BT-Drucksache 17/9096

Initiativen der Bundesregierung zur Zusammenlegung und gemeinsamen Nutzung (Pooling and Sharing) militärischer Fähigkeiten auf Ebene der Europäischen Union

Vom 23. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9096
17. Wahlperiode 23. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Agnes Brugger,
Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Initiativen der Bundesregierung zur Zusammenlegung und gemeinsamen
Nutzung (Pooling and Sharing) militärischer Fähigkeiten auf Ebene der
Europäischen Union

In der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen
Union (GSVP) wird dem Instrument des Pooling & Sharing, also der Zusammen-
legung und gemeinsamen Nutzung militärischer Fähigkeiten, große Bedeutung
zugemessen. Die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der EU soll damit
auch in Zeiten von Sparhaushalten gewährleistet werden. Zugleich kann so zu
einer koordinierten Reduzierung der Militärausgaben europaweit beigetragen
werden. Im Jahr 2010 hatte sich die Bundesregierung mit zwei Initiativen nach-
drücklich für Pooling & Sharing eingesetzt. In der Gent-Initiative zusammen mit
Schweden und im Brief des Weimarer Dreiecks mit Polen und Frankreich for-
derte sie eine stärkere Zusammenarbeit der EU-Staaten im Militärbereich. In der
Folge verständigten sich die EU-Staaten darauf, an die Europäische Verteidi-
gungsagentur (EDA) Projekte im militärischen Bereich zu melden, bei denen sie
eine Kooperation mit anderen EU-Staaten anstrebten. Die EDA sollte eine
Datenbank über die Vorschläge anlegen, über die sich dann konkrete Projekt-
partnerschaften entwickeln sollten. Die konkrete Umsetzung dieser Projekte
läuft laut EDA seit Herbst 2011.

Die Bundesregierung hat sich zwar immer wieder zur Idee des Pooling &
Sharing bekannt, aber in den Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundes-
ministeriums der Verteidigung und in anderen Äußerungen zur Reform der
Bundeswehr fehlen konkrete Aussagen zur europäischen Militärkooperation
und gemeinsamen Projekten im Rahmen des Pooling & Sharing. Die Bundes-
wehrstrukturreform wird national konzeptionalisiert und umgesetzt, scheinbar
ohne vertiefte Koordinierung mit den europäischen Partnerstaaten, die auch alle
weitreichende Reformen und finanzielle Einschnitte in den Verteidigungshaus-
halten vornehmen. Der europäische Imperativ scheint verloren zu gehen. Er-

folgreiche Projekte, wie das European Air Transport Command, stehen leider
allein auf weiter Flur. Vertreter der Bundesregierung führen immer wieder den
grundgesetzlichen Parlamentsvorbehalt als Hürde für eine engere militärische
Kooperation an, obwohl es bereits Kooperationsprojekte, wie beim NATO-
AWACS-Stab, gibt.

Auf der Konferenz der EDA, die am 31. Januar 2012 in Brüssel stattgefunden
hat, bewerteten die Teilnehmenden aus Industrie, Militär und Politik den Stand

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des Pooling & Sharing äußerst zurückhaltend. Den Regierungen der EU-Mit-
gliedstaaten wurde mangelndes Engagement und fehlende Initiative für dieses
Projekt der GSVP vorgeworfen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Initiativen zur Zusammenlegung und/oder gemeinsamen Nutzung
hat die Bundesregierung bisher der EDA vorgelegt?

2. Für welche dieser Initiativen haben sich bereits Kooperationspartner ge-
funden?

Bei welcher dieser Initiativen übernimmt Deutschland die koordinierende
Führungsrolle?

3. In welchem Planungs- und/ oder Durchführungsstadium befinden sich die
eingereichten Initiativen der Bundesregierung?

4. Aus welche Gründen sind aus der Weimar-Initiative mit Frankreich und
Polen bisher keine konkreten Pooling & Sharing-Projekte entstanden?

