BT-Drucksache 17/8558

Umstrukturierungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 6. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8558
17. Wahlperiode 06. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele,
Volker Beck (Köln), Uwe Kekeritz, Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger,
Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Katja Keul, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Manuel Sarrazin, Claudia Roth (Augsburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umstrukturierungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung

Am 25. Januar 2012 befasste sich der Deutsche Bundestag zunächst in der
Fragestunde und im Anschluss in einer Aktuellen Stunde mit der Personalpolitik
im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ). Anlass war die anhaltende und breite Kritik am Bundesminister für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel und der FDP-Füh-
rung im BMZ in den ersten Wochen des Jahres 2012. Die Kritik kam aus Presse,
Opposition und Fachöffentlichkeit, vor allem aber auch von Seiten des Personal-
rats im BMZ und von der Fraktion der CDU/CSU.

Auslöser der Kritik waren zwei Entscheidungen des BMZ von Dezember 2011
und Januar 2012. Im Dezember 2011 gab die Leitung des BMZ die Einrichtung
der neuen Abteilung „Steuerung und Kommunikation“, den Aufbau drei neuer
Unterabteilungen sowie acht neuer Referate bekannt. Die neue Abteilung soll
von Friedel Eggelmeyer, ehemaliger Sicherheitsberater der FDP-Fraktion im
Deutschen Bundestag geleitet werden. Dieser hatte zuvor die im März 2010 neu
geschaffene Abteilung 4 für „Europäische und multilaterale EZ, Nordafrika,
Nahost und Afghanistan“ geleitet. Seine Nachfolgerin in Abteilung 4 wird
Dr. Uta Böllhoff, laut Hausmitteilung des BMZ zuvor „Senior-Projektleiterin in
leitender Funktion bei der Unternehmensberatung McKinsey&Company“.
Auch Dr. Uta Böllhof war in der Vergangenheit für die FDP aktiv. Ab dem
17. Januar 2012 kam es zu einem anhaltenden Presseecho, nachdem bekannt
geworden war, dass die neue Servicestelle ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH
von einer ehemaligen FDP-Oberbürgermeisterin geleitet werden soll.

Der Personalrat im BMZ kritisiert in seinem 2. Halbjahresbericht 2011, dass
keine Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Neueinstellung von Führungsper-
sonal mehr bestehen. Daher lehnt der Personalrat die neue Abteilung „Planung
und Kommunikation“ ab und befürchtet sogar, mit dieser Umstrukturierung

entstehe die neue „Kampa für den Wahlkampf 2013“. Zudem wird seitens des
Personalrates die fehlende bzw. nicht ausreichende Berücksichtigung von fach-
licher Qualifikation bei den aktuellen Personalentscheidungen bemängelt – ins-
besondere, weil langjährige und fachlich hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen/
Mitarbeiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung übergangen wurden.

Drucksache 17/8558 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch der Koalitionspartner ist über die liberale Personalpolitik verärgert. Die
Obfrau der Union im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung des Deutschen Bundestages, Sibylle Pfeiffer, schrieb in einem Brief
vom Dezember letzten Jahres an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, dass
die Personalentscheidungen des Bundesministers Dirk Niebel weder mit der
Union abgesprochen noch in deren Interesse seien. Auch der Dachverband der
entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen VENRO – Verband
Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. beanstan-
dete, dass das Versprechen, die Zivilgesellschaft bei der Konzeption für die neue
Servicestelle ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH eng einzubeziehen, ge-
brochen wurde.

