BT-Drucksache 17/8455

Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken

Vom 24. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8455
17. Wahlperiode 24. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau),
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Christine Lambrecht, Willi Brase, Bernhard
Brinkmann (Hildesheim), Ulla Burchardt, Sebastian Edathy, Ingo Egloff, Petra
Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann,
Petra Hinz (Essen), Dr. Eva Högl, Christel Humme, Oliver Kaczmarek, Ute Kumpf,
Burkhard Lischka, Caren Marks, Katja Mast, Thomas Oppermann, Florian
Pronold, René Röspel, Sonja Steffen, Christoph Strässer, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine gerechte Bildungsteilhabe ist eine wesentliche Voraussetzung für eine
nachhaltige gesellschaftliche Teilhabe, positive Lebensperspektiven und für
eine selbstbestimmte Lebensführung. Bildung ist ein Menschenrecht und steht
jeder Einzelnen und jedem Einzelnen in gleicher Weise zu. Als öffentliches Gut
bleibt es Aufgabe des Staates, ein gerechtes und leistungsfähiges Bildungs-
wesen zu gewährleisten. Grundsätzlich hat sich der Bildungsföderalismus dabei
bewährt. Er muss jedoch im Lichte neuer gesellschaftlicher Entwicklungen
sowie sich ändernder bildungspolitischer Herausforderungen regelmäßig über-
prüft, bei Bedarf angepasst und im Sinne eines kooperativen Föderalismus
weiterentwickelt werden.

Die Bildungspolitik steht unverkennbar vor steigenden Herausforderungen. Sie
ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft und bedarf einer ganzheitlichen
Strategie, die alle politischen Ebenen mit einbezieht. Für das Zusammenwirken
der unterschiedlichen Akteure braucht es verbindliche Regelungen, die eine
sinnvolle und notwendige Kooperation zwischen Bund und Ländern zulässt.

Die Internationalisierung der Bildung und die Schaffung eines europäischen
Bildungsraumes erzeugen neue Möglichkeiten und Chancen, aber auch einen
länderübergreifenden Anpassungsbedarf, um sie nutzen zu können. Zunehmend
individuelle Bildungsbiographien folgen ebenso steigenden wie veränderlichen
Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschäftigten in einer
wissensgetriebenen Wirtschaft. Hinzu kommen der Bedeutungszuwachs der
frühkindlichen Bildung, der integrativen und inklusiven Bildung, das Ziel der

Sicherung und Weiterentwicklung der kommunalen Bildungsinfrastrukturen
sowie die Bewältigung des Strukturwandels in der Hochschullandschaft als
übergreifende Aufgabenstellungen.

Drucksache 17/8455 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Bildungszusam-
menarbeit von Bund, Ländern und Kommunen sind in Anbetracht dieser bil-
dungspolitischen Herausforderungen unzureichend. Der Ausschluss der substan-
ziellen Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der allgemeinen Bildung und
der Vorbehalt der Gesetzgebungsbefugnis für Bundesfinanzhilfen erschweren
sachgerechte Lösungsansätze.

Die zweite Stufe der Föderalismusreform konnte hier nur teilweise eine Ver-
besserung erzielen, denn die bildungspolitischen Herausforderungen bestehen
unabhängig von der Frage, ob natürliche bzw. menschengemachte Katastrophen
die Finanzlage des Staates beeinträchtigen.

Die Themenagenda der bisherigen Bildungsgipfel von Bund und Ländern so-
wie der „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“ belegt ebenfalls die zu-
nehmende Notwendigkeit zur kooperativen Aufgabenwahrnehmung. Als ent-
scheidendes Defizit hat sich dabei insbesondere das weitgehende Finanzie-
rungsverbot für den Bund im Bildungsbereich herausgestellt. Befristete und
projektbasierte Maßnahmen sind nur begrenzt zulässig und zudem grundsätz-
lich nicht geeignet, die notwendige Planungssicherheit zur nachhaltigen Ver-
besserung des Bildungssystems zu schaffen.

Eine mögliche angemessene Lösung ist die Schaffung eines neuen Grund-
gesetzartikels für Finanzhilfen des Bundes in der Bildung. Dessen Regelungs-
gehalt sollte somit die Möglichkeit eröffnen, dass der Bund auf der Grundlage
einer Vereinbarung mit den Ländern Finanzhilfen im gesamten Bildungsbereich
und zudem dauerhaft leisten kann, sofern alle Länder zustimmen und die Bil-
dungshoheit der Länder nicht eingeschränkt wird. Eine solche Regelung ist ge-
eignet, den kooperativen Bildungsföderalismus zu stärken und die Zusammen-
arbeit von Bund und Ländern zur gemeinsamen und nachhaltigen Verbesserung
des Bildungswesens zu fördern. Die primäre Zuständigkeit der Länder für das
Bildungswesen bleibt unberührt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, der Folgen-
des beinhaltet:

1. Nach Artikel 104b wird ein neuer Artikel 104c eingefügt, der auf Grundlage
von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern dauerhafte Finanzhilfen
des Bundes für Bildung ermöglicht, ohne die Bildungshoheit der Länder ein-
zuschränken.

2. Um die Gleichbehandlung der Länder sicherzustellen, ist dabei vorzusehen,
dass diese Vereinbarungen von den Ländern nur einstimmig beschlossen
werden können.

Berlin, den 24. Januar 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.