BT-Drucksache 17/9383

Stand der Breitbandversorgung

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9383
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Johanna Voß, Katrin Kunert, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Werner Dreibus, Caren Lay, Michael
Leutert, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Sabine Stüber, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Breitbandversorgung

Der Zugang zu Breitbandinternet ist von zentraler gesellschaftlicher und wirt-
schaftlicher Bedeutung. Auch die Bundesregierung sieht das so: Bei der Eröff-
nung der CeBIT im März dieses Jahres sprach die Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel davon, dass „Infrastruktur das A und O [ist], um Menschen überhaupt
den Zugang zu diesen technischen Entwicklungen zu ermöglichen. Gerade in
Deutschland, in einem Land, in dem noch 50 Prozent der Menschen in länd-
lichen Regionen leben, heißt die große Aufgabe: Wie versorgen wir alle mit
einer solchen Infrastruktur, damit sie am digitalen Zeitalter auch wirklich teil-
nehmen können?“ Der Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Volker Kauder,
kritisiert, wenn man es bei der Stromanbindung auch so gemacht hätte, wie wir
es im Moment mit der Internetanbindung machen, dann wären noch immer
tausend Höfe im Schwarzwald nicht am Strom. Auf diesem Gebiet müsse noch
dramatisch etwas getan werden (heise.de, 29. März 2012). Gleichzeitig fordert
der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer einen nationalen Netzplan. Es
sei nicht erkennbar, wie die Ziele der Bundesregierung erreicht werden sollen.
Diese lauten, bis 2014 drei Viertel aller Haushalte und bis 2015, spätestens je-
doch 2018 flächendeckend Anschlüsse mit 50 Mbit/s anzubieten (Bayern Kurier,
24. März 2012).

Bisher hat es die Bundesregierung nicht einmal geschafft, die Grundversorgung
mit Breitbandinternetanschlüssen mit mindestens 1 Mbit/s sicherzustellen. Laut
Deutschem Städte- und Gemeindebund e. V. gibt die Bundesregierung diese Ver-
sorgung mit insgesamt ca. 99 Prozent an. Diese Zahl verschleiert das große
Gefälle zwischen Stadt und Land: Die Versorgungsquote beträgt im städtischen
Bereich 99,9 Prozent, im halbstädtischen Bereich 97,2 Prozent und im länd-
lichen Raum lediglich 86,7 Prozent der Haushalte. Insgesamt können damit
ca. 700 000 Haushalte keine zeitgemäße Breitbandanbindung nutzen. Dieses
Stadt-Land-Gefälle ist umso ausgeprägter, je höhere Bandbreiten betrachtet
werden. Wenn nicht bald die Grundlagen für Hochleistungsnetze gelegt werden,
auf denen die zukünftigen Entwicklungen beruhen, wird Deutschland im inter-

nationalen Vergleich den Anschluss verlieren.

Für den Zustand mangelhafter Breitbandanbindung ist die Bundesregierung
verantwortlich. Mit ihrer Wettbewerbsgläubigkeit unterlässt sie klare zielfüh-
rende staatliche Vorgaben und versäumt somit die richtigen Weichenstellungen.
So haben die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP einen Universal-
dienst für Breitbandinternetanschlüsse verhindert. Dabei sollte klar sein, dass
man bei Infrastrukturaufgaben nicht auf den Markt warten darf.

Drucksache 17/9383 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Haushalte hatten bzw. haben 2009, 2010, 2011 sowie aktuell Zu-
gang zu einem Breitbandinternetanschluss von mindestens 1 Mbit/s, min-
destens 6 Mbit/s, mindestens 16 Mbit/s, mindestens 50 Mbit/s und mindes-
tens 100 Mbit/s (Angaben bitte sowohl in absoluten Zahlen als auch in Pro-
zent und nach Jahren, Bundesländern sowie städtischem, halbstädtischem
und ländlichem Raum aufteilen)?

2. Welche Fördergelder standen in welcher Höhe von 2009 bis heute für den
Breitbandausbau zur Verfügung, und wie viel wurde davon abgerufen (bitte
nach Jahren, den verschiedenen Förderprogrammen und Bundesländern
aufteilen)?

3. Wie wird sichergestellt, dass bei Fördermaßnahmen nicht die Allgemein-
heit die Kosten trägt, ohne weiter Einfluss bzw. Anteil an späteren Gewin-
nen zu haben?

4. Von welchem Zeitraum (in Jahren) spricht die Bundesregierung, wenn laut
Breitbandstrategie bei der Versorgung, insbesondere des ländlichen Raums,
mit Hochleistungsnetzen in einigen Fällen auch der Einsatz von Fördermit-
teln erforderlich sein kann, wenn andernfalls eine Erschließung auf „mitt-
lere Sicht“ nicht darstellbar ist?

5. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass sie weder das Ziel erreicht
hat, bis 2010 für eine flächendeckende sogenannte Breitbandversorgung
(mindestens 1 Mbit/s) zu sorgen, noch die Zusagen der Mobilfunkunter-
nehmen mit einer Frequenzzuteilung für LTE (Long Term Evolution) im
Bereich 800 MHz, die Versorgungslücken im Laufe des Jahres 2011 zu
schließen, eingehalten wurden?

