BT-Drucksache 17/8613

Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung

Vom 8. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8613
17. Wahlperiode 08. 02. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Christine Lambrecht, Burkhard Lischka, Dr. Eva Högl,
Sebastian Edathy, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke,
Petra Hinz (Essen), Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang),
Thomas Oppermann, Stefan Rebmann, Marianne Schieder (Schwandorf), Sonja
Steffen, Christoph Strässer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Bekämpfung der
Abgeordnetenbestechung

A. Problem

Nach geltendem Recht sind Bestechlichkeit und Bestechung von Parlamenta-
riern nur als Stimmenverkauf und -kauf bei Wahlen und Abstimmungen im
Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder
oder Gemeinden gemäß § 108e des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar. Diese
Vorschrift reicht jedoch nicht aus, alle strafwürdigen Verhaltensweisen von Ab-
geordneten zu erfassen. Die Notwendigkeit einer weitergehenden gesetzlichen
Regelung der Abgeordnetenbestechung ergibt sich zudem aus internationalen
Vorgaben wie dem Strafrechtsübereinkommen des Europarates und dem Über-
einkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption.

Das Regelungserfordernis ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs (BGH). Der 5. Strafsenat des BGH entschied im „Wuppertaler
Korruptionsskandal“ im Mai 2006 (Az.: 5 StR 453/05), dass kommunale Man-
datsträger keine Amtsträger i. S. d. § 331 ff. StGB sind, soweit sie nicht mit
konkreten Verwaltungsaufgaben betraut sind, und hat hier gesetzgeberischen
Handlungsbedarf konstatiert. Der 2. Strafsenat hat sich im Verfahren um den
„Kölner Müllskandal“ dieser Wertung angeschlossen.

B. Lösung

Schaffung eines Straftatbestandes, der das strafwürdige Verhalten von und ge-
genüber Mandatsträgern erfasst und andererseits dem Grundsatz des freien
Mandats der Abgeordneten und den Besonderheiten des politischen Prozesses
Rechnung trägt.
C. Alternativen

Beibehaltung des bisherigen Zustandes, der gegen internationale Vorgaben ver-
stößt.

D. Kosten

Die Höhe der Kosten lässt sich nicht prognostizieren.

den oder Gemeindeverbände oder

2. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates,
des Europäischen Parlaments oder einer Parlamentari-
schen Versammlung einer sonstigen internationalen Or-
ganisation einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür
fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei
der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im
Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld-
strafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied

(4) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs
Monaten wegen einer Straftat nach Absatz 1 oder Absatz 2
kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen
Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angele-
genheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 8. Februar 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Drucksache 17/8613 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Bekämpfung der
Abgeordnetenbestechung

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuchs

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom … (BGBl. …), das zuletzt durch … geändert worden ist,
wird wie folgt geändert:

§ 108e des Strafgesetzbuchs wird wie folgt gefasst:

㤠108e des Strafgesetzbuchs
Bestechlichkeit und Bestechung der Mitglieder

von Volksvertretungen

(1) Wer als Mitglied

1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemein-

1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemein-
den oder Gemeindeverbände oder

2. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates,
des Europäischen Parlaments oder einer Parlamenta-
rischen Versammlung einer sonstigen internationalen
Organisation einen Vorteil für dieses Mitglied oder einen
Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, damit es bei
Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auf-
trag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse.

(3) Ein politisches Mandat oder eine politische Funktion
stellen keinen Vorteil im Sinne dieser Vorschrift dar. Auch
eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechender Gesetze
zulässige Parteispende stellt keinen Vorteil dar. Auch eine
Zuwendung, die im Rahmen der Wahrnehmung des Manda-
tes parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, stellt kei-
nen Vorteil dar.

für gefordert oder gewährt werden, dass der Mandatsträger
ren lässt, später im Auftrag oder nach Weisung zu handeln.
sich in einer bestimmten Weise im Auftrag oder nach Wei-
sung des Auftraggebers verhält. Ein derartiges Verhalten
steht nämlich in krassem Widerspruch zu Artikel 38 Absatz 1

Die vorgenommene oder unterlassene Handlung muss „bei
der Wahrnehmung des Mandats“ erfolgen. Erfasst sind
sämtliche Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktions-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8613

Begründung

A. Allgemeines

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität
der Volksvertreter ist in den vergangenen Jahren stetig ge-
schwunden. Wurden Skandale in der Vergangenheit noch
als Einzelfälle wahrgenommen, beschädigen sie heute
längst die Gesamtheit der politisch Verantwortlichen. Bis
heute gibt es keine strafrechtliche Regelung, die sämtliche
strafwürdigen Verhaltensweisen von Mandatsträgern im Be-
reich der Vorteilsannahme und - zuwendung erfasst.

