BT-Drucksache 17/8402

Zur sicherheitspolitischen Lage in Ost- und Südostasien

Vom 19. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8402
17. Wahlperiode 19. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Agnes Brugger, Dr. Thomas
Gambke, Kerstin Müller (Köln), Dr. Frithjof Schmidt, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom
Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur sicherheitspolitischen Lage in Ost- und Südostasien

Ost- und Südostasien bleiben trotz ihrer wirtschaftlichen Dynamik eine Region
fortdauernder Spannungen. Wenngleich China als der größte Spieler der
Region mit seinem Konzept der „friedlichen Entwicklung“ darum bemüht ist,
Ängste vor seinem Aufstieg zu zerstreuen, unterstreicht das Land jedoch seine
gestiegene Bedeutung im internationalen System immer stärker durch den
Ausbau seiner militärischen Kapazitäten. Abgesehen von der Dauerkrise mit
Taiwan bergen maritime Grenzstreitigkeiten, insbesondere im südchinesischen
Meer, das China bis kurz vor die Küsten der Anrainer beansprucht, ein Eskala-
tionspotential. In den vergangenen Jahren kam es vermehrt zu Zwischenfällen,
in welchen Peking seine Territorialansprüche rigoros durchzusetzen versuchte.
Als Folge des offensiven Auftretens Chinas in Bezug auf seine Territorial-
ansprüche forderten Nachbarländer in der Region eine stärkere Rolle der USA
ein.

In den vergangenen Wochen machten die USA mehrfach deutlich, dass sie sich
nach wie vor als pazifische Macht sehen und diese Stellung behaupten werden.
Auf dem Ostasiengipfel Ende November 2010 in Bali, an dem die USA mit
Präsident Barack Obama erstmals teilnahmen, spielten die Spannungen im süd-
chinesischen Meer eine bedeutende Rolle. Untermauert wurde die Festlegung
seitens der USA durch die wenige Tage zuvor getroffene Vereinbarung, bis zu
2 500 amerikanische Soldatinnen und Soldaten im nordaustralischen Darwin zu
stationieren. Die sicherheits- und militärpolitische Kooperation der USA mit
Japan und Indien wurde ebenso in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut.
Auch der Abschluss eines transpazifischen Freihandelsabkommens mit neun
weiteren Staaten, an dem China nicht beteiligt ist, wies bereits auf dem Gipfel
der asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (APEC) in der ersten
Novemberhälfte 2011 in dieselbe Richtung. Gleiches gilt für die Wiederauf-
nahme hochrangiger diplomtischer Gespräche mit der Militärjunta in Birma/
Myanmar durch die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton Anfang

Dezember 2011 in Rangun.

Deutschland und die EU haben ein elementares Interesse an regionaler Stabili-
tät und Demokratisierung in Ost- und Südostasien, spielen dort selbst jedoch
nur eine Nebenrolle. Solange die EU als außenpolitischer Akteur kein eigenes
Gewicht besitzt, wird sich dies nicht ändern.

Drucksache 17/8402 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein hochrangiger Austausch mit China als wichtigem Partner zur Lösung
globaler Fragestellungen ist ein notwendiger und richtiger Schritt. Insbesondere
der EU-Ebene muss hierbei eine zentrale Rolle zukommen. Neben gestärkten
bilateralen Beziehungen muss die Bundesregierung ihr gesamtes außenpoli-
tisches Gewicht dafür einsetzen, eine kohärente EU-Position gegenüber China
zu erarbeiten. Darüber hinaus wäre es die Aufgabe der EU, China zu einer stär-
keren und nachhaltigeren Mitarbeit in multilateralen Sicherheitsarchitekturen
zu ermuntern, beispielsweise im Rahmen des ASEAN Regional Forum (ARF).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Absicht Chinas, seinen globalen
Einfluss militärisch zu untermauern?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die maritimen Gebietsansprüche Chinas,
insbesondere im südchinesischen Meer, sowie die der jeweils konkurrieren-
den Staaten?

3. Stehen diese Gebietsansprüche und die Art und Weise, in der China sie ver-
folgt, nach Auffassung der Bundesregierung im Einklang mit dem Treaty
of Amity and Cooperation in Southeast Asia?

4. Welche Interessen verfolgen Deutschland und die EU in Bezug auf die
sicherheitspolitische Lage in Ost- und Südostasien?

5. Welchen Einfluss besitzen die Bundesregierung und die EU auf die sicher-
heitspolitische Lage in Ost- und Südostasien, und wie beabsichtigt sie die-
sen Einfluss geltend zu machen?

6. Wann und auf welche Weise wurden im Strategischen Dialog des Bundes-
ministeriums der Verteidigung mit China die Spannungen in Ost- und Süd-
ostasien thematisiert, welche Position vertritt die Bundesregierung hierbei,
und wie reagierte die chinesische Seite?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung in der Rede des US-
Präsidenten Barack Obama in Canberra vom 17. November 2011, die USA
seien weiterhin eine pazifische Macht, die in Asien präsent bleiben werde?

8. Wie bewertet die Bundesregierung den neuen Dialog der USA mit Birma/
Myanmar, und welche Politik verfolgt sie selbst gegenüber dem Land?

9. In welcher Weise war Deutschland, beispielsweise über die NATO, im Vor-
feld der Neupositionierung der USA eingebunden?