In der Fragestunde am 25. Januar 2012 stand die Parlamentarische Staatssekre-
tärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung, Gudrun Kopp, für die Beantwortung der fristgerecht eingereichten und
schriftlich vorliegenden Mündlichen Fragen der Abgeordneten sowie für deren
Nachfragen zur Verfügung. Während der Fragestunde wurde wiederholt und von
Abgeordneten verschiedener Fraktionen angemerkt, dass einige Fragen nicht
vollständig beantwortet worden seien, andere Antworten von der Parlamentari-
schen Staatssekretärin Gudrun Kopp standen in der Wahrnehmung der Frage-
stellerinnen und Fragesteller im Widerspruch zu vorliegenden Informationen
und früheren Aussagen, etwa des Bundesministers Dirk Niebel (Plenarprotokoll
17/154).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Antwort der Parlamen-
tarischen Staatssekretärin Gudrun Kopp in der Fragestunde im Deutschen
Bundestag am 25. Januar 2012, auf die Frage des Abgeordneten Sascha
Raabe, zu welchem Zeitpunkt Bundesminister Dirk Niebel von der Be-
werbung von Gabriela Büssemaker erfahren habe, „Ich kann Ihnen aber
kein Datum nennen und nicht sagen, wer bei ihm wann in welcher Weise
nachgefragt hat. Ich kann auch nicht sagen, ob er im Nachhinein eine Liste
gesehen hat. Ich glaube auch, das ist nicht relevant“, eine unzureichende
Antwort auf die fristgerecht eingereichte Mündliche Frage ist.

b) Hält die Bundesregierung es für angemessen, die Mündliche Frage eines
Abgeordneten als „nicht relevant“ einzustufen und deshalb nicht zu beant-
worten (vgl. Plenarprotokoll 17/154)?

2. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Antwort der Parla-
mentarischen Staatssekretärin Gudrun Kopp in der Fragestunde im Deut-
schen Bundestag am 25. Januar 2012, sie habe noch nie mit Gabriela
Büssemaker gesprochen, eine unzureichende Antwort auf die fristgerecht
eingereichten Mündlichen Fragen verschiedener Abgeordneter zu der
Aussage von Gabriela Büssemaker in einem Interview im „Boulevard
Baden“ vom 16. Oktober 2011 ist?

b) Wie begründet die Bundesregierung, dass die Parlamentarische Staatssek-
retärin sich auf diese Frage offensichtlich nicht angemessen vorbereitet
hat (vgl. Plenarprotokoll 17/154)?

3. Ist die Äußerung von Bundesminister Dirk Niebel in der Aktuellen Stunde im
Deutschen Bundestag am 25. Januar 2012 „Die verbliebenen 71 Stellen sind
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die größte Chance in der Geschichte
des Ministeriums, aufzusteigen oder sich in ihrer Funktion zu verändern“ so
zu verstehen, dass 71 Personen im BMZ, die dort seit mehr als zwei Jahren
arbeiten, im Zuge des Personalaufwuchses aufsteigen bzw. ihre Funktion im

Bundesministerium verändern werden (vgl. Plenarprotokoll 17/154)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8558

4. Wie lautete die Aufgabenbeschreibung für die Ausschreibung der Leitung
der Servicestelle ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH des BMZ gegenüber
der Firma Dr. Heimeier & Partner Management- und Personalberatung
GmbH, und was war der genaue Gegenstand des Gespräches zwischen der
Firma und den Abteilungsleitern im BMZ, auf das die Parlamentarische
Staatssekretärin Gudrun Kopp in der Fragestunde am 25. Januar 2012 ver-
wiesen hat (vgl. Plenarprotokoll 17/154)?

5. Inwieweit und mit welcher Zielsetzung haben Bundesminister Dirk Niebel
oder andere Mitglieder der Leitungsebene des BMZ vor und nach dem In-
terview von Gabriela Büssemaker im „Boulevard Baden“ vom 16. Novem-
ber 2011 Gespräche mit ihr über die geplante Stelle vor dem Beginn des
Bewerbungsverfahrens und vor dessen Abschluss geführt?

6. Inwiefern trifft es zu, dass die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun
Kopp es erläuterte, dass Bundesminister Dirk Niebel während des laufen-
den Bewerbungsverfahrens für die Leitung der Servicestelle ENGAGE-
MENT GLOBAL gGmbH Einsicht in die Liste der 133 Bewerberinnen und
Bewerber gehabt hatte?

Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

7. Wann wurde Gabriela Büssemaker erstmals von welcher Stelle im BMZ
darüber informiert, dass sie voraussichtlich ihre spätere Stelle erhält?

8. Wann erhielt sie die endgültige Bestätigung, und von wem?

9. Für welche Ausschreibungsverfahren neben dem für die Leitung der neuen
Servicestelle ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH beauftragte die Bundes-
regierung die Firma Dr. Heimeier & Partner Management- und Personalbe-
ratung GmbH?

10. Bestanden persönliche oder geschäftliche Beziehungen zwischen Personen
aus der Leitungsebene des BMZ von der Abteilungsleiterebene aufwärts
und der für das Ausschreibungsverfahren für die Servicestelle ENGAGE-
MENT GLOBAL gGmbH beauftragten Firma Dr. Heimeier & Partner Ma-
nagement- und Personalberatung GmbH, bevor der Auftrag an die Bera-
tungsfirma vergeben wurde?

11. Was versteht die Bundesregierung genau unter der Erhöhung der Steue-
rungsfähigkeit des BMZ?

12. Hält die Bundesregierung für eine Stärkung der Steuerungsfähigkeit des
BMZ auch eine personelle Stärkung der Fach- und Länderreferate für not-
wendig?

Wenn ja, in welcher Form, und in welchem Ausmaß (bitte die entsprechen-
den Referate nennen)?

13. Welche Referate im BMZ, die bereits vor der im Dezember 2011 bekannt
gewordenen Umstrukturierung des BMZ bestanden, werden durch den Stel-
lenaufwuchs gestärkt?

14. Welche Personen und Referate im BMZ waren in die Entscheidung für eine
neue Abteilung und drei neue Unterabteilungen einbezogen, und welche
Personen und Referate waren mit der Konzeption dieser neuen Abteilung
betraut?

15. Was sind die genauen Aufgabenbeschreibungen der neu geschaffenen
Referate im BMZ, wie sie im Dezember 2011 bekannt gegeben wurden?

16. Welche externe Beratung erarbeitet bzw. unterstützt die Erarbeitung der
genauen Verteilung der neuen Stellen auf die Organisationseinheiten im

BMZ, wie wurde diese ausgewählt, und welche Kosten entstehen dadurch
(vgl. Plenarprotokoll 17/154)?

Drucksache 17/8558 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

17. Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde der Personalrat im BMZ in die
Besetzung der frei werdenden Abteilungsleiterstelle im BMZ einbezogen,
die dann an Dr. Uta Böllhof ging, und wie verhält sich dies zu der Aussage
von der Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun Kopp in der Frage-
stunde des Deutschen Bundestages „Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei
der Besetzung von Stellen, bei der Auswahl geeigneter Personen – für wel-
che Stelle auch immer – den Personalrat einbeziehen.“ (vgl. Plenarprotokoll
17/154)?

18. Wie bewertet die Bundesregierung im Einzelnen die Aussagen und Anga-
ben im Tätigkeitsbericht des Personalrates im BMZ zu dem diesjährigen
Stellenaufwuchs „Das erscheint nur auf den ersten Blick ein Selbstläufer zu
sein. Schaut man genauer hin, schmilzt der Stellensegen schnell dahin: 65
Stellen dienen dazu, die bereits im letzten Jahr unter dem Label „65 plus“
geschaffenen Posten zu BMZ-Stellen zu machen – dadurch erhalten wir
keine einzige zusätzliche Arbeitskraft im Haus. 46 Stellen sollen für zusätz-
liche WZ-Referenten an das Außenamt gehen. Weitere sechs Stellen sollen
im Zusammenhang mit der Abgabe der entwicklungsorientierten Not- und
Übergangshilfe an das Außenamt gehen. Siebzehn Stellen fallen durch
lineare Kürzungen und die Erbringung von Kw-Vermerken gleich wieder
weg. Bleiben knapp 50 Stellen, von denen etwa 36 durch Kolleginnen und
Kollegen des mittleren und gehobenen Dienstes aus dem Geschäftsbereich
des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) gefüllt werden sollen.
Das bedeutet: Wir bekommen in der Zentrale im kommenden Jahr maximal
fünf zusätzliche Stellen im höheren Dienst.“, oder widerspricht sie den Aus-
sagen des Personalrates?

