BT-Drucksache 17/8407

Unbezahlte Praktika als Eingliederungsmaßnahme von Erwerbslosen beim Internetversandhaus Amazon

Vom 19. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8407
17. Wahlperiode 19. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Diana
Golze, Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus,
Nicole Gohlke, Katja Kipping, Cornelia Möhring, Jens Petermann, Yvonne Ploetz,
Ingrid Remmers, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Unbezahlte Praktika als Eingliederungsmaßnahme von Erwerbslosen beim
Internetversandhaus Amazon

Tausende Erwerbslose wurden in den vergangenen Jahren über mehrere Wochen
beim Internetversandhaus Amazon an verschiedenen Logistikstandorten in
Deutschland befristet eingestellt. Während dieser Zeit erhielten sie zur beruf-
lichen Eingliederung bis zu zwei Wochen lang weiterhin Arbeitslosengeld I bzw.
Arbeitslosengeld II. Danach mündet diese Maßnahme in der Regel in eine be-
fristete Beschäftigung von drei Wochen bis sechs Monaten während des Weih-
nachtsgeschäfts. Amazon betreibt in Deutschland Logistikzentren in Graben,
Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg und Werne.

Auf die Frage von „SPIEGEL ONLINE“, warum Amazon es überhaupt nötig
habe, die Leistungen der Agenturen für Arbeit abzugreifen, antwortet Armin
Cossmann, Leiter der deutschen Logistikzentren: „Amazon nutzt diese Maß-
nahme keineswegs exklusiv. Das ist gängige Praxis. Zudem ist es niemals eine
Entscheidung, die Amazon allein trifft, sondern immer in Absprache mit den Ar-
beitsagenturen und den Jobcentern. Das Gesetz bietet diese Möglichkeit, es sieht
sie ausdrücklich vor, um Arbeitslose wieder an das Erwerbsleben zu gewöhnen.“
(www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,druck-800778,00.html).

Grundlage sind § 46 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bzw. § 16
Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 46
SGB III. Konkret arbeiten die Betroffenen im Zuge einer „Trainingsmaßnahme“
zur Probe, ohne dass sie von Amazon dafür bezahlt werden. Die Kosten über-
nehmen die jeweiligen Jobcenter bzw. die Arbeitsagenturen und damit die
Steuerzahler und Beitragszahler bzw Steuerzahlerinnen und Beitragszahlerinnen,
letztlich die Arbeitslosen selbst, über zuvor geleistete Beiträge zur Arbeitslosen-
versicherung bzw. ihr Steueraufkommen. Nach Angaben der Bundesagentur für
Arbeit (BA) wurden allein seit dem 1. Januar 2011 ca. 2 900 Maßnahmen bei
Amazon durchgeführt (vgl. Ausschussdrucksache 17(11)731 des Ausschusses

für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages). So wurden allein am Ama-
zonstandort Werne im Jahr 2011 fast 1 800 Einstellungen über die Arbeitsver-
mittlung der BA bzw. der Jobcenter vorgenommen. Legt man die zweiwöchige
Maßnahmendauer bei insgesamt 1 629 geförderten Erwerbslosen durch Weiter-
zahlung der Leistungsbezüge von 400 Euro zugrunde, ergibt dies in der Summe
eine öffentliche Subventionierung von ca. 650 000 Euro allein am Amazon-
standort Werne (vgl. Vorlage 15/1008 für den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit,

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Soziales und Integration des Landtags Nordrhein Westfalen – NRW – vom
28. November 2011). In der Regel erfolgt bei Amazon nach dem Auslaufen der
Förderung die Einstellung in ein befristetes Beschäftigungsverhältnis, meist bis
nach dem Weihnachtsgeschäft, also saisonal bedingt, aktuell bis zum 31. De-
zember 2011 bzw. 31. Januar 2012. Nach den Angaben von Amazon stellt das
Unternehmen allein 2011 10 000 saisonelle Arbeitskräfte ein. Das Ministerium
für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) des Landes Nordrhein-Westfalen
kommt deshalb zu dem Ergebnis, „dass es in erheblichem Maße öffentliche För-
derungen zu Gunsten von Amazon gegeben hat […] obwohl eine Nachhaltigkeit
der Arbeitsmarktintegration offensichtlich verfehlt wird.“ (vgl. Vorlage des
Landtags NRW 15/1008).

