BT-Drucksache 17/8951

Werbung für proprietäre Software auf Seiten von Bundesministerien und der öffentlichen Verwaltung

Vom 8. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8951
17. Wahlperiode 08. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Nicole Maisch, Volker Beck (Köln),
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Werbung für proprietäre Software auf Seiten von Bundesministerien und der
öffentlichen Verwaltung

Das Portable Document Format (PDF) ist ein weit verbreitetes Dateiaustausch-
format, bei dem Formatierungen beibehalten werden und Inhalte vom Betrach-
ter nicht geändert werden können. Das PDF-Format wurde zuerst 1993 von
dem Unternehmen Adobe Systems GmbH entwickelt und ist seitdem in zahlrei-
chen Versionen veröffentlicht worden. Obwohl neue Versionen und Erweite-
rungen teilweise ausschließlich mit dem firmeneigenen Softwareprodukt
„Adobe Reader“ kompatibel sind, wurden bereits mehrere PDF-Versionen als
offene Standards deklariert.

Als offene Standards werden Dateiformate bezeichnet, die in einem für alle
Interessierten offenen Prozess entwickelt und beschlossen werden und später
größtenteils gebührenfrei nutzbar sind. Entsprechende Formate können platt-
form- und softwareübergreifend weiterverwendet werden. Im Fall des PDF-
Formats bietet sich damit jedem Anbieter die Möglichkeit, das Format in seine
eigene Software zu implementieren. Wenn Webseiten Inhalte in einem offenen
PDF-Format anbieten, sind Nutzerinnen und Nutzer somit nicht an die Soft-
wareprodukte einzelner Hersteller oder Anbieter gebunden. Bei proprietärer
Software ist in der Regel eine Veränderung und Weiterentwicklung nicht er-
laubt, weshalb sie umgangssprachlich auch als unfreie Software bezeichnet
wird.

Bereits heute sind auf den Webseiten der öffentlichen Verwaltung die meisten
öffentlich zugänglichen Dokumente als PDF abrufbar. Nach einer Entscheidung
des Rates der IT-Beauftragten der Bundesregierung (IT-Rat) vom 3. November
2011 (SAGA 5) müssen zukünftig alle Textdokumente, welche dem reinen
Informationsaustausch dienen, als PDF in der Version 1.4 oder höher veröffent-
licht werden. Gleichzeitig hat der IT-Rat die Offenheit informationstechnischer
Systeme zum strategischen Ziel für die öffentliche Verwaltung erklärt, um nicht
„von den Interessen einzelner Marktteilnehmer abhängig“ zu sein. Auch die
schwarz-gelbe Bundesregierung hat in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag zwi-
schen CDU, CSU und FDP den Mehrwert freier Software und offener Stan-

dards betont.

Trotz entsprechender Beschlüsse und Absichtserklärungen befinden sich auf
vielen Webseiten der Bundesverwaltung noch immer Werbung für einzelne An-
bieter proprietärer Software. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Verlinkung
auf den PDF-Betrachter „Adobe Reader“ der Firma Adobe Systems GmbH, die

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einen geschätzten Marktanteil von 85 Prozent besitzt. Das öffentliche Bewer-
ben dieses Produktes ohne das Aufzeigen von Alternativen fördert diese Quasi-
monopolstellung und damit im Endeffekt Wettbewerbsverzerrungen.

Die Bundesregierung bewirbt damit letztlich Software, welche nicht von Dritten
auf Probleme in Bezug auf ihre Sicherheit und Privatsphäre überprüft werden
kann. Dies widerspricht wiederum den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Zie-
len, die Bundesregierung wolle „insbesondere durch Aufklärung und Sensibili-
sierung der Öffentlichkeit die Menschen zu mehr Selbstschutz und die Nutzung
sicherer IT-Produkte“ anregen (S. 102).

Nach Meinung der Fragesteller ist die Bundesregierung – auch in Bezug auf
ihre eigenen Zusagen – daher verpflichtet, die Verweise auf einen bestimmten
Hersteller zukünftig entweder ersatzlos zu entfernen, durch einen Verweis auf
herstellerneutrale, freie PDF-Betrachter zu ersetzen oder gleichberechtigt auf
die Software unterschiedlicher Hersteller und Anbieter zu verweisen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf wie vielen und auf welchen Internetpräsenzen der Bundesregierung und
der Bundesverwaltung erscheinen derzeit Verweise auf die Firma Adobe
Systems GmbH beziehungsweise deren Produkt „Adobe Reader“?

2. Welche Versionen des PDF-Formats werden auf den in der Antwort zu
Frage 1 gelisteten Internetpräsenzen der Bundesverwaltung jeweils größten-
teils verwendet?

3. Aus welchen Gründen wirbt die Bundesregierung für die Verwendung des
„Adobe Reader“ der Firma Adobe Systems GmbH und suggeriert darüber
hinaus mit Formulierungen, beispielsweise auf einzelnen Bundesministe-
riumswebseiten, dass dies die einzige Software sei, um PDF-Dateien betrach-
ten zu können?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, dass bestimmte Versionen des PDF-For-
mats ein offener Standard (u. a. ISO 32000-1:2008) sind, und gibt es Über-
legungen innerhalb der Bundesregierung, die Bundesverwaltung anzuhalten,
PDFs zukünftig standardkonform zur Verfügung zu stellen, damit die Bürge-
rinnen und Bürger diese auch in anderen PDF-Readern als dem „Adobe
Reader“ betrachten können, was bei den neuesten proprietären Formaten
von Adobe-PDF nicht gewährleistet ist?