Wenn ja, wie verteilen sich die Stellen aus Sicht der Bundesregierung?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Personalrats im BMZ,
er sei zu spät über die Gründung der neuen Abteilung „Planung und Kom-
munikation“ informiert worden?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung des Personalrates im
BMZ, dass durch den Stellenaufwuchs im BMZ netto nur wenig wirklich
neue Stellen hinzukommen und dass angesichts dieser Tatsache dieses Jahr
nicht die Zeit sei, um neue Leitungsposten zu schaffen?

21. Wie setzt sich die angesprochene Einsparung von, wie es Bundesminister
Dirk Niebel in der Aktuellen Stunde am 25. Januar 2012 formulierte, „un-
term Strich 300 Stellen“ genau zusammen (bitte nach BMZ und Vorfeld-
organisation aufschlüsseln)?

Bedeutet die Einsparung von ca. 300 Stellen auch eine finanzielle Einspa-
rung für den Bundeshaushalt, und wenn ja, in welcher Höhe?

22. Trifft es nach Ansicht der Bundesregierung zu, dass im BMZ seit der Amts-
übernahme durch Bundesminister Dirk Niebel 24 neue Leitungsstellen ge-
schaffen worden sind?

Wenn nein, wie viele sind es tatsächlich, und wie begründet die Bundes-
regierung jede einzelne dieser Stellen?

23. In welchem Bereich sollen die angekündigten 36,5 Stellen aus dem Über-
hangpersonal des BMVg eingesetzt werden?

24. Wann und wo ist die Stelle der Leitung für die Unterabteilung 12 des BMZ
ausgeschrieben worden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8558

25. Sind der Bundesregierung Fälle von Personen bekannt, die im Assessment
Center des BMZ zunächst durchgefallen waren, die jedoch zu einem späte-
ren Zeitpunkt erneut zu Bewerbungsgesprächen eingeladen wurden und/
oder in der Folge eingestellt wurden?

Wenn ja, um wie viele Personen handelt es sich, und wo sind diese Personen
jetzt eingesetzt?

26. Wie verläuft das aktuelle Auswahlverfahren für Stellen im BMZ genau, und
gibt es nach Ansicht der Bundesregierung Möglichkeiten, dieses Bewer-
bungsverfahren, etwa für eine Referentinnen-/Referentenstelle in einem
Fachreferat, durch den Arbeitgeber auszusetzen?

27. Welche Auswahlkriterien legt das BMZ für eine erfolgreiche Bewerbung
für den höheren Dienst zugrunde, und gibt es hierbei Mindestanforderun-
gen, wie etwa entwicklungspolitische Fachkenntnisse, praktische Erfahrun-
gen in der Umsetzung von Projekten in Entwicklungsländern, Hochschul-
abschluss oder Mindestnote beim Hochschulabschluss?

28. In welchen Fällen und aus welchen Gründen wurden seit 2009 im BMZ bei
der Einstellung Ausnahmen von Regelverfahren für Neueinstellungen ge-
macht?

29. An wie viele Personen, die nicht aus dem Verwaltungsbereich oder dem Be-
reich Übersetzer oder dem Bereich IT stammen, und die nicht das Standard-
auswahlverfahren des BMZ durchlaufen haben, wurden in den letzten Jah-
ren unbefristete Verträge vergeben, und wie begründet die Bundesregierung
diese Ausnahmeregelungen?

Berlin, den 6. Februar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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