zur Verhinderung der illegalen Fischerei (IUU-Fischerei) könnten helfen, mehr
Transparenz in den Fischereiaktivitäten europäischer Unternehmen in Entwick-
lungsländern zu schaffen.

Langfristig sollten nachhaltige Fischereiabkommen, die diesen Namen verdie-
nen, die alleinige Grundlage für alle Fischereiaktivitäten von EU-Akteuren in
Entwicklungsländern sein. Sie sollten daher auch Ländern angeboten werden,
die bisher keine Vereinbarungen mit der EU haben, insbesondere dann, wenn
Fangschiffe mit europäischen (Teil-)Eignern unter anderen Rechtsformen (pri-
vate Lizenzen, Joint Ventures) in ihren Gewässern fischen. Die Abkommen
müssen dafür auch zukünftig Ausschließlichkeitsklauseln enthalten, die EU-
Schiffe daran hindern, außerhalb des Regelungsrahmens des bestehenden Ab-
kommens zu fischen. Da die Fähigkeiten der Entwicklungsländer, ihre Fisch-
gründe eigenständig zu bewirtschaften und zu kontrollieren, eingeschränkt
sind, sollte die EU diese Länder weiterhin beim Aufbau ihres Fischereisektors
einschließlich von effektiven Überwachungsmechanismen unterstützen. Vor
allem die handwerkliche Fischerei und ihr Beitrag zur nachhaltigen Nutzung
der marinen Ressourcen sollte gefördert werden. Die EU-Unterstützung darf
dabei nicht abhängig vom Zugangsrecht der EU-Fischflotten zu den Fischgrün-
den der Partnerländer sein. Die bisherige Koppelung von Zugangsrechten und
Entwicklungsgeldern verschleiert die eigentliche Interessenlage und konter-
kariert den Aufbau der Fischereikapazitäten in den Partnerländern.
Sowohl in der Kommissionsmitteilung als auch in den Ratsschlussfolgerungen
zur externen Dimension der GFP sind bereits einige der genannten Reforman-

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sätze aufgeführt. Wichtige Forderungen, vor allem in Bezug auf stärkere Trans-
parenz und Kontrolle privater Abkommen sowie zum Handel mit Fischerei-
und Aquakulturerzeugnissen, wie sie im Berichtsentwurf des Europäischen
Parlaments (Lövin-Bericht) enthalten sind, fehlen aber. Die Bundesregierung
muss sich in den weiteren Verhandlungen dafür einsetzten, dass die Empfehlun-
gen des Lövin-Berichts berücksichtigt werden und sich wesentliche Reform-
ansätze auch tatsächlich in der reformierten Grundverordnung der GFP wieder-
spiegeln.

Um das Ziel einer sozial und ökologisch nachhaltigen Fischerei weltweit zu er-
reichen, muss die EU ihr politisches Gewicht auch international stärker dafür
einsetzen, dass sich alle Nutzer mariner Ressourcen an verbindlich festgelegte
Regeln halten. Die anstehende UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung
(Rio+20) bietet dafür ein wichtiges Forum.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Fische-
reipolitik dafür einzusetzen, dass auch alle EU-Fischereiaktivitäten in Dritt-
ländern und in internationalen Gewässern hin zu einer ökologisch, sozial
und menschenrechtlich verträglichen Fischerei reformiert werden und im
Einklang mit den entwicklungspolitischen Zielen der EU stehen;

2. sich konkret dafür einzusetzen, dass

– die im Legislativvorschlag enthaltenen Bestimmungen zur wissenschaft-
lichen Bestandsaufnahme und zum Informationsaustausch zwischen der
EU und den Entwicklungsländern über den Gesamtfischereiaufwand für
die betroffenen Bestände verbindlich werden;

– ein Kohärenzgebot in Bezug auf die entwicklungspolitischen Ziele der
EU (gemäß Artikel 208 AEUV) in die Zielbestimmungen des Kapitels
über die externe Dimension der Grundverordnung aufgenommen wird;

– die Grundverordnung einen Passus enthält, der den Schutz grundlegender
Menschenrechte und insbesondere das Recht auf angemessene Ernährung
als Grundlage für EU-Fischereiabkommen mit Partnerländern festschreibt;