Dass Amazon auch ohne die Subventionierung billiger Arbeitskräfte für seine
Logistikzentren auskommt beweist die Tatsache, dass Amazon über die zentrale
Auslandsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) spanische Arbeit-
nehmer/Arbeitnehmerinnen befristet für das Weihnachtssaisongeschäft für den
Logistikstandort Bad Hersfeld rekrutiert hat. Nach Angaben der ZAV werden
neben einer attraktiven Bezahlung auch die Reisekosten der ausländischen Be-
werber/-innen, Verpflegung sowie die Kosten für die Unterkunft während der
gesamten Beschäftigungszeit von Amazon übernommen. Eine Probearbeitszeit
oder Förderung einer Maßnahme beim Arbeitgeber habe nicht stattgefunden, so
die ZAV (vgl. Vorlage des Landtags NRW 15/1008).

In seiner Ausgabe vom 28. November 2011 auf Seite 83 („Doppelter Vorteil“)
berichtet das Magazin „DER SPIEGEL“, dass es bei Maßnahmen bei einem Ar-
beitgeber (MAG) nach § 46 SGB III zu sogenannten Doppelförderungen bei
Amazon gekommen sei. Demnach haben Erwerbslose trotz befristeter Beschäf-
tigung in den Vorjahren bei Amazon erneut eine kostenlose MAG im gleichen
Arbeitsbereich absolvieren müssen. Indirekt, so „DER SPIEGEL“, kassiere
Amazon damit doppelt und dreifach. Zwar schreibt die BA in ihrer Unterrich-
tung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales, dass keine Erkenntnisse zur
mehrfachen Förderung desselben Arbeitnehmers/derselben Arbeitnehmerin bei
Amazon vorliegen (vgl. Ausschussdrucksache 17(11)731); da aber die Ent-
scheidung zur Förderung von MAG in dezentraler Verantwortung der Jobcenter
liegt und darüber hinaus scheinbar keine Statistik darüber geführt wird, wer wo
wie viel der staatlich finanzierten Trainingsmaßnahmen absolviert hat, ist einem
Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Auch die Bundesregierung schränkt in ihrer
Antwort auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE
LINKE.) die Aussage der BA ein: Danach sei es „nicht auszuschließen, dass im
Einzelfall die Ermessensausübung der zuständigen Vermittlungskräfte vor Ort
fehlerhaft gewesen sein könnte.“ (vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 87 auf
Bundestagsdrucksache 17/8102). Auch das MAIS des Landes Nordrhein-West-
falen kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass es in Nordrhein-
Westfalen in Einzelfällen Doppelförderungen gegeben habe. Dies sei nicht mit
den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Gewährung
von Eingliederungsleistungen nach § 3 Absatz 1 SGB II in Einklang zu brin-
gen, so das Ministerium (vgl. Vorlage des Landtags NRW 15/1008).

Entgegen den Äußerungen des MAIS des Landes Nordrhein-Westfalen wurde
von der BA eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Förderleistungen durch
Amazon nicht festgestellt oder vermutet. Insbesondere sei sichergestellt, dass
kein Ausgleich saisonaler Spitzenbelastungen über MAG erfolge. Im Ergebnis,
so die BA, überwiegen die Chancen die Risiken deutlich.

