BT-Drucksache 17/9387

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Stärkung der Rechte kommunaler Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren (Änderung § 69 Absatz 5, § 70 GO-BT)

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9387
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

hier: Stärkung der Rechte kommunaler Spitzenverbände im
Gesetzgebungsverfahren (Änderung § 69 Absatz 5, § 70 GO-BT)

A. Problem

Der geltende § 69 Absatz 5 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages (GO-BT) sieht vor, dass den auf Bundesebene bestehenden kom-
munalen Spitzenverbänden vor der Beschlussfassung im Ausschuss Gelegen-
heit zur Stellungnahme gegeben werden soll, wenn der Ausschuss eine ihm
überwiesene Vorlage berät, durch die wesentliche Belange von Gemeinden und
Gemeindeverbänden berührt werden. Im Gegensatz dazu sieht die Gemeinsame
Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) eine Beteiligung der kommu-
nalen Spitzenverbände zwingend vor, wenn deren Belange berührt sind. Um die
besondere Position der kommunalen Spitzenverbände, die im Unterschied zu
anderen Interessenverbänden als Vertreter von Gemeinwohlbelangen angesehen
werden, stärker zum Ausdruck zu bringen, ist eine entsprechende Änderung des
§ 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT notwendig.

Eine spezielle Regelung über die Teilnahme der kommunalen Spitzenverbände
an öffentlichen Anhörungssitzungen (§ 70 GO-BT) ist in der Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages, anders als in der Gemeinsamen Geschäftsordnung
der Bundesministerien, ebenfalls nicht enthalten. Auch hier ist eine entspre-
chende Ergänzung des § 70 GO-BT sachgerecht.

B. Lösung

§ 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT wird von einer „Soll-“ in eine „Ist-Vorschrift“
geändert. Den kommunalen Spitzenverbänden muss nunmehr Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben werden, wenn der Ausschuss federführend Gesetz-
entwürfe berät, durch die deren wesentliche Belange berührt werden.

Daneben wird in § 70 Absatz 4 (neu) GO-BT geregelt, dass den kommunalen
Spitzenverbänden Gelegenheit zur Teilnahme an einer öffentlichen Anhörung

zu entsprechenden Gesetzentwürfen zu geben ist. Hierbei soll allerdings eine
Anrechnung der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände nach § 70
Absatz 2 Satz 2 GO-BT auf die jeweiligen Fraktionskontingente unterbleiben.

Einstimmigkeit im Ausschuss.

Drucksache 17/9387 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Zusätzlich Streichung von § 69 Absatz 5 Satz 3 GO-BT, wonach von einer
Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände abgesehen werden kann,
wenn bei Regierungsvorlagen aus der Begründung der Vorlage die Auffassun-
gen der kommunalen Spitzenverbände ersichtlich sind.

D. Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9387

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 2. Juli 1980 (BGBl. I
S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 24. November 2011
(BGBl. I S. 2454), wird wie folgt geändert:

1. § 69 Absatz 5 Satz 1 und 2 wird wie folgt geändert:

„Berät der Ausschuss einen ihm federführend überwiesenen Gesetzentwurf,
durch den wesentliche Belange von Gemeinden und Gemeindeverbänden
berührt werden, ist den auf Bundesebene bestehenden kommunalen Spitzen-
verbänden vor Beschlussfassung im Ausschuss Gelegenheit zur Stellung-
nahme zu geben. Wesentliche Belange im Sinne des Satzes 1 werden durch
Gesetze berührt, die ganz oder teilweise von den Gemeinden oder Gemein-
deverbänden auszuführen sind, ihre öffentlichen Finanzen unmittelbar be-
treffen oder auf ihre Verwaltungsorganisation einwirken.“

2. § 70 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:

„(4) Betrifft die Anhörung durch den federführenden Ausschuss
Gesetzentwürfe gemäß § 69 Absatz 5 Satz 1, ist den auf Bundesebene
bestehenden kommunalen Spitzenverbänden Gelegenheit zur Teilnahme
an der Anhörung zu geben, wobei eine Anrechnung nach Absatz 2 Satz 2
unterbleibt. § 69 Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.“

b) Im bisherigen Absatz 7 werden die Wörter „Absätze 1 bis 6“ durch die
Wörter „Absätze 1 bis 7“ ersetzt.

c) Die bisherigen Absätze 4 bis 7 werden die Absätze 5 bis 8.