– Ausschließlichkeitsklauseln in allen Fischereiabkommen beibehalten
werden und standardmäßig in allen zukünftigen nachhaltigen Fischerei-
abkommen enthalten sind;

– die finanzielle Unterstützung des Fischereisektors in Partnerländern von
allen Zahlungen für Fischereizugangsrechte entkoppelt wird;

– die EU-Reeder einen wesentlichen Anteil an den Kosten des Zugangs zu
Fremdgewässern selbst zahlen;

– Kleinfischerverbände und andere Teile der Zivilgesellschaft in den Part-
nerländern auf allen Ebenen der Verhandlungen und des Monitorings der
Protokolle von EU-Fischereiabkommen mit einbezogen werden;

– die neuen freiwilligen FAO-Leitlinien zum verantwortungsvollen Um-
gang mit Landrechten, Fischgründen und Wäldern, insbesondere ihre
Vorgaben zu Transparenz, Partizipation der Zivilgesellschaft und zur Fol-
genabschätzung der Ressourcennutzung auf die Ernährungssicherheit,
von der EU im Hinblick auf die Zugangsrechte zu Fischgründen in Ent-
wicklungsländern umgesetzt und die Umsetzung überwacht werden;

– die freiwilligen FAO-Leitlinien zum verantwortungsvollen Umgang mit
Landrechten, Fischgründen und Wäldern zu diesem Zweck in die Geset-

zesbezüge der Grundverordnung der GFP aufgenommen werden;

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3. sich darüber hinaus dafür einzusetzen, dass

– EU-Fischereiabkommen mit Entwicklungsländern und ihre Umsetzung
konsequent auf ihre ökologische und soziale Verträglichkeit überprüft
und ggf. ausgesetzt werden, wenn sie ökologischen, sozialen und Men-
schenrechtskriterien, insbesondere dem Recht auf angemessene Ernäh-
rung, nicht entsprechen;

– unabhängige jährliche Evaluierungsberichte über die Umsetzung der
Bestimmungen aus den Fischereiabkommen und über die Verwendung
der Entwicklungsgelder zum Aufbau des lokalen Fischereisektors als
Entscheidungsgrundlage für die Neuverhandlung der Protokolle von EU-
Fischereiabkommen dienen und öffentlich zugänglich sind;

– nachhaltige Fischereiabkommen auch Ländern angeboten werden, die
bisher keine Abkommen mit der EU haben, insbesondere wenn Fang-
schiffe mit europäischen (Teil-)Eignern unter anderen Rechtsformen
(private Lizenzen, Joint Ventures) in ihren Gewässern fischen;

– Kapazitäten für wissenschaftliche Untersuchungen über den Zustand der
Fischbestände vor den Küsten von Entwicklungsländern sowohl inner-
halb der EU als auch in den Partnerländern gestärkt werden;

– eine Überschussfeststellung bei migratorischen Zielarten, als Vorausset-
zung für Abkommen, nur unter Einbeziehung der Staaten getroffen wird,
die ebenfalls die gleichen Bestände befischen;

– bei der Neuverhandlung des Protokolls für das Fischereiabkommen mit
Marokko die Befischung der Gewässer der von Marokko völkerrechts-
widrig besetzten Westsahara ausdrücklich ausgenommen wird;

– alle EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik
ihren Verpflichtungen als Flaggen- oder Hafenstaaten nachkommen und
die Umsetzung der Bestimmungen der GFP durch ihre Fangschiffe auch
in Fremdgewässern und auf hoher See kontrollieren;

– Maßnahmen entwickelt werden, mit denen die Aktivitäten aller EU-
Fischereifahrzeuge in Fremdgewässern und auf Hoher See besser kontrol-
liert werden können, u. a. durch die Erhebung und Veröffentlichung von
Daten über Fangmengen und Kompensationszahlungen und Kriterien, die
ein missbräuchliches „Umflaggen“ von Fangschiffen verhindern;

– die Fischerei als „Rohstoffwirtschaft“ in die EU Transparenz-Richtlinie
(Richtlinie 2004/109/EG) aufgenommen wird;