5. Welche Versionen des PDF-Formats sind in den Programmen, die die Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesregierung sowie Bundesverwal-
tung benutzen, um PDFs zu erstellen, voreingestellt?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Behörden, die entsprechende Wer-
bung auf ihren Internetpräsenzen einbinden, zuvor andere PDF-Reader aus-
probiert haben?

Wenn ja, welche Software wurde angeführt?

7. Ist der Bundesregierung bewusst, dass deutsche Programmierer und Unter-
nehmen bereits zu Entwicklungen an Freien-Software-PDF-Betrachtern bei-
getragen haben und sie mit dem Verweis auf entsprechende Produkte kleine
und mittelständische Unternehmen in Deutschland fördern kann?

Wenn ja, gibt es bereits Überlegungen der Bundesregierung, entsprechende
Verweise auf Freie-Software-PDF-Betrachter zukünftig umzusetzen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8951

8. Ist der Bundesregierung bewusst, dass PDF-Betrachter unter freien Lizen-
zen von jedem Softwareunternehmen, aber auch den Bürgerinnen und
Bürgern, weiterentwickelt werden können und die Bundesregierung für
fehlende Funktionen Wettbewerbe ins Leben rufen könnte?

Wenn ja, gibt es bereits Überlegungen der Bundesregierung, entsprechende
Wettbewerbe ins Leben zu rufen?

9. Ist der Bundesregierung bewusst, dass die im Rahmen von Wettbewerben
erstellten Arbeiten im freien Besitz wären, also keine Bindung an einzelne
Unternehmen entstehen würde?

10. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es durch die Festlegung offener
Standards bei zahlreichen Dateiformaten eine Vielzahl von Alternativen zu
unfreien, proprietären Angeboten einzelner Anbieter gibt?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Free Software Foundation Europe
e. V. (FSFE), eine gemeinnützige Organisation, die sich der Förderung Freier
Software widmet, unter http://fsfe.org/campaigns/pdfreaders/buglist.en.html
eine Liste führt, auf der eingesehen werden kann, welche Behörden noch
immer auf unfreie PDF-Betrachter verweisen, und gibt es von Seiten der
Bundesregierung Überlegungen, zukünftig anstelle von Verweisen auf pro-
prietäre Angebote ähnliche Übersichten anzubieten?

12. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es auf http://pdfreaders.org eine
Auflistung aller derzeit zur Verfügung stehenden Programme unter freien
Lizenzen zur Betrachtung von PDF-Dateien gibt, die in andere Produkte
integriert werden können?

13. Ist die Bundesregierung, gerade vor dem Hintergrund, dass einige Bundes-
ministerien, wie das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung sowie Bundesbehörden, wie das Bundes-
kriminalamt, die Hinweise auf „Adobe Reader“ bereits entfernt haben, an-
dere, wie das Bundesministerium des Innern oder das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jedoch weiterhin auf „Adobe
Reader“ verweisen, der Ansicht, dass das Problem der Werbung für den
„Adobe Reader“ auf Webseiten der Bundesverwaltung auch in Hinblick
auf die Vereinheitlichung und Konsolidierung der IT-Infrastruktur des Bun-
des eigenverantwortlich gelöst werden sollte oder es hier eventuell einer
weitergehenden Koordinierung, etwa über den IT-Planungsrat, bedarf?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung eine ausschließliche Verlinkung auf
einen einzelnen Anbieter und ein in bestimmten Versionen proprietäres
Format vor dem Hintergrund der in der Vorbemerkung beschriebenen
Nachteile und den Aussagen der Bundesregierung, die Förderung von
Open-Source-Software prüfen zu wollen, auch um nicht von Interessen
einzelner Marktteilnehmer abhängig zu sein?

15. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um derartige Bevorzu-
gungen einzelner Unternehmen auf den Webseiten der Bundesverwaltung
in Zukunft zu unterbinden?

16. Ist der Bundesregierung die Petition der Free Software Foundation Europe
e. V. bekannt, in der sich derzeit 70 Organisationen, 57 Unternehmen und
2 275 Privatpersonen (Stand 27. Februar 2012) für die Entfernung von Wer-
bung für unfreie Software auf den Webseiten der öffentlichen Verwaltung
aussprechen?

17. Wird die Bundesregierung, zum Beispiel über den IT-Planungsrat, auch an
die Bundesländer appellieren, die bisherige Praxis – lediglich auf einzelner

Anbieter unfreier Software zu verweisen – zu überprüfen?

Drucksache 17/8951 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. Hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode für die Verweise auf
den PDF-Betrachter „Adobe Reader“ Werbeeinnahmen von Adobe Sys-
tems GmbH oder anderen Unternehmen bekommen?

Wenn ja, welcher Betrag wurde eingenommen?

Berlin, den 8. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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