10. Welche Auswirkungen auf den Stellenwert der transatlantischen Beziehun-
gen in der amerikanischen Außenpolitik erwartet die Bundesregierung von
dieser Neupositionierung?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung der USA, sicherheitspoli-
tische Fragen in Ost- und Südostasien multilateral zu bearbeiten und die
sicherheitspolitische Transparenz zu steigern?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die chinesische Position, dass sicher-
heitspolitische Fragen in Ost- und Südostasien bilateral zu lösen seien, so-
wie die chinesische Bereitschaft zu sicherheitspolitischer Transparenz?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die gegenwärtige Aufrüstungsdynamik
in Ost- und Südostasien und die Gefahr eines Rüstungswettlaufs zwischen
den USA und China?

14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen und wird sie
ergreifen, um der Aufrüstungsdynamik in Ost- und Südostasien entgegen-
zuwirken?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8402

15. In welcher Form setzt sich die Bundesregierung dafür ein, China generell
stärker in die Fortentwicklung multilateraler regelbasierter Strukturen in
den internationalen Beziehungen, insbesondere im sicherheitspolitischen
Bereich, einzubinden?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten für die Einbindung
Chinas in Rüstungskontrollregime?

17. Welche Schritte ergreift die Bundesregierung, um die Beteiligung Chinas
an Vereinbarungen zur Nichtverbreitung von Waffen und Rüstungsbe-
schränkungsabkommen zu befördern?

18. Mit welchen Initiativen und Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung
die Schaffung von mehr sicherheits- und rüstungspolitischer Transparenz
in der Region (vertrauensbildende Maßnahmen)?

Unter Einbeziehung welcher Akteure?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Bestrebungen des NATO-General-
sekretärs Anders Fogh Rasmussen, die Beziehungen zwischen China und
der NATO zu vertiefen, vergleichbar mit dem NATO-Russland-Rat?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Erfahrungen aus der in-
ternationalen Zusammenarbeit mit China in der Pirateriebekämpfung am
Horn von Afrika oder der Entsendung chinesischer Soldaten in UNO-Mis-
sionen wie nach Liberia, in die Demokratische Republik Kongo oder in den
Sudan, und welche Potentiale ergeben sich daraus für eine kooperative
Lösung der Spannungen in Ost- und Südostasien?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit des Aufbaus bzw. Aus-
baus einer multilateralen Sicherheitsarchitektur in der Region?

22. Wie bewertet die Bundesregierung eine Stärkung des ASEAN Regional
Forums (ARF) in diesem Zusammenhang, und welchen Stellenwert räumt
sie dem ARF generell ein?

23. Durch wen wurde die EU jeweils beim ASEAN Regional Forum seit dem
Jahr 2005 hochrangig vertreten, und welche Ziele verfolgt sie im Rahmen
dieses Forums?

24. Welche weiteren Schritte ergreift die Bundesregierung, um die Einbindung
Chinas in Maßnahmen zur Vertrauensbildung und Steigerung der Transpa-
renz im Sicherheitssektor zu befördern?

25. Wann und in welcher Form hat sich die Bundesregierung mit der Regie-
rung der USA über ihre Positionierung im Rahmen der Nuclear Suppliers
Group (NSG) zum Nuklearhandel zwischen China und Pakistan abge-
stimmt?

26. Wann und in welcher Form hat sich die Bundesregierung mit der chine-
sischen Regierung über ihre Positionierung im Rahmen der NSG zum
Nuklearhandel zwischen China und Pakistan ausgetauscht?

27. Wurde der Nuklearhandel zwischen China und Pakistan und Deutschlands
Positionierung dazu innerhalb der NSG bei den Regierungskonsultationen
im Juni vergangenen Jahres thematisiert?

28. Gibt es mit China und anderen Staaten der Region einen Austausch über
die im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) gesammelten Erfahrungen zum Aufbau regionaler Sys-
teme kollektiver Sicherheit, und wenn ja, in welcher Form?

29. Von wem und in welcher Weise wurden bei den deutsch-chinesischen

Regierungskonsultationen 2011 das EU-Waffenembargo sowie die sicher-
heitspolitische Lage in Ost- und Südostasien angesprochen?

Drucksache 17/8402 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
30. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich des EU-Waffen-
embargos und Chinas Wunsch nach Aufhebung, und wie reagierte die
chinesische Seite darauf?

31. In welcher Weise beeinflussen die aktuellen Entwicklungen die Bedingun-
gen, die die Bundesregierung für eine Aufhebung des Embargos für not-
wendig erachtet?

32. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der aktuellen Lage für ihre
Rüstungsexportpolitik, die laut dem Rüstungsexportbericht 2010 zahl-
reiche Staaten der Region einschließt?

33. In welchen konkreten Fällen und Zusammenhängen seit dem Jahr 2005 ist
anzunehmen, dass Aktivitäten seitens der Bundesregierung und deutscher
Unternehmen in und mit China zu einem Technologietransfer in den chine-
sischen Rüstungssektor geführt haben?

34. In welchen konkreten Fällen kam es seit dem Jahr 2005 in Deutschland zu
chinesischer Spionage im Rüstungssektor, wie zuletzt im Verfassungs-
schutzbericht 2010 angedeutet, und wie bewertet die Bundesregierung dies
angesichts der aktuellen Lage?

35. Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung zu einer Zusammen-
arbeit bzw. Abstimmung mit China im Bereich des globalen Ressourcen-
managements insbesondere im Hinblick auf Rohstoffinteressen als Kon-
fliktursache in Südostasien sowie beiderseitige Ressourceninteressen auf
dem afrikanischen Kontinent?

Berlin, den 19. Januar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.