Berlin, den 22. März 2012

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Christian Lange (Backnang)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Beratungen verworfen. ersichtlich sind. Außerdem forderte sie ein „Veto-Recht“ der
In der 32. Sitzung vom 15. Dezember 2011 hat der Aus-
schuss zunächst Änderungen der §§ 69 und 70 GO-BT be-
schlossen, die den übrigen Ausschüssen zur Stellungnahme
übermittelt wurden. Deren zum Teil sehr detaillierten An-

Spitzenverbände in allen Fällen, in denen die öffentlichen
Finanzen der Kommunen betroffen seien.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte ebenfalls
den Antrag, § 69 Absatz 5 Satz 3 GO-BT zu streichen.
Drucksache 17/9387 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Bernhard Kaster, Christian Lange (Backnang),
Jörg van Essen, Dr. Dagmar Enkelmann und Volker Beck (Köln)

1. Beratungsanlass

Mit Schreiben vom 18. August 2010 an den Präsidenten des
Deutschen Bundestages wies der Bundesminister der Finan-
zen als Vorsitzender der von der Bundesregierung eingesetz-
ten Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neu-
ordnung der Gemeindefinanzierung (Gemeindefinanzkom-
mission) darauf hin, dass die Kommission beschlossen habe,
den Bundestag zu bitten, eine Anpassung seiner Geschäfts-
ordnung im Hinblick auf eine Verbesserung der Anhörungs-
und Beteiligungsrechte der Kommunen zu prüfen. Die Ge-
meindefinanzkommission unterstütze unter anderem den
Wunsch der kommunalen Spitzenverbände nach einer Privi-
legierung bei öffentlichen Anhörungssitzungen in den Aus-
schüssen des Deutschen Bundestages.

2. Beratungen im Ausschuss

Der 1. Ausschuss hat sich mit dem Thema in mehreren Sit-
zungen befasst und abschließend in seiner 37. Sitzung am
22. März 2012 einstimmig für die o. g. Beschlussempfeh-
lung gestimmt.

Der Ausschuss hat zu seiner 14. Sitzung am 28. Oktober
2010 die geschäftsführenden Präsidialmitglieder des Deut-
schen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeinde-
bundes und des Deutschen Landkreistages zu einer An-
hörung eingeladen. Die Vertreter der kommunalen Spitzen-
verbände haben in ihren Stellungnahmen betont, dass sie
namens der Kommunen Gemeinwohlbelange wahrnehmen
und deshalb nicht mit sonstigen Interessenvertretern gleich-
zusetzen seien. Da Bundesgesetze in vielen Fällen unter an-
derem erhebliche finanzielle Folgewirkungen für die kom-
munale Ebene hätten, in der entscheidenden Gesetzgebungs-
phase aber keine ausreichende Beteiligung der kommunalen
Spitzenverbände vorgesehen sei, müsse die entsprechende
Soll-Bestimmung in § 69 Absatz 5 GO-BT als Muss-Rege-
lung gefasst werden.

Zudem sei bei öffentlichen Anhörungssitzungen (§ 70
GO-BT) derzeit nicht vorgesehen, den Vertretern der kom-
munalen Spitzenverbände stets Gelegenheit zur Stellung-
nahme zu geben, obwohl dies zwingend geboten sei. Sie
haben zudem angeregt, den Verbänden in der Geschäfts-
ordnung des Bundestages ein privilegiertes Anhörungsrecht
in der Form eines „Rechts des ersten Wortes“ einzuräumen.

Der Ausschuss hat die möglichen Regelungsalternativen
beraten und dabei unter anderem erörtert, ob ein künftiges
Beteiligungsrecht von einem Antrag der Spitzenverbände
oder einer qualifizierten Minderheit im Ausschuss abhängig
gemacht werden sollte. Dies aber im weiteren Verlauf der

37. Sitzung am 22. März 2012. Wesentliche Ergebnisse
dieser erneuten Beratungen war die Begrenzung der erwei-
terten Beteiligungsformen auf Gesetzentwürfe und auf die
Beratungen im federführenden Ausschuss. Zudem wurde im
Ausschuss noch einmal hervorgehoben, dass die Feststel-
lung, ob im konkreten Einzelfall wesentliche Belange von
Gemeinden und Gemeindeverbänden berührt sind, allein der
jeweilige Ausschuss trifft und die Festlegung des Ablaufs
der Anhörungssitzungen weiterhin in seiner Verfahrensauto-
nomie verbleibt. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen,
dass eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände
auch in schriftlichen Form erfolgen könne und daher eine
Einladung oder persönliche Anwesenheit der Vertreter bei
den nichtöffentlichen Ausschusssitzungen nicht in jedem
Fall erforderlich sei.

Die Vertreter der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprachen sich in den Beratun-
gen dafür aus, die bereits vorhandene Soll-Regelung des
§ 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT in eine Muss-Vorschrift zu
ändern und damit die Gelegenheit zur Stellungnahme für die
kommunalen Spitzenverbände verbindlich festzuschreiben.
Da andere Verbände in der bestehenden Fassung der Ge-
schäftsordnung nicht erwähnt würden, könnten diese aus der
jetzigen Änderung auch keine Ansprüche auf eine ent-
sprechende Privilegierung herleiten. Weiter wurde betont,
dass diese Regelung auch auf die Öffentlichen Anhörungs-
sitzungen erstreckt werden solle, in denen die kommunalen
Spitzenverbände bislang nicht erwähnt würden (§ 70
Absatz 4 – neu – GO-BT), ohne ihnen jedoch das Recht auf
eine erste Stellungnahme einzuräumen, da dies im Wider-
spruch zur Beschlussautonomie der Ausschüsse stehe. Unter
Berücksichtigung der von den anderen Ausschüssen über-
mittelten Anregungen schlug die Fraktion der CDU/CSU
vor, die beabsichtigten Regelungen zum einen auf Gesetz-
entwürfe und zum anderen auf die Beratungen im feder-
führenden Ausschuss zu beschränken. Die Vertreter der
Fraktion der FDP legten Wert auf die Feststellung, dass es
sich bei der neuen Regelung um eine Ausnahmeregelung
nur für die kommunalen Spitzenverbände handele, aus der
andere Interessenvertreter, selbst wenn sie auch Allgemein-
wohlinteressen verträten, keine eigenen Rechte ableiten
könnten.