Selbst wenn scheinbar keine MAG in der Weihnachtszeit 2011 vergeben wur-
den, ist es nichtsdestotrotz offensichtlich, dass es „gängige Praxis“ ist, dass sich
im Anschluss der MAG saisonal befristete Beschäftigungsverhältnisse im er-

heblichen Umfang anschließen und es sich somit um einen missbräuchlichen
Einsatz des Förderinstrumentes handelt. Es stellt sich vor allem die Frage nach

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8407

der Sinnhaftigkeit der MAG im Fall Amazon, wenn der alleinige Zweck der
Maßnahme darin besteht, die Erwerbslosen im Vorfeld des Weihnachtsgeschäf-
tes einzuarbeiten und sie anschließend nach wenigen Wochen wieder zu kündi-
gen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass scheinbar Tausende von befriste-
ten Beschäftigten Jahr für Jahr erneut diese Praxis durchlaufen. Somit ist weder
das Ziel der Maßnahme erkennbar noch wird der Grundsatz von Wirtschaftlich-
keit und Sparsamkeit bei der Gewährung von Eingliederungsleistungen ge-
wahrt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Allgemeinheit dafür aufkommen
soll, dass Unternehmen unter dem Deckmantel der rechtlichen Vorschriften sich
mit Lohnsubventionierungen in erheblichem Umfang Wettbewerbsvorteile ver-
schaffen.

Nicht zuletzt haben die Koalitionsfraktionen wenige Tage vor der Verabschie-
dung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeits-
markt (Bundestagsdrucksache 17/6277) in einem Änderungsantrag die Dauer der
geförderten Maßnahmen von vier auf sechs Wochen, in § 16 Absatz 3 SGB II so-
gar auf zwölf Wochen, bei besonders schwer vermittelbaren Jugendlichen unter
25 Jahren ebenfalls auf zwölf Wochen heraufgesetzt (vgl. Bundestagsdrucksache
17/7065). Begründet wird diese Heraufsetzung damit, dass mit der Änderung
künftig eine längere Aktivierungsphase bei Arbeitgebenden ermöglicht werden
solle. Mit dem längeren Zeitraum könne die Chance auf Eingliederung verbessert
werden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7065, S. 17 und 19).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann besteht eine Zusammenarbeit zwischen dem Internetversandhaus
Amazon und der BA?

Welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wurden seitdem von Amazon
in Anspruch genommen?

2. Wie viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte waren im Jahresdurch-
schnitt bei den einzelnen Logistikstandorten von Amazon seit 2006 nach An-
gaben der BA beschäftigt (bitte nach Logistikstandorten und Jahren auf-
schlüsseln)?

3. Wie viele befristete Beschäftigungsverhältnisse bestanden im Jahresdurch-
schnitt bei den einzelnen Logistikstandorten von Amazon seit 2006 nach An-
gaben der BA (bitte nach Logistikstandorten und Jahren aufschlüsseln)?

4. Wie viele MAG-Stellen (bzw. bis 31. Dezember 2008 „Trainingsmaßnah-
men“) haben die Agenturen für Arbeit und Jobcenter seit 2006 für die einzel-
nen Logistikstandorte von Amazon genehmigt (bitte nach Logistikstandor-
ten und Jahren aufschlüsseln)?

5. Wie viele MAG bzw. Trainingsmaßnahmen wurden seit 2006 insgesamt
bundesweit und in den Bundesländern durchgeführt (bitte nach Jahren auf-
schlüsseln)?

6. Welches sind die fünf Wirtschaftsabschnitte, in denen MAG bzw. Trainings-
maßnahmen am häufigsten im Zeitraum von 2006 bis 2011 genutzt wurden
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

7. Welches sind deutschlandweit die 20 Unternehmen mit den meisten MAG
und Trainingsmaßnahmen im Zeitraum von 2006 bis 2011 (bitte nach Jahren
aufschlüsseln)?

8. Welche Agenturen für Arbeit und Jobcenter haben MAG-Stellen bzw. Trai-
ningsmaßnahmen für die Logistikstandorte von Amazon seit 2006 bereit-
gestellt (bitte nach Agentur bzw. Jobcenter und jeweiligen Logistikstandorten

sowie nach Jahren aufschlüsseln)?