Die Bestechung ausländischer Abgeordneter im Inland ist
zwar seit 1998 nach dem Gesetz zur Bekämpfung interna-
tionaler Bestechung (IntBestG) strafbar. Bestechlichkeit
und Bestechung inländischer Parlamentarier ist nach gelten-
dem Recht jedoch nur als Stimmenkauf und - verkauf bei
Wahlen und Abstimmungen gemäß § 108e StGB strafbar.
Auf internationaler Ebene fordern Übereinkommen der Ver-
einten Nationen und des Europarates gegen Korruption eine
Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbeste-
chung. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den
wenigen Vertragsstaaten, die das von ihr im Dezember 2003
unterzeichnete UN-Übereinkommen bis heute nicht in na-
tionales Recht umgesetzt haben.

Das Erfordernis einer Neuregelung ergibt sich zudem aus
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Der
5. Strafsenat des BGH entschied im „Wuppertaler Korrup-
tionsskandal“ im Mai 2006 (Az.: 5 StR 453/05), dass kommu-
nale Mandatsträger keine Amtsträger i. S. d. § 331 ff. StGB
sind, soweit sie nicht mit konkreten Verwaltungsaufgaben
betraut sind, und hat hier gesetzgeberischen Handlungs-
bedarf konstatiert. Der 2. Strafsenat hat sich im Verfahren um
den „Kölner Müllskandal“ dieser Wertung angeschlossen.

Die Schwierigkeit in der Formulierung eines Straftatbestan-
des besteht darin, einerseits das strafwürdige Verhalten von
und gegenüber Abgeordneten im Bereich der Vorteilsnahme
und -gewährung wirksam zu erfassen und auf der anderen
Seite dem Grundsatz des freien Mandats und den Besonder-
heiten des politischen Alltags Rechnung zu tragen, also im
politischen Betrieb sozialadäquate Verhaltensweisen straf-
frei zu lassen.

In dieser Legislaturperiode haben die Fraktionen DIE LINKE.
(Bundestagsdrucksache 17/1412) und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/5933) Gesetzentwürfe
zur Regelung der Abgeordnetenbestechung in den Deutschen
Bundestag eingebracht. Beide Entwürfe sind in ihren Formu-
lierungen zu wenig präzise. Die Grenze der Strafbarkeit von
Vorteilsannahme und -zuwendung sollte sich so konkret wie
möglich aus der Strafnorm ergeben. Diesem Anspruch ge-
nügen beide Gesetzentwürfe nicht.

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt eine konkrete Un-
rechtsvereinbarung voraus, der Vorteil muss also gerade da-

wissen unterworfen ist (sog. freies Mandat). Um die im par-
lamentarischen Verkehr üblichen Verhaltensweisen aus der
Strafbarkeit auszuklammern, nimmt der Gesetzentwurf Zu-
wendungen, die parlamentarischen Gepflogenheiten ent-
sprechen, explizit aus dem Vorteilsbegriff heraus. Politische
Ämter und Funktionen sind nach dem Entwurf ebenso we-
nig als Vorteil anzusehen wie die nach dem Parteiengesetz
zulässigen Parteispenden.

B. Einzelbegründung

Geschütztes Rechtsgut ist das öffentliche Interesse an der
Integrität parlamentarischer Prozesse und der Unabhängig-
keit der Mandatsausübung. Die freie Willensbildung und
- betätigung in den Parlamenten soll vor illegaler Einfluss-
nahme geschützt werden. Der Entwurf verzichtet auf eine
Regelung der Versuchsstrafbarkeit, da die Tathandlungen
(fordern, sich versprechen lassen, anbieten, …) die Strafbar-
keit weit vorverlagern.

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs)

Zu Absatz 1

Absatz 1 regelt die Bestechlichkeit von Mandatsträgern des
Deutschen Bundestages, der Landtage und der kommunalen
Vertretungskörperschaften. Internationalen Vorgaben gemäß
sind auch Mitglieder des Europäischen Parlaments, ausländi-
sche Amtsträger sowie Mitglieder parlamentarischer Ver-
sammlungen internationaler Organisationen, z. B. der NATO
oder des Europarates, einbezogen.

Unter Vorteil ist zwar zunächst jede Leistung zu verstehen,
die den Empfänger materiell oder immateriell in seiner wirt-
schaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage besser
stellt und auf die er keinen rechtlich begründeten Anspruch
hat. Dabei kommt es regelmäßig auf den Wert der Zuwen-
dung nicht an. Die Anknüpfung an eine konkrete Unrechts-
vereinbarung (dafür …, dass …) führt jedoch zu einer be-
deutenden Einschränkung des Vorteilsbegriffs. Der Vorteil
muss nämlich gerade deshalb gefordert oder gewährt wer-
den, damit der Mandatsträger sich in einer bestimmten
Weise verhält, also „im Auftrag oder nach Weisung“ des
Auftraggebers handelt. Der Mandatsträger soll gerade durch
den Vorteil dazu verleitet werden, im Auftrag oder nach
Weisung des Auftraggebers zu handeln. Dies ist beispiels-
weise dann nicht der Fall, wenn der Mandatsträger gemäß
seiner inneren Überzeugung handelt, die Vorteilsgewährung
das Verhalten des Mandatsträgers also nicht beeinflusst hat.
Vorteilsgewährungen, die parlamentarischen Gepflogenhei-
ten entsprechen, fallen in der Regel bereits auf der Ebene
der Unrechtsvereinbarung aus dem Tatbestand heraus, weil
sich der Mandatsträger hierdurch regelmäßig nicht motivie-
Satz 2 Grundgesetz, nach dem der Abgeordnete an Aufträge
und Weisungen gerade nicht gebunden und nur seinem Ge-

