BT-Drucksache 17/8919

Energiewende und Klimaschutz solide finanzieren - Nachtragshaushalt nutzen

Vom 7. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8919
17. Wahlperiode 07. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner,
Dr. Tobias Lindner, Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Daniela Wagner,
Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Dr. Thomas Gambke,
Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Maria Klein-Schmeink, Sylvia Kotting-Uhl,
Stephan Kühn, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Elisabeth Scharfenberg,
Dorothea Steiner, Markus Tressel, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energiewende und Klimaschutz solide finanzieren – Nachtragshaushalt nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Energiewende in der Bundesrepublik Deutschland stockt. Trotz offensicht-
licher Notwendigkeit für eine zügige Energiewende streitet sich die Bundesre-
gierung, anstatt sich mit vereinten Kräften für den Wechsel einzusetzen. Auf eu-
ropäischer Ebene blockiert die Bundesregierung die Energieeffizienzrichtlinie,
in der Bundesrepublik Deutschland treibt sie mit neuen Subventionen für die In-
dustrie die Kosten für das Erneuerbare-Energien-Gesetz für die privaten Ver-
braucherinnen und Verbraucher in die Höhe. Und wegen der umwelt- und haus-
haltspolitisch fatalen Konstruktion als Sondervermögen scheitert gerade auch
die Finanzierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms und der anderen
Maßnahmen aus dem sogenannten Energie- und Klimafonds (EKF).

Der EKF wurde im Zuge des Wiedereinstiegs in die Atomenergie im Herbst
2010 eingeführt. Er ist ein Sondervermögen des Bundes, d. h. ein „Haushalt im
Haushalt“, mit eigenen Einnahmen (er speist sich aus den Einnahmen aus dem
CO2-Emissionszertifikatehandel – und nur daraus) und eigenen Ausgaben. Eine
solche Bindung gibt es in den jeweiligen Fachressorts nicht. Mit dem EKF
wurde zwar der richtige Ansatz gesetzlich verankert, die Einnahmen aus dem
Emissionshandel vollständig für den Klimaschutz einzusetzen. Der EKF bietet
aber keine größere Sicherheit für Mittel z. B. im internationalen Klimaschutz als
bei Veranschlagung im jeweiligen Einzelplan des Haushalts: Der EKF ist ein-
fachgesetzlich änderbar und der Wirtschaftsplan wird genauso wie die anderen
Etats jedes Jahr neu verhandelt. Im Gegenteil: Die im EKF eingestellten Pro-
gramme unterliegen sogar einen Einnahmerisiko. Gibt es weniger Erlöse aus
dem CO2-Zertifikatehandel, können auch nur entsprechend weniger Gelder für

Energieeffizienz, das MAP, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm etc. ausge-
geben werden. Dass die Programme im EKF also gefährdeter sind als „normale“
Programmmittel im ordentlichen Haushalt, sieht man gerade jetzt sehr deutlich.
Die Bundesregierung musste bereits zugeben, dass der Zertifikatepreis nicht,
wie von ihr kalkuliert, bei 17 Euro je Tonne CO2 liegt. Schon im November
2011 lag er nur noch bei 10 Euro und im Januar 2012 war er zeitweise auf unter
7 Euro abgesackt. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das die Feder-

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führung beim EKF hat, stellte entsprechend zunächst nur 50 Prozent der geplan-
ten Gelder für die Programme zur Verfügung und passte auch die Einnahmekal-
kulation an. Dies hat zur Folge, dass selbst mit einem Liquiditätsdarlehen, das
verzinst innerhalb der nächsten zwei Jahre zurückgezahlt werden muss, für
2012 nur 452 Mio. Euro statt der ursprünglich veranschlagen 780 Mio. Euro zur
Verfügung stehen. Dies ist für das Investitionsklima fatal und beschädigt so die
Energiewende doppelt, es stehen nicht nur weniger Gelder zur Verfügung – im
schlimmsten Fall werden diese Mittel nicht einmal abgerufen, weil die Un-
sicherheiten so hoch sind.

Aber auch ohne diese Einnahmeprobleme ist der EKF schon unterfinanziert.
Dem geplanten Volumen für 2012 in Höhe von 780 Mio. Euro, das jetzt von der
Bundesregierung auf 452 Mio. Euro reduziert wurde, und ab 2013 (neue Emis-
sionshandelsperiode) bei deutlich unter den ursprünglich veranschlagten 3 Mrd.
Euro, stehen notwendige zusätzliche Investitionen in der Energiewende und im
Klimaschutz in Höhe von mehr als 5 Mrd. Euro gegenüber, die perspektivisch
auch noch weiter anwachsen müssen.

Der EKF war und ist zudem eine Mogelpackung. Zwar handelt es sich offiziell
um „zusätzliche“ Ausgaben. Allerdings lässt sich leicht nachweisen, dass bei-
spielsweise das CO2-Gebäudesanierungsprogramm im Etat des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung völlig gestrichen wurde und
jetzt nur noch aus dem EKF finanziert werden soll. Was allerdings steigt sind die
Intransparenz und der Verwaltungsaufwand. Zudem liegt die Federführung für
den EKF beim BMF. Das heißt, die letzte Entscheidung liegt immer beim BMF,
nicht bei den fachlich zuständigen und kompetenten Personen der Fachetats.

Weil die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel einbrechen und der Fonds
als Sondervermögen nicht dem Gesamtdeckungsprinzip unterliegt, fehlt jetzt
akut das nötige Geld, um Klimaschutz und Energiewende zu finanzieren. Statt-
dessen werden weiterhin Milliarden für ökologisch schädliche Subventionen
ausgegeben und technische Innovationen verhindert. Gleichzeitig versäumt es
die Bundesregierung in der EU und national, wirksame Schritte zur Stärkung
des Emissionshandels und zur Stabilisierung des CO2-Preises einzuleiten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den anstehenden Nachtragshaushalt nicht nur zur Finanzierung des dauerhaften
Europäischen Stabilitätsmechanismus, sondern auch für eine solide Finanzie-
rung der Energiewende zu nutzen und dabei insbesondere

– Programme und Maßnahmen zur Unterstützung der Energiewende wie das
CO2-Gebäudesanierungsprogramm, das Marktanreizprogramm für erneuer-
bare Wärme oder die Forschungsgelder für Energieeffizienz aus dem Son-
dervermögen EKF in die Einzelpläne der jeweiligen Fachressorts zu überfüh-
ren und klimaschädliche Programme wie das Förderprogramm für fossile
Kraftwerke und die Stromsubventionen für stromintensive Unternehmen ab-
zuschaffen,

– an dem Grundsatz festzuhalten, die Erlöse aus dem Emissionshandel voll-
ständig für Aufgaben des nationalen und internationalen Klimaschutzes zur
Verfügung zu stellen,

– ungerechtfertigte Subventionen bei der Ökosteuer und weitere umweltschäd-
liche Subventionen zur Gegenfinanzierung abzubauen,

– die notwendigen Maßnahmen zu unterstützen, um den Europäischen Emis-
sionshandel zu stärken und den Preis für CO2-Zertifikate zu stabilisieren, ins-
besondere die Anhebung des 2020-Klimaschutzziels der EU auf 30 Prozent

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8919

Emissionsminderung gegenüber 2020, die Entnahme überschüssiger Zerti-
fikate aus dem Markt (sog. set-aside) und die Einführung eines CO2-Min-
destpreises nach britischem Vorbild.

Berlin, den 6. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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