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9. Wie viele Personen haben seit 2006 eine MAG bzw. Trainingsmaßnahme
bei den Logistikstandorten von Amazon angetreten und wurden anschlie-
ßend in ein sozialversicherungspflichtiges unbefristetes Beschäftigungsver-
hältnis übernommen (bitte nach Logistikstandorten und Jahren aufschlüs-
seln)?

10. Wie viele Personen wurden seit 2006 im Anschluss an eine MAG bzw.
Trainingsmaßnahme bundesweit und in den Bundesländern in ein sozial-
versicherungspflichtiges unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernom-
men (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen haben seit 2006 eine MAG bei den Logistikstandorten
von Amazon angetreten und wurden anschließend in ein befristetes Be-
schäftigungsverhältnis übernommen (bitte nach Logistikstandorten und
Jahren aufschlüsseln)?

12. Wie viele Personen wurden seit 2006 im Anschluss an eine MAG bzw.
Trainingsmaßnahme bundesweit und in den Bundesländern in ein befriste-
tes Beschäftigungsverhältnis übernommen (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln)?

13. Wie viele erwerbsfähige Hilfebedürftige haben seit 2006 nach dem SGB II
eine MAG bzw. Trainingsmaßnahme bei den Logistikstandorten von
Amazon angetreten und wie viele Arbeitslose nach dem SGB III (bitte nach
Logistikstandorten und Jahren aufschlüsseln)?

14. Wie viele erwerbsfähige Hilfebedürftige haben seit 2006 nach dem SGB II
eine MAG bzw. Trainingsmaßnahme insgesamt bundesweit und in den
Bundesländern angetreten und wie viele Arbeitslose nach dem SGB III
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

15. Wie viele Personen wurden seit 2006 an den jeweiligen Logistikstandorten
insgesamt eingestellt, wie viele von diesen wurden nach § 16 SGB II in
Verbindung mit § 46 SGB III gefördert, und wie hoch belaufen sich die
Kosten insgesamt und pro teilnehmendem Erwerbslosen durch Weiterzah-
lung der Leistungsbezüge (bitte nach Standort und Jahren aufschlüsseln)?

16. Wie hoch belaufen sich die Kosten insgesamt und pro teilnehmendem Er-
werbslosen durch Weiterzahlung der Leistungsbezüge seit 2006 bundesweit
und in den Bundesländern bei MAG und Trainingsmaßnahmen (bitte nach
Jahren aufschlüsseln)?

17. Teilt die Bundesregierung die Aussage des MAIS Nordrhein-Westfalen, wo-
nach es in erheblichem Maße öffentliche Förderungen zugunsten von Ama-
zon gegeben hat, obwohl eine Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration
offensichtlich verfehlt wird (vgl. Vorlage des Landtags NRW 15/1008) (bitte
begründen)?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des MAIS Nordrhein-Westfalen,
dass sich Amazon mit Hilfe der MAG billige Arbeitskräfte verschafft hat,
um so Wettbewerbsvorteile zu erlangen insbesondere vor dem Hintergrund,
dass Amazon über die Vermittlung der ZAV spanische Arbeitnehmer/-in-
nen befristete Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen des Weihnachtsge-
schäftes anbietet ohne eine vorgeschaltete Förderung in Anspruch zu neh-
men (vgl. Vorlage des Landtags NRW 15/1008)?

19. An welchen Amazonlogistikstandorten wurde – außer Bad Hersfeld – eben-
falls auf die Vermittlungsdienste der ZAV zurückgegriffen?

Wie viele Beschäftigte aus welchen Ländern wurden im Jahr 2011 insge-
samt über die ZAV an Amazon vermittelt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8407

20. Bei wie vielen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist im Vorfeld der MAG
bei Amazon nach § 16 SGB II in Verbindung mit § 46 SGB III eine Poten-
zialanalyse im Sinne des § 37 SGB III erstellt worden (bitte nach Logistik-
standorten und Jahren aufschlüsseln)?

