BT-Drucksache 17/8768

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11 hier: Stellungnahme gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit) Klares Signal zum Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge setzen

Vom 29. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8768
17. Wahlperiode 29. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Fritz Kuhn, Britta Haßelmann, Nicole
Maisch, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Harald Ebner, Hans-Josef Fell,
Dr. Thomas Gambke, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Oliver Krischer, Stephan Kühn, Dr. Tobias Lindner, Ingrid
Nestle, Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg,
Dorothea Steiner, Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
über die Konzessionsvergabe
KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11

hier: Stellungnahme gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag von
Lissabon (Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit)

Klares Signal zum Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge setzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2011 ihre Vorschläge zur
Modernisierung des öffentlichen Vergaberechts vorgelegt. Diese enthalten zu-
kunftsweisende Elemente, wie einen verbesserten Zugang und weniger Büro-
kratie für kleine und mittlere Unternehmen bei Vergabeverfahren oder auch
breitere Möglichkeiten für eine Vergabe nach sozialen Kriterien in den Kommu-
nen. Allerdings unterbreitet die Kommission in diesem Zusammenhang auch
einen umfänglichen Richtlinienvorschlag zur Vergabe von Konzessionen, der in
das Selbstverwaltungsrecht und die Gestaltungsfreiheit der Kommunen eingreift
und nicht verhältnismäßig ist. Dienstleistungskonzessionen haben in der Regel
lange Laufzeiten und brauchen demgemäß eine gewisse Flexibilität. Die Gestal-
tungsspielräume der Kommunen bei der Vergabe von Dienstleistungskonzes-
sionen müssen deshalb erhalten bleiben.
Diese Haltung hatte der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen
Bundestages bereits am 1. Dezember 2010 in einem gemeinsamen Schreiben an
den Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen, Michel Barnier, zum
Ausdruck gebracht und sich dafür ausgesprochen, dass die Rechtsetzungsini-
tiative zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein Regelungstatbestand
der Europäischen Union sein sollte.

Drucksache 17/8768 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist derzeit bewusst vom Anwen-
dungsbereich des Vergaberechtes ausgenommen. Sie sind, im Gegensatz zu der
öffentlichen Beschaffung, auch nicht in den internationalen Verträgen fixiert.
Durch das bestehende Primärrecht der Europäischen Union (Gleichbehandlung,
Nichtdiskriminierung und Transparenz) und die ständige Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hierzu, sind Dienstleistungskonzessions-
vergaben hinreichend rechtssicher geregelt. So sieht es auch der EuGH selbst.
Der Richtlinienvorschlag der Kommission zielt vor allem auf die Bereiche In-
frastruktur und Daseinsvorsorge, hier sind schwerwiegende Wettbewerbsverzer-
rungen oder eine Marktabschottung, die eine solche Regulierung ggf. erfordern
würden, bislang nicht erkennbar und von der Kommission auch nicht nach-
gewiesen worden. Im Bereich der Dienstleistungskonzessionsvergabe besteht
deshalb keine Notwendigkeit einer weiteren Verrechtlichung mit den entsprechen-
den bürokratischen Belastungen für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen.
Ähnliche Bewertungen haben der Bundesrat (Bundesratsdrucksache 698/10
vom 11. Februar 2011) und das Europäische Parlament im Bericht „Neue Ent-
wicklungen im öffentlichen Auftragswesen“ (2009/2175(INI)) vom 18. Mai 2010
sowie im Bericht „Über die Modernisierung im Bereich des öffentlichen Auf-
tragswesens“ (2011/2048(INI)) vom 25. Oktober 2011 abgegeben und einen
Richtlinienvorschlag zur Dienstleistungskonzessionsvergabe daher abgelehnt.

Der vorgelegte Vorschlag begrenzt sich zudem nicht auf die Kodifizierung der
Rechtsprechung des EuGH, sondern geht weit darüber hinaus. Die vorgesehenen
Schwellenwerte liegen angesichts der langen Laufzeiten von Dienstleistungs-
konzessionen deutlich zu niedrig und sie sollen auch die voraussichtlichen Ein-
nahmen und die vom Konzessionsgeber zu zahlenden Beiträge erfassen. Diese
Definition beschwört Rechtsunsicherheiten herauf und öffnet Rechtsstreitigkei-
ten Tür und Tor. Das gilt auch für die Definition der Laufzeit. Insgesamt würde
die Verwendung von Dienstleistungskonzessionen deutlich erschwert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

im Europäischen Rat darauf hinzuwirken den vorgelegten Richtlinienvorschlag
zur Konzessionsvergabe abzulehnen.

Berlin, den 28. Februar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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