– Entwicklungsländer sowohl technisch als auch finanziell dabei unter-
stützt werden, eine effektive Kontrolle über ihre Küstengebiete wahrneh-
men zu können;

– die Erfahrungen mit den verabschiedeten Verordnungen zur Bekämpfung
der illegalen, unregulierten und ungemeldeten (IUU-)Fischerei und zur
Harmonisierung der Kontroll- und Sanktionsvorschriften für Verstöße ge-
gen die Vorgaben der EU-Fischereipolitik ausgewertet und dementspre-
chende ergänzende Maßnahmen beschlossen werden;

– sich die EU auch international auf bi- und multilateraler Ebene für Kon-
troll- und Sanktionsmaßnahmen einsetzt, um gegen die IUU-Fischerei
vorzugehen;

– mehr Mittel für den Aufbau einer ökologisch und sozial nachhaltigen
handwerklichen Fischerei in Entwicklungsländern und insbesondere für
die Unterstützung der in der Fischverarbeitung tätigen und mit Fisch han-

delnden Frauen bereitgestellt werden;

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– die EU den Aufbau nationaler Wertschöpfungsketten im Fischereisektor
der Partnerländer und einen fairen Wettbewerb auf den Exportmärkten
fördert;

– unter Berücksichtigung der Verarbeitungskapazitäten in den Partnerlän-
dern in allen Fischereiabkommen für einen signifikanten Teil der Fang-
menge ein Anlandegebot für alle in den Gewässern der Partnerländer
agierenden EU-Fangschiffe festgelegt wird, damit ein erheblicher Teil
der Wertschöpfung in den Entwicklungsländern erfolgt;

– die Handels- und Investitionsbestimmungen in den derzeit mit den AKP-
Staaten verhandelten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und innerhalb
der Welthandelsorganisation den Aufbau eines sozial und ökologisch
nachhaltigen Fischereisektors in Entwicklungsländern nicht konterkarie-
ren;

– die Subventionen für die EU-Hochseeflotte signifikant reduziert und ein
Mindeststeuersatz für die Energiesteuer für Schiffsdiesel eingeführt wird;

– der Prozess der freiwilligen FAO-Leitlinien zum Schutz der handwerk-
lichen Fischerei, vor allem die Vorschläge zum präferenziellen Zugang
der artisanalen Fischerei zu den ihnen vorbehaltenen Zonen vor den
Küsten, weiter befördert wird, zur Umsetzung und zum Monitoring der
Leitlinien auf EU-Ebene beizutragen und deren Bestimmungen nach Be-
schlussfassung in die bestehenden Fischereiabkommen integriert werden;

– die in der Reform der GFP vorgeschlagene Förderung der Aquakultur in
der EU mit ihrem enormen Bedarf an Fischmehl nicht zu Lasten der klei-
nen pelagischen Fischarten vor den Küsten von Entwicklungsländern
geht, die für die regionale Ernährungssicherheit wichtig sind;

– die EU ihre Thunfischquoten im Rahmen ihrer Fischereiabkommen und
innerhalb der regionalen Fischereiorganisationen reduziert, um den Auf-
bau einer nachhaltigen Thunfischerei in Entwicklungsländern zu ermög-
lichen;

– die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Millenniums-Ent-
wicklungszielen (2010/2037 (INI)) unterstützt wird und insbesondere die
darin enthaltenen Forderungen zur Fischereipolitik (Abschnitt II Num-
mer 21 und 24) umgesetzt werden;

– die EU ihr politisches Gewicht in den regionalen Fischereiorganisationen
einsetzt, um einheitliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Fische-
rei in internationalen Gewässern zu entwickeln;

– auf der anstehenden Rio+20-Konferenz ein Prozess zur Neuformulierung
detaillierter Regeln für eine ökologisch und sozial nachhaltige Fischerei
im Rahmen von UNCLOS angestoßen wird und die Einrichtung von
Meeresschutzgebieten auf der Hohen See und in den Ausschließlichen
Wirtschaftszonen der Vertragsstaaten vorangebracht wird.

Berlin, den 24. April 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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