21. Wie viele Personen haben eine MAG bzw. Trainingsmaßnahme bei einem
der Logistikstandorte von Amazon seit 2006 abgebrochen?

In welchem Ausmaß wurden deshalb Sanktionen und Sperrzeiten gegen die
jeweiligen Personen verhängt (bitte nach Logistikstandorten und Jahren
aufschlüsseln)?

22. Warum werden Tätigkeiten in einem Betrieb nach der Arbeitshilfe gemäß
§ 16 SGB II in Verbindung mit § 46 SGB III, die dazu dienen, urlaubs- und
krankheitsbedingte Ausfälle oder betriebliche Spitzenbelastungen auszu-
gleichen, von der Förderung ausgeschlossen, Tätigkeiten, die dem Aus-
gleich saisonal bedingter Spitzenbelastungen dienen, aber nicht?

23. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass es sich bei den von Ama-
zon in Anspruch genommenen MAG, denen sich nach Beendigung ein be-
fristetes Beschäftigungsverhältnis anschließt, zum 31. Dezember bzw.
31. Januar eines Jahres, lediglich um einen Ausgleich saisonal bedingter
Spitzenbelastungen im Weihnachtsgeschäft handelt?

Wenn nein, wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser
Praxis die Aussage des Leiters der deutschen Logistikzentren von Amazon,
der explizit von Saisonarbeitskräften mit Trainingsmaßnahmen spricht
(vgl. SPIEGEL ONLINE vom 1. Dezember 2011, „Das ist gängige Pra-
xis“)?

24. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass vor dem Hintergrund der
Stellungnahme des MAIS Nordrhein-Westfalen sowie der Aussagen des
Leiters der deutschen Logistikzentren von Amazon es sich entgegen der
Behauptung der BA in ihrer Unterrichtung an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales vom 1. Dezember 2011 (Ausschussdrucksache 17(11)731) sehr
wohl um einen Ausgleich saisonaler Spitzenbelastungen handelt?

Wird die Bundesagentur für Arbeit ihre Aussage korrigieren, und welche
Maßnahmen werden die Bundesregierung und die Bundesagentur für Ar-
beit ergreifen, dass Wettbewerbsverzerrungen und Mitnahmeeffekte durch
die MAG in Zukunft ausgeschlossen werden?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung Chancen und Risikobewertung der BA in
ihrer Unterrichtung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vom
1. Dezember 2011 (Ausschussdrucksache 17(11)731), wonach sowohl
Wettbewerbsverzerrungen als auch Mitnahmeeffekte möglich bzw. nicht
auszuschließen sind, und in welchen Fällen können diese nach Auffassung
der Bundesregierung auftreten?

26. Wie wird sichergestellt, dass bei den einzelnen Logistikstandorten von
Amazon arbeitsrechtliche Bestimmungen, einschließlich des Unfallver-
sicherungsschutzes der Teilnehmerin bzw. des Teilnehmers, eingehalten
und die Betreuung, Beaufsichtigung und Anleitung der Teilnehmerin bzw.
des Teilnehmers durch eine Fachkraft gewährleistet werden kann?

Wer bzw. welche Institution ist für die Einhaltung der oben genannten Be-
dingungen im Einzelnen verantwortlich?

27. Wie viele Kontrollen haben seit 2006 bei den einzelnen Logistikstandorten
von Amazon durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die Prüfungsstellen
der deutschen Rentenversicherung Bund und ihren Trägern sowie die BA

bzw. die jeweils zuständigen Jobcenter stattgefunden (bitte nach Logistik-
standorten und Jahren aufschlüsseln)?

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28. Wie viele Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen haben seit 2006
bei den einzelnen Logistikstandorten von Amazon stattgefunden (bitte nach
Logistikstandorten und Jahren aufschlüsseln)?

