BT-Drucksache 17/8375

Diplomatische Beziehungen zu Palästina aufwerten

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8375
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Dr. Dagmar Enkelmann, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Thomas Nord, Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Kathrin
Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Diplomatische Beziehungen zu Palästina aufwerten

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• unverzüglich mit der palästinensischen Autonomiebehörde Verhandlungen
über die gegenseitige Aufwertung des Status der Generaldelegation Palästi-
nas in Deutschland und der deutschen Generaldelegation in Ramallah aufzu-
nehmen;

• die bisherigen diplomatischen Vertretungen beider Länder in den Stand regu-
lärer diplomatischer Missionen aufzuwerten und der jetzigen Generaldelega-
tion Palästinas in Deutschland den Rang einer „Mission Palästinas“ zu ver-
leihen;

• sich dafür einzusetzen, dass der Generaldelegierte Palästinas künftig den
Rang eines „Botschafters, Leiters der Mission Palästinas“ erhält;

• die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ramallah in eine „Diplo-
matische Mission“ sowie deren Leiter in den Rang eines „Botschafters, Leiter
der Mission“ aufzuwerten.

Begründung

Eine Aufwertung der diplomatischen Vertretungen ist ein Signal für das an-
gestrebte Ziel der zwischen den Konfliktparteien auszuhandelnden Zweistaaten-
lösung. Sie unterstützt den Aufbau eines lebensfähigen, unabhängigen, demo-
kratischen, in Frieden und Sicherheit an der Seite Israels existierenden paläs-
tinensischen Staates.
Seit dem Jahr 2007 wurde vom Nahostquartett (USA, EU, Russland, UNO) der
Aufbau von Staatlichkeit als zentrale Voraussetzung für eine Anerkennung des
Staates Palästina gefordert und stand im Zentrum internationaler Unterstützung
für die Palästinenser.

Die Europäische Union hat die Fortschritte der Palästinenser auf dem Weg,
einen eigenen Staat aufzubauen, gewürdigt. Im August 2009 legte Premier-

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minister Salam Fayyad einen Zweijahresplan für seine Regierung mit dem Titel
„Ending the Occupation – Establishing the State“ vor. Darin wurde das Ziel
– die Vorbereitung eines unabhängigen Staates Palästina – formuliert. Das Pro-
gramm manifestierte den Weg dorthin durch den Aufbau eines effektiven Staats-
wesens. Im Juni 2011 erklärte die Verantwortliche für die EU-Außenpolitik,
Catherine Ashton, vor dem Europaparlament: „Wir haben auch immer den Auf-
bau eines palästinensischen Staates unterstützt, als wir also am 13. April das
Treffen des Ad-hoc-Verbindungsausschusses für Palästina veranstaltet haben,
wurde Salam Fayyad für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der
Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, der Bil-
dung, Gesundheit und des sozialen Schutzes gelobt, die laut der Weltbank für
eine funktionierende Regierung ausreichen.“ (Plenardebatte des Europäischen
Parlaments vom 11. Mai 2011).

Aufgrund dieser Fortschritte beim Aufbau der palästinensischen Staatlichkeit
haben zahlreiche EU-Mitgliedstaaten (Spanien, Frankreich, Irland, Italien, Por-
tugal, Dänemark, Griechenland, Norwegen, Großbritannien) die diplomatischen
Beziehungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde aufgewertet, die bis-
herigen Vertretungen in den Rang von diplomatischen Missionen erhoben und
als Missionsleiter Botschafter gesandt und anerkannt.

Neben der palästinensischen Autonomiebehörde hat auch der Palästinensische
Nationalrat (PNC) in diesem Jahr internationale Anerkennung erhalten. Am
4. Oktober 2011 stimmte die Parlamentarische Versammlung des Europarates
einem Antrag zu, dem PNC den Status als „Partner für Demokratie“ zuzugeste-
hen. Darüber hinaus wurden in einem weiteren Antrag die europäischen Mitglie-
der des UN-Sicherheitsrates aufgefordert, einer Vollmitgliedschaft Palästinas in
den Vereinten Nationen zuzustimmen.

Eine Aufwertung der diplomatischen Vertretungen entspricht geltendem Völ-
kerrecht und ist durch internationale Verträge gedeckt.

Palästina vereinigt alle drei konstitutiven Elemente eines Staates. Erstens gibt es
ein definiertes Staatsvolk. Zweitens besitzt es ein Staatsgebiet, welches laut
Völkerrecht als ein durch Staatsgrenzen umschlossener Raum definiert wird,
ohne dass eine detaillierte und abschließende Grenzziehung vorhanden sein
muss. Die Palästinenser beantragen die Anerkennung ihres Staates auf Basis der
Grenze, die zwischen Israel und der West Bank vor dem 5. Juni 1967 bestand,
wobei der abschließende Verlauf der Grenze zwischen Israel und dem künftigen
Staat Palästina Gegenstand von Verhandlungen sein wird. Dieses Staatsgebiet
auf Basis der Grenzen von 1967 wird international durch vielfache Resolutionen
der UN anerkannt. Drittens verfügen die Palästinenser gemäß völkerrechtlicher
Definition über eine effektive hoheitliche Macht durch staatliche Organe. Dies
gilt, obwohl die palästinensische Autonomiebehörde nicht über das gesamte
Territorium, das 1967 von Israel okkupiert wurde, ihre Staatsgewalt ausüben
kann.

1988 rief die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) den Staat Palästina
aus. Am 15. Dezember 1988 nahm die UNO-Vollversammlung die Ausrufung
eines Staates Palästina zur Kenntnis und beschloss die Resolution 43/177 als
Momentaufnahme im Prozess der Staatswerdung Palästinas. Die Resolution be-
sagt, dass die Bezeichnung „PLO“ in den Dokumenten durch „Palästinenser“
und „Palästina“ zu ersetzen sei. Damit anerkannte die UNO das Recht des paläs-
tinensischen Volkes auf Souveränität auf seinem in den Grenzen von 1967 defi-
nierten Territorium. Mit der Annahme des UN-Teilungsplans für Palästina vom
29. November 1949 (UN-Resolution 181 des Weltsicherheitsrates) wurde zum
ersten Mal eine eigene völkerrechtsverbindliche Staatlichkeit für die Palästinen-
ser festgehalten, die infolge des Krieges von 1948 nie zustande kam. In der

Resolution 43/177 vom 15. Dezember 1988 wurde der Anspruch der Palästinen-
ser auf einen eigenen Staat, präzisiert durch den Grenzverlauf vor dem Ausbruch

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des Krieges von 1967, auf dem Gebiet des britischen Mandat-Palästinas völker-
rechtlich erneut bekräftigt und bildet somit die Grundlage sowohl für eine
Anerkennung des Staates Palästina als auch für die Herstellung regulärer diplo-
matischer Beziehungen mit ihm.

Der Prozess der internationalen Anerkennung Palästinas dient dem Frieden mit
den Nachbarn Israels und damit dem Frieden im Nahen Osten.

Berlin, den 18. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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