BT-Drucksache 17/9128

Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien

Vom 23. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9128
17. Wahlperiode 23. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Viola von Cramon-Taubadel,
Beate Walter-Rosenheimer, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Ute Koczy,
Agnes Brugger, Marieluise Beck (Bremen), Katja Keul, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof
Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien

Zum EU-Indien-Gipfel in Delhi am 10. Februar 2012 hatten die Europäische
Kommission und die indische Regierung eigentlich einen Abschluss der Ver-
handlungen über das bilaterale Handelsabkommen angestrebt. Zu einer Eini-
gung kam es einstweilen jedoch nicht. Dennoch begrüßten die Europäische
Kommission und die indische Regierung den substantiellen Fortschritt, der in
allen Bereichen seit dem letzten Gipfel im Dezember 2010 erreicht worden sei,
und erklärten ihren Willen zu einem „baldigen Abschluss“. Dem Vernehmen
nach hat die Kommission nun die Mitgliedstaaten über den Verhandlungsstand
unterrichtet und um Empfehlungen zur Verhandlungsposition der EU gebeten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen Verhandlungspunkten haben die Europäische Kommission und
die indische Regierung bereits Einigkeit erzielt?
Welche Fragen sind noch strittig?
Bis wann erscheint ein Abschluss der Verhandlungen realistisch?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Verhandlungsstand?
Welche Empfehlungen zur Verhandlungsposition wird sie bei der Europä-
ischen Kommission einreichen?

3. EuroBusiness hatte vor dem Gipfel in Delhi zu große Asymmetrien beklagt.
Teilt die Bundesregierung diese Auffassung (bitte begründen)?

4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob die Europäische Kommis-
sion den Vorschlag von EuroBusiness an Handelskommissar Karel De Gucht
unterstützt, eine Folgenabschätzung für die europäische Wirtschaft vorzu-
nehmen, bevor das Abkommen abgeschlossen wird?
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesem Vorschlag?
5. Wurde auch eine asymmetrische Marktöffnung in Betracht gezogen, insbe-
sondere vor dem Hintergrund, dass jeder vierte Mensch in Indien chronisch
unterernährt ist, drei Viertel weniger als 2 US-Dollar pro Tag verdienen und
40 Prozent der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze leben?
Unterstützt die Bundesregierung die Forderung der EU nach einer nahezu
symmetrischen Marktöffnung, und wenn ja, wie begründet sie dies?

Drucksache 17/9128 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Für wie viel Prozent der Zolllinien hat sich die indische Regierung bislang
zur Abschaffung der Einfuhrzölle bereit erklärt?
Welche Übergangsfristen sollen dafür gelten?
Wie viel Prozent streben die Kommission und die Bundesregierung inner-
halb welcher Frist an?

7. Wird das Abkommen eine Stillstandsklausel für jene Zolllinien enthalten,
die keiner Zollsenkungsverpflichtung unterliegen werden?

8. Über welche konkreten Agrarprodukte gibt es noch Uneinigkeit bezüglich
der Marktöffnung (bitte erläutern)?

9. Für welche landwirtschaftlichen Güter verspricht sich die Bundesregierung
eine Erhöhung der europäischen und deutschen Ausfuhren?

10. Für welche industriellen Güter verspricht sich die Bundesregierung eine Er-
höhung der europäischen und deutschen Ausfuhren?

11. Kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass mehr als 14 Millio-
nen Bauernfamilien in Indien von der Milcherzeugung leben, versichern,
dass alle Zolllinien für Milchprodukte von der Liberalisierung ausgenom-
men sind?

a) Wird der jetzige Einfuhrzoll von 60 Prozent auf indische Milchpulver-
einfuhren durch das Handelsabkommen infrage gestellt?

b) Setzt sich die Bundesregierung bei Milchprodukten für Zollsenkungen in
Indien ein?
Wenn ja, in welchem Maß?
Gehören dazu auch Milchpulver und Butterfette?

c) Hat die Bundesregierung mögliche Auswirkungen einer Senkung der in-
dischen Importzölle auf indische Milcherzeuger untersucht, und wenn ja,
mit welchem Ergebnis?
Kann sie negative Auswirkungen auf deren Menschenrecht auf Nahrung
oder auf die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele ausschließen
(bitte begründen)?

12. Kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass für die Hälfte aller
indischen Landwirte die Geflügelhaltung eine wichtige Einnahmequelle
bietet, versichern, dass alle Zolllinien für Geflügelprodukte von der Libera-
lisierung ausgenommen sind?

a) Wird der jetzige Einfuhrzoll von 100 Prozent auf indische Geflügel-
fleischeinfuhren durch das Handelsabkommen infrage gestellt?

b) Setzt sich die Bundesregierung bei Fleischprodukten für eine Zollsen-
kung in Indien ein?
Wenn ja, für welche Produkte?
Gehört dazu auch Geflügelfleisch?

c) Haben die Europäische Kommission und/oder die Bundesregierung
mögliche Auswirkungen einer Zollsenkung auf indische Geflügelerzeu-
ger untersucht, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Kann die Bundesregierung negative Auswirkungen auf deren Men-
schenrecht auf Nahrung oder die Erreichung der Millenniumsentwick-
lungsziele ausschließen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9128

13. Wird das Abkommen eine Disziplinierung von Exportrestriktionen enthal-
ten?
Wenn ja, welche?
In welchem Kapitel werden diese verankert?

a) Werden davon auch Agrarprodukte und/oder andere Rohstoffe betroffen
sein?

b) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung in dieser Frage?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung der indischen Regie-
rung, den Markt im Multi-Brand-Retail-Sektor vorerst nicht für ausländi-
sche Supermarktketten zu öffnen?

a) Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung, dass im Dienstleistungs-
bereich eine Zulassung für Einzelhandelsunternehmen aus der EU im
Multi-Brand-Retail-Sektor vereinbart wird?

b) Ist eine weitere Öffnung des Einzelhandels für die Europäische Kommis-
sion und die Bundesregierung eine zwingende Bedingung zum Ab-
schluss eines Freihandelsabkommens mit Indien?

c) Haben die Europäische Kommission und/oder die Bundesregierung
mögliche Auswirkungen einer Öffnung des indischen Einzelhandels auf
kleine Geschäfte und Straßenhändler untersucht, und wenn ja, mit wel-
chem Ergebnis?

Kann die Bundesregierung negative Auswirkungen auf deren Men-
schenrecht auf Nahrung ausschließen (bitte begründen)?

15. Wird das Handelsabkommen nach derzeitigem Ermessen Bestimmungen
zum Investitionsschutz enthalten?

a) Werden sich diese Bestimmungen von den bestehenden bilateralen
Investitionsschutzabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und
Indien unterscheiden?

b) Falls ja, in welchen Punkten?

An welchen Punkten ist ein verbesserter Schutz für deutsche Investoren
zu erwarten?

c) Werden Forderungen zu geistigen Eigentumsrechten Teil der Bestim-
mungen zum Investitionsschutz sein?

Wenn ja, welche?

Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, dass die Anwendung von
TRIPS-Ausnahmeregeln (TRIPS = Trade-Related Aspects of Intellec-
tual Property Rights) wie etwa Zwangslizenzierung, Preisregulierung
von Medikamenten und gesundheitsbezogene Schutzbestimmungen im
Zusammenhang mit einem Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanis-
mus eingeschränkt werden könnten?

16. Wird das Abkommen im Investitionsschutzkapitel ein Verbot von soge-
nannten performance requirements enthalten?

Wenn ja, hat sich die Bundesregierung für oder gegen ein solches Verbot
eingesetzt?

Mit welcher Begründung?

17. Werden im Rahmen des Handelsabkommens Erleichterungen beim Zugang
europäischer und deutscher Investoren zum indischen Markt vereinbart
werden?
Falls ja, inwiefern, und in welchen Sektoren?