6. Hält die Bundesregierung die definierten stufenweisen Ausbauverpflich-
tungen der Mobilfunkunternehmen mit einer Frequenzzuteilung für LTE
im Bereich 800 MHz von jeweils 90 Prozent für geeignet, um eine flächen-
deckende, also 100-prozentige, Versorgung zu erreichen?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum wurde keine 100-prozentige Verpflichtung vorgegeben?

7. Mit welchen Programmen fördert die Bundesregierung den Aufbau passi-
ver Telekommunikationsinfrastruktur?

8. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Kommunen den Ausbau pas-
siver Zugangsnetze in zu geringem Maße vorantreiben?

Wenn ja, wie will die Bundesregierung diese Aktivitäten der Kommunen
erhöhen?

Wenn nein, warum nicht?

9. Wie viele Kommunen im ländlichen Raum (bitte namentlich auflisten) haben
seit 2009 den Aufbau von NGA-Netzen (NGA: Next Generation Access) auf
eigene Kosten in die Hand genommen, und aus welchen Gründen?

10. Wie viele Haushalte werden durch das Ausschöpfen von Synergieeffekten
beim Infrastrukturausbau zusätzlich rentabel erschließbar?

11. Ab welcher Gewinnmarge gelten Regionen als rentabel erschließbar?

12. Wie viel Prozent ihres Haushaltes stellen die verschiedenen Bundesländer
für den Breitbandausbau zur Verfügung?

Wie viele Euro sind das pro anzuschließendem Haushalt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9383

13. Welche Bundesländer haben ihre Fördergrundsätze für den Breitbandaus-
bau von der Herstellung einer Grundversorgung hin zu höheren Werten an-
gepasst?

14. Sieht die Bundesregierung die Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens
zwischen unversorgten bzw. unterversorgten und breitbandversorgten Re-
gionen je nach Kassenlage der Bundesländer und Kommunen?

15. Was hält die Bundesregierung von Maßnahmen entsprechend der australi-
schen Regierung, wo zur Beschleunigung des Breitbandausbaus ein staatli-
ches Netz aufgebaut wird, das später privatisiert werden soll?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass einige Länder wie Finnland oder
die Schweiz eine Universaldienstverpflichtung für Breitbandinternetan-
schlüsse erfolgreich eingeführt haben, ohne dass die Befürchtungen einge-
troffen sind, dass „Eigenanstrengungen in den Regionen und die Nutzung
von Synergieeffekten erlahmen“ (siehe Bundestagsdrucksache 17/4654)?

17. Worin besteht für die Bundesregierung der Bedeutungsunterschied zwi-
schen Breitbandinternetanschlüssen heute und Festnetztelefonanschlüssen
insofern, dass Universaldienstverpflichtungen nur für letztere bestehen?

18. Wie viele Haushalte können über das Breitbandkabelnetz Bandbreiten von
über 100 Mbit/s nutzen?

19. Werden die von den Kabelnetzbetreibern angekündigten zwei Drittel an
das Breitbandkabelnetz angeschlossener Haushalte in diesem Jahr erreicht?

Wenn nein, wie viele werden in diesem Jahr erschlossen, und wie wird die
Bundesregierung darauf reagieren?

20. Wie viel Prozent der Haushalte wurden pro Bundesland durch die LTE-
Technologie mit Breitbandinternet neu erschlossen, da es für die Erfüllung
der Ausbauverpflichtung der 800-MHz-Frequenzen unerheblich ist, ob die
Bevölkerung mit festen oder mobilen breitbandigen Anschlüssen versorgt
wird?

21. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass die Kosten für einen Breit-
bandanschluss über LTE auf dem Land, die Kosten von Festnetztechno-
logien in der Stadt erheblich übersteigen?

22. Ist für die Bundesregierung die LTE-Technologie auf ihre Leistung bezo-
gen ein gleichwertiger Ersatz für breitbandige Festnetztechnologien auf
dem Land?

23. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Tatsache, dass Telekom-
munikationsunternehmen die Bedeutung von LTE für den ländlichen Raum
darin sehen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher an relativ hohe
Preise gewöhnt werden, dadurch deren Zahlungsbereitschaft auch für Fest-
netztechnologien steigt und so zusätzliche Gebiete rentabel erschlossen
werden können?

24. Welche Preise bzw. Preisunterschiede für einen Breitbandinternetanschluss
zwischen Stadt und Land findet die Bundesregierung akzeptabel?

25. Spricht es aus Sicht der Bundesregierung gegen den Grundsatz der Herstel-
lung gleichwertiger Lebensverhältnisse, wenn Bewohnerinnen und Bewoh-
ner des ländlichen Raums für Breitbandinternetanschlüsse erheblich höhere
Kosten tragen als in der Stadt, wo Breitbandinternetanschlüsse vielfach mit
dem Zugang zum Stromnetz verglichen werden und damit als Aufgabe der
öffentlichen Daseinsvorsorge zu werten sind?

26. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung jeweils in den unter-

schiedlichen Festnetztechnologien für Breitbandinternet, Kabel, ADSL,
Stromkabel und Glasfaser?

Drucksache 17/9383 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Mit welchen Nachfragezuwächsen nach Bandbreite rechnet die Bundes-
regierung in den kommenden Jahren (unterschieden nach Privathaushalten,
kleinen und mittleren Unternehmen, Großunternehmen und Forschungs-
einrichtungen)?

28. Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass mit der geringen Verbreitung
von Glasfaser-Internetanschlüssen das bisherige Netz bald an seine Gren-
zen stößt?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 24. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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