gremien, also Tätigkeiten im Rahmen der parlamentari-
schen Arbeit im Plenum, den Bundestagsausschüssen, den

die explizite Ausklammerung bestimmter Zuwendungen
oder Vergünstigungen aus dem Vorteilsbegriff vor:

● Politisches Mandat oder politische Funktion

Es sollen die Fälle aus dem Vorteilsbegriff ausgeklammert
werden, in denen ein Mandatsträger sich gegebenenfalls ge-
gen die eigene Überzeugung parteiinternen „politischen“
Positionierungen unterwirft, um sich die Aufstellung als
Kandidat oder die Wahl oder Ernennung in bestimmte poli-
tische Funktionen oder Ämter zu sichern.

● Nach dem Parteiengesetz oder entsprechender Gesetze
zulässige Parteispenden

Aus Gründen der Rechtssicherheit regelt Absatz 3 explizit,
dass die nach Parteiengesetz oder anderen Gesetzen zulässi-
gen Parteispenden nicht unter den Vorteilsbegriff fallen.
Eine Parteispende ist nach dem Parteiengesetz nur dann zu-
lässig, wenn sie erkennbar nicht in Erwartung oder als Ge-
genleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politi-

zulässig, bei denen die Erkundigung über wirtschaftliche,
soziale oder politische Umstände im Vordergrund steht.

Des Weiteren fallen hierunter die Annahme symbolischer
Geschenke oder vergleichbare Vorteile, die nach allgemei-
ner Lebenserfahrung von vorneherein nicht darauf schließen
lassen, mit ihnen könnte der Versuch einer illegitimen Ein-
flussnahme verbunden sein. Die Einräumung der Möglich-
keit, fachliche oder politische Vorträge gegen ein Honorar
durchzuführen, ist ebenfalls als parlamentsüblich anzuse-
hen, sofern sich das Honorar im üblichen Rahmen hält.

Zu Absatz 4

Die Regelung entspricht dem bisherigen § 108e Absatz 2
StGB.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Drucksache 17/8613 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen. Erfasst
sind auch Tätigkeiten in Gremien, wie Bundesversamm-
lung, Vermittlungsausschuss, Gemeinsamer Ausschuss oder
Richterwahlausschuss.

Nicht erfasst sind Verhaltensweisen, die der Mandatsträger
als Mitglied eines parteiinternen Gremiums oder im Rah-
men einer Nebentätigkeit vollzieht. Auch dann, wenn er
lediglich seine „Autorität“ als Mandatsträger dazu einsetzt,
Verwaltungsabläufe in seinem Wahlkreis zu beeinflussen,
handelt er nicht mehr „bei Wahrnehmung seines Mandates“.

Zu Absatz 2

Während Absatz 1 die Strafbarkeit des Mandatsträgers re-
gelt, bildet Absatz 2 das entsprechende aktive Verhalten auf
Seiten des Vorteilsgewährenden bzw. Bestechenden ab.

Zu Absatz 3

Aus Gründen der Rechtssicherheit sieht der Gesetzentwurf

schen Vorteils gewährt wird. Mit dem Zusatz „oder entspre-
chender Gesetze“ wird mit Blick auf ausländische Mandats-
träger klargestellt, dass auch ausländische Gesetze, welche
Regelungen über die Zulässigkeit von Parteispenden treffen,
zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.

● Parlamentarische Gepflogenheiten

Um die im parlamentarischen Verkehr üblichen Verhaltens-
weisen aus der Strafbarkeit auszuklammern, nimmt der Ge-
setzentwurf Zuwendungen, die parlamentarischen Gepflo-
genheiten entsprechen, explizit aus dem Vorteilsbegriff her-
aus. Als solche sollen beispielsweise die im Zusammenhang
mit Informationsgesprächen und Festveranstaltungen übli-
cherweise verbundene Bewirtung bis hin zur Teilnahme an
sportlichen und kulturellen Veranstaltungen gelten. Der un-
entgeltliche Transport zu einer Veranstaltung ist in diesem
Zusammenhang ebenso zu nennen wie die Übernahme der
mit der Teilnahme verbundenen Übernachtungskosten. In
gleicher Weise ist die Durchführung von Informationsreisen

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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