Drucksache 17/9128 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

18. Wird das Recht auf Marktzugang von Investoren Bestandteil des Investi-
tionsschutzkapitels sein?

a) Haben die Europäische Kommission und/oder die Bundesregierung unter-
sucht, inwieweit sich Bestimmungen zum Zugang und zum Schutz von
Investoren auf mögliche Landkonflikte zwischen Investoren und länd-
lichen Gemeinschaften auswirken, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b) Kann die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Verletzungen des
Menschenrechts auf Nahrung, der Konventionen der Internationalen Ar-
beitsorganisation und der Rechte indigener Völker ausschließen (bitte
begründen)?

19. Wird das Handelsabkommen (inklusive Investitionsschutzkapitel) nach Er-
kenntnis der Bundesregierung Bestimmungen zu geistigen Eigentumsrech-
ten enthalten?
Wenn ja welche?

a) Werden Generika und/oder Saatgut und Pflanzenschutzmittel davon be-
troffen sein?

b) Sind Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
geplant, die über die im TRIPS-Abkommen festgelegten Bestimmungen
hinausgehen?
Wenn ja, welche?
Welchen Einfluss hätten diese Durchsetzungsbestimmungen nach An-
sicht der Bundesregierung auf den Zugang zu bezahlbaren generischen
Medikamenten?

c) Haben die Europäische Kommission und/oder die Bundesregierung
mögliche Auswirkungen des Abkommens auf den Zugang zu Generika
untersucht, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Kann die Bundesregierung negative Auswirkungen auf deren Men-
schenrecht auf Gesundheit ausschließen?

d) Wird es Bestimmungen zur Datenexklusivität enthalten?
Welche Position vertritt die Bundesregierung im Rahmen der Verhand-
lungen zu geistigen Eigentumsrechten in Bezug auf die Patentlaufzeiten
sowie zur Datenexklusivität?

20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, wie die Europäische Kom-
mission sicherstellen will, dass Menschenrechte durch das Handelsabkom-
men nicht gefährdet werden, wie es im Vertrag über die Europäische Union
(Artikel 3 und 21) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen
Union (Artikel 207) festgeschrieben steht?

21. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Europäischen Parla-
ments vom 8. November 2010, zusätzlich zu den Nachhaltigkeitsfolgeab-
schätzungen künftig auch systematische menschenrechtliche Folgeabschät-
zungen zu Handelsabkommen durchzuführen (bitte begründen)?

22. Unterstützt die Bundesregierung die Leitprinzipien des UN-Sonderbericht-
erstatters für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, zur Durchführung
von menschenrechtlichen Folgenabschätzungen von Handels- und Inves-
titionsschutzabkommen?
Wie sieht diese Unterstützung konkret aus (bitte begründen)?

23. Vor dem Hintergrund, dass im Handelsabkommen zwischen Kanada und
Kolumbien ein Annex existiert, der beide Parteien zu menschenrechtlichen
Folgeabschätzungen ex-ante und ex-post verpflichtet, befürwortet die Bun-

desregierung einen ähnlichen Annex zum EU-Indien-Handelsabkommen?
Wenn ja, inwiefern setzt sie sich dafür ein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9128

24. Wäre ein Handelsabkommen mit Indien ohne ein Nachhaltigkeitskapitel
mit Sozialstandards, Umweltstandards und Menschenrechtsklausel für die
Bundesregierung akzeptabel (bitte begründen)?
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Verhandlungsstand
zu diesem Kapitel, und welche strittigen Punkte gibt es?

25. Wie müsste eine Menschenrechtsklausel aus Sicht der Bundesregierung
ausgestaltet sein, um Menschenrechtsverletzungen durch das Handels-
abkommen zu verhindern?

a) Befürwortet die Bundesregierung eine Revisionsklausel, die Änderun-
gen von Bestimmungen erlaubt, wenn ein begründeter Verdacht besteht,
dass durch diese Bestimmungen Menschenrechte gefährdet werden?

b) Befürwortet die Bundesregierung Beschwerdemechanismen für zivil-
gesellschaftliche Gruppen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen im
Rahmen des Handelsabkommens?

Berlin, den 23. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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