5. Für welche Projekte, die von anderen EU-Staaten im Rahmen der Pooling
& Sharing-Initiative an die EDA gemeldet wurden, hat die Bundesregie-
rung Bereitschaft zur Zusammenarbeit angemeldet?

6. In welchem Planungs- und/oder Durchführungsstadium sind diese Pro-
jekte, an denen die Bundesregierung Bereitschaft zu einer Kooperations-
partnerschaft bekundet hat?

7. Inwiefern sieht die Bundesregierung ihre Möglichkeiten zur Zusammen-
legung und/oder gemeinsamen Nutzung militärischer Fähigkeiten mit ande-
ren EU-Staaten durch den deutschen Parlamentsvorbehalt eingeschränkt?

8. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um eine
engere Kooperation im militärischen Bereich zu ermöglichen?

Wenn ja, was müsste aus Sicht der Bundesregierung gesetzlich geändert
werden, um etwaige durch den Parlamentsvorbehalt vorgegebene Hürden
in der Zusammenlegung und gemeinsamen Nutzung militärischer Fähig-
keiten abzubauen und die europäische Zusammenarbeit auch im Bereich
der militärischen Kooperation zu verstärken?

9. Inwiefern bezieht die Bundesregierung die Zusammenlegung und gemein-
same Nutzung militärischer Fähigkeiten mit anderen EU-Staaten in ihre
Konzeption der Reform der Bundeswehr ein?

10. In welchen konkreten Bereichen kann die Bundeswehr sich verstärkte Ko-
operationsprojekte vorstellen?

Herrscht eine grundsätzliche Bereitschaft, Kernfähigkeiten der Bundes-
wehr aufzugeben, wenn die Nutzung über gemeinsame europäische Fähig-
keiten garantiert wäre?

Wenn ja, in welchen Kernfähigkeiten ist dies vorstellbar?

Welche Fähigkeiten sollen weiterhin zwingend national bereitgestellt wer-
den?

Warum?

11. In welchem Verhältnis zueinander sieht die Bundesregierung das EU-Pro-
jekt des „Pooling & Sharing“ und das NATO-Projekt der „Smart Defense“?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9096

12. Verfolgt die Bundesregierung einen integrierten Ansatz für beide Projekte?

Wenn ja, inwiefern, und welche Rolle spielt dabei das NATO-Programm
Alliance Ground Surveillance (AGS)?

Wenn nein, warum nicht?

13. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Rolle der EDA
als Koordinierungsgremium von Pooling & Sharing zu stärken?

Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die EDA stärker auch als
Impulsgeberin aktiv werden kann?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

14. Setzt sich die Bundesregierung aktiv dafür ein, den EDA-Lenkungsaus-
schuss als zentralen Ort für zukünftige Initiativen zur gemeinsamen Rüs-
tungs- und Beschaffungsplanung aufzuwerten?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

15. Besteht aus Sicht der Bundesregierung die Notwendigkeit, die Europäische
Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 zu aktualisieren und damit dem
Prozess der Intensivierung militärischer Zusammenarbeit einen sicherheits-
politischen Überbau zu geben?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie setzt sich die Bundesregierung für diese strategische Debatte
ein?

16. Welche Auswirkungen werden „Pooling & Sharing“ und „Smart Defense“
nach Ansicht der Bundesregierung auf die Gewährleistung einer wirksa-
men restriktiven Rüstungsexportkontrolle haben?

17. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass „Pooling &
Sharing“ und „Smarte Defense“ mit einer wirksamen restriktiven Rüs-
tungsexportpolitik in Deutschland und Europa einhergeht?

18. In welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung, die erforderliche Einbin-
dung des Deutschen Bundestages bei Beschaffungsmaßnahmen im Rahmen
von „Pooling & Sharing“ und „Smart Defense“ umfassend und rechtzeitig
umzusetzen?

Berlin, den 23. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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