BT-Drucksache 17/8755

Sicherheit von Patientinnen und Patienten bei Medizinprodukten

Vom 27. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8755
17. Wahlperiode 27. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Diana Golze, Karin Binder,
Matthias W. Birkwald, Petra Pau, Ingrid Remmers, Kathrin Senger-Schäfer,
Kersten Steinke, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion
DIE LINKE.

Sicherheit von Patientinnen und Patienten bei Medizinprodukten

Medizinprodukte geraten regelmäßig in die Schlagzeilen. Fast jedes Mal sind
dabei viele Menschen schwer zu Schaden gekommen, sei es durch künstliche
Hüftgelenke, die massenhaft brechen, oder jetzt aktuell zum Jahreswechsel
2011/2012 durch minderwertige Silikon-Brustimplantate. Erfahrungen zeigen,
dass genaue Zahlen über unerwünschte Ereignisse, hier „Vorkommnisse“ ge-
nannt, schwer zu ermitteln sind, da Ärztinnen und Ärzte und andere Heilberuf-
lerinnen und Heilberufler trotz Verpflichtung nur sehr lückenhaft melden.

Der Skandal um fehlerhafte Brustimplantate, auch wenn es sich hier um ein
Verbrechen handelt, macht noch einmal deutlich, dass bisherige Kriterien für
Zulassung, Marktzugang, Registrierung, Überwachung und Kontrolle nach
Marktzugang sowie auch Versicherungs- und Haftungsfragen bei Medizinpro-
dukten überdacht und insbesondere für Produkte höherer Gefahrenklassen ver-
ändert werden müssen.

Ergänzend zu der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/8548) zu
diesem Thema bleiben wichtige Fragen unbeantwortet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist das Vigilanzsystem für Medizinprodukte aufgebaut?

Wie funktioniert es, wenn das herstellende Unternehmen seinen Sitz nicht in
Deutschland hat?

Welchen Verbesserungsbedarf sieht die Bundesregierung?

2. Wie viele Meldungen zu Vorkommnissen mit Medizinprodukten sind in den
letzten zehn Jahren eingegangen (bitte pro Jahr und Produktklasse auflis-
ten)?

Welche Erkenntnisse oder Vermutungen hat die Bundesregierung über die

Zahl von Vorkommnissen, die nicht gemeldet werden?

Wie wird gewährleistet, dass ausländische, auch außereuropäische Erkennt-
nisse, über Medizinprodukte einfließen?

Wie viele Meldungen über sogenannte Schwerwiegende Unerwünschte
Ereignisse (SAE) gab es in den letzten zehn Jahren?

Drucksache 17/8755 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wie wird die Meldepflicht von Vorkommnissen durchgesetzt?

Welche Anreize bestehen für entsprechende Meldungen bzw. welche Sank-
tionen, falls Meldungen unterlassen werden?

4. Aufgrund welcher Informationen oder Tests werden Medizinprodukte bis-
lang zugelassen (bitte nach den Klassen I, IIa, IIb und III aufschlüsseln)?

Wie wird sichergestellt, dass Medizinprodukte über die gesamte Gebrauchs-
dauer funktionsfähig und sicher sind?

5. Wie häufig werden Produkte in der Lieferkette oder in den Praxen und Kli-
niken in Augenschein genommen?

6. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Firmen wider-
rechtlich eine Medizinprodukte-Zulassung erwirken wollten, und wie viele
dieser Fälle sind erst nach erfolgter Zulassung bekannt geworden?

7. Inwieweit muss für Medizinprodukte ein medizinischer Nutzen nachge-
wiesen werden, damit die Kosten für die Anwendung in Krankenhäusern
von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden (ergänzend zu
der Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 auf Bundestagsdrucksache
17/8548)?

Inwieweit ist der ermittelte Nutzen mit der Nutzenbewertung bei Arznei-
mitteln gemäß § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ver-
gleichbar?

8. Aus welchem Grund werden Behandlungen mit Medizinprodukten bezüg-
lich der Kostenübernahme durch die Krankenkassen bei ambulanter Be-
handlung anders behandelt als Behandlungen mit Arzneimitteln (Verbots-
vorbehalt versus Erlaubnisvorbehalt)?

9. Wie viele Medizinprodukte werden jährlich wegen Mängeln aus dem Ver-
kehr gezogen oder von den Herstellern aufgrund von Fehlermeldungen
nicht mehr weiter vertrieben?

10. Bei wie vielen Medizinprodukten wurden Krankenhäusern bislang die
Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung verweigert
bzw. später zurückgezogen, und was waren die Gründe dafür?

11. Welche Aufklärungspflichten haben die Ärztinnen und Ärzte bei der
Implantation von Brustimplantaten?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Medienberich-
ten, denen zufolge viele Frauen nicht über die Risiken und Folgebehand-
lungen aufgeklärt wurden?

Sieht die Bundesregierung hier ein Vollzugsproblem?

12. Wie teuer ist die Entfernung eines minderwertigen Brustimplantats, insbe-
sondere wenn die Entfernung des Silikonkissens nach dem Auslaufen oder
Ausschwitzen des Füllmaterials durch die Hülle erschwert und dadurch die
Operation komplizierter wird, und wie teuer ist eine Operation durch-
schnittlich, bei der zusätzlich ein entsprechender Brustaufbau wieder vor-
genommen wird?

13. Sind die implantierenden Ärztinnen und Ärzte haftbar zu machen, wenn
sie aufgrund der Beschaffenheit der Implantate der Firma Poly Implants
Prothèses (PIP) hätten erkennen können, dass die Produkte fehlerhaft sind?

Sind der Bundesregierung Aussagen bekannt, nach denen implantierende
Ärztinnen und Ärzte hätten erkennen können, dass die betroffenen Implan-
tate fehlerhaft sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8755

14. Kann die Bundesregierung Medienberichte bestätigen, wonach erst Insider-
aussagen eines PIP-Mitarbeiters eine Überprüfung des Herstellers bewirk-
ten, und welchen Schluss zieht die Bundesregierung daraus?

15. Wie viele Meldungen von Vorkommnissen zu PIP-Brustimplantaten gab es
von April 2010 bis Januar 2012 pro Monat?

Wie viele davon betrafen SAE?

Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus bezüglich der Mel-
depflichterfüllung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte?

Berlin, den 27. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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