Die Fraktion DIE LINKE. stimmte der Stärkung der Rechte
kommunaler Spitzenverbände und damit der vorgeschlage-
nen Fassung der Änderungen ebenfalls zu, sprach sich aber
für eine Streichung von § 69 Absatz 5 Satz 3 GO-BT aus,
wonach bei Regierungsvorlagen von einer Beteiligung der
kommunalen Spitzenverbände abgesehen werden kann,
wenn aus der Begründung der Vorlagen deren Auffassungen
regungen fanden Eingang in die weiteren Beratungen und
die endgültige Beschlussfassung des 1. Ausschusses in der

Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen

ist nicht erforderlich oder zwingend.

§ 69 Absatz 5 Satz 2 GO-BT wurde zur besseren Verständ-
lichkeit so umformuliert, dass die Bezugnahme auf die in
Satz 1 genannten „wesentliche Belange von Gemeinden und

zenverbände besteht, wenn bei Regierungsvorlagen aus der
Begründung deren Auffassungen bereits ersichtlich sind.

Die übrigen Regelungen sind redaktioneller Art.

Berlin, den 22. März 2012

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Christian Lange (Backnang)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9387

SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abge-
lehnt.

Die danach vorgeschlagenen Änderungen der Geschäftsord-
nung wurden vom Ausschuss einstimmig beschlossen.

3. Begründungen der Änderungen der Geschäfts-
ordnung

Zu Nummer 1 (§ 69 Absatz 5 GO-BT)

Mit der Änderung des § 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT in eine
Muss-Regelung wird die Bedeutung der Kommunen im
Gesetzgebungsverfahren sowie deren besondere Gemein-
wohlorientierung zum Ausdruck gebracht. Die kommunalen
Spitzenverbände sind bereits jetzt in der Vorschrift genannt.
Die Neuregelung begründet damit keinen Anspruch anderer
Verbände.

In § 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT wird nunmehr verbindlich
festgeschrieben, dass den kommunalen Spitzenverbänden in
den nichtöffentlichen Ausschusssitzungen Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben ist. Entsprechend der bisherigen
Beteiligungsrechte soll aber weiterhin keine Anhörungs-
pflicht im Rahmen der Selbstbefassung bestehen. Die
Neufassung betrifft zudem nicht die mitberatenden Aus-
schüsse. Die Stellungnahme der Vertreter der Spitzenver-
bände kann auch schriftlich erfolgen, eine persönliche An-
wesenheit eines Vertreters bei der Sitzung des Ausschusses

Gemeindeverbänden“ deutlicher wird. Die Feststellung, ob
durch den Gesetzentwurf wesentliche Belange berührt sind,
trifft der jeweilige Ausschuss wie bisher selbst im Rahmen
der Ausschussautonomie.

Zu Nummer 2 (§ 70 GO-BT)

Die ausdrückliche Erwähnung des federführenden Aus-
schusses im neuen § 70 Absatz 4 GO-BT, die zusätzlich
zum Verweis auf § 69 Absatz 5 Satz 1 GO-BT erfolgt, dient
der Klarstellung, dass die Neuregelung auch bei Anhörun-
gen nicht für die mitberatenden Ausschüsse gilt. Durch die
zusätzliche Teilnahme der Vertreter der drei Spitzen-
verbände soll das proportionale Rede- und Fragerecht der
Fraktionen während der Anhörung nicht beeinträchtigt wer-
den. Es kann sich daher empfehlen, den kommunalen Ver-
tretern vor Beginn der Anhörung der übrigen Sachverständi-
gen Gelegenheit zu je einer Stellungnahme zu geben. Zur
Optimierung des Anhörungsverlaufs kann darüber hinaus
den Spitzenverbänden die Empfehlung gegeben werden, ein
gemeinsames Votum abzugeben. Zu den Einzelheiten der
Anhörung, die in der Verfahrensautonomie des Ausschusses
liegen, gehört zudem die Frage, ob die kommunalen Ver-
treter auch in der Anhörung befragt werden sollen.

Der Verweis in § 70 Absatz 4 Satz 2 GO-BT auf die ent-
sprechende Geltung von § 69 Absatz 5 Satz 3 GO-BT be-
deutet, dass keine Beteiligungspflicht der kommunalen Spit-

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