29. Haben alle Personen, die eine MAG im Sinne des § 16 SGB II in Verbin-
dung mit § 46 SGB III bei den einzelnen Logistikstandorten von Amazon
durchlaufen haben und nicht in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäf-
tigungsverhältnis übernommen wurden, einen Berichtsbogen durch Ama-
zon erhalten?

30. Bei wie vielen Personen, die seit 2006 bei Amazon eine MAG bzw. Trai-
ningsmaßnahme erhalten haben, wurden Fahrtkosten, Kinderbetreuungs-
kosten, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung durch die
jeweiligen Agenturen für Arbeit und Jobcenter übernommen (bitte nach
Logistikstandorten und Jahren aufschlüsseln und zuordnen)?

31. Bei wie vielen Personen, die seit 2006 eine MAG bzw. Trainingsmaß-
nahme erhalten haben, wurde nach Beendigung der Maßnahme und Nicht-
übernahme durch Amazon in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäf-
tigungsverhältnis ein Folgegespräch nach § 59 SGB II in Verbindung mit
§ 309 SGB III durch die jeweiligen Agenturen für Arbeit und Jobcenter
durchgeführt?

32. Trifft es zu, dass die Zuweisung in eine MAG dokumentiert und im IT-Ver-
fahren coSachNET zu erfassen ist, und wenn ja, ist dies bei allen Personen,
die bei Amazon eine MAG durchlaufen haben, geschehen?

Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass trotz der Arbeitsanweisung
zu § 16 SGB II in Verbindung mit § 46 SGB III, in der die Teilnehmenden
„zeitnah und korrekt zur jeweiligen Maßnahme in coSachNET mit dem
Status ,bewilligt‘ zu erfassen [sind] und bei Änderungen zeitnah zu aktuali-
sieren [sind]“, es offenkundig zu Doppel- und Mehrfachförderungen ge-
kommen ist (vgl. Vorlage des Landtags NRW 15/1008)?

33. Trifft es zu, dass Doppel- oder Mehrfachförderung im Rahmen einer MAG
nicht mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der
Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 43 Absatz 1 SGB II in
Einklang zu bringen ist, und wenn ja, wie rechtfertigt die Bundesregierung
die Tatsache, dass die MAG bei Amazon dazu benutzt werden, Erwerbslose
für das Weihnachtsgeschäft auf Kosten der Beitragszahler/-innen bzw.
Steuerzahler/-innen anzulernen und diese dann nach wenigen Wochen be-
fristeter Beschäftigung wieder erwerbslos werden?

34. Wie viele Doppel- bzw. Mehrfachförderungen wurden seit 2006 im Rah-
men der Überprüfung bei den jeweiligen Agenturen für Arbeit bzw. Job-
centern festgestellt?

Wie soll sichergestellt werden, dass Doppel- bzw. Mehrfachförderungen in
Zukunft ausgeschlossen werden können?

35. Wie hoch waren die Kosten für die Doppel- bzw. Mehrfachförderungen
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

36. In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt bundesweit, in den Bundesländern
und an den Logistikstandorten von Amazon seit 2006 eine Förderung bei
der Einstellung eines Erwerbslosen durch einen Eingliederungszuschuss im
Anschluss an eine MAG bzw. Trainingsmaßnahme (bitte nach Jahren auf-
schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8407

37. Wie beurteilt die Bundesregierung die in Flandern (Belgien) praktizierte
Maßnahme, wonach Betriebe während eines Betriebspraktikums für Er-
werbslose, welches zur beruflichen Eingliederung dient, deren Lohnersatz-
leistungen weiter gezahlt werden, eine entsprechende Gebühr an die Ar-
beitsverwaltung zahlen, die sich an der Differenz zwischen Lohn und
durchschnittlicher Lohnersatzleistung orientiert?

Berlin, den 19. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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