BT-Drucksache 17/8065

Stand des Meseberg-Memorandums

Vom 2. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8065
17. Wahlperiode 02. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Marieluise
Beck (Bremen), Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand des Meseberg-Memorandums

Die Republik Moldau existiert seit 1991 als eigenständiger Staat. Der transnist-
rische Landesteil (östlich des Nistru/Dnjestr gelegenes Gebiet mit mehrheitlich
russischer und ukrainischer Bevölkerung) hat sich mit der Gründung der Repu-
blik faktisch abgespalten und seit der Eskalation des Konfliktes durch einen Bür-
gerkrieg im Jahr 1992 quasi staatliche Strukturen geschaffen. Im Juli 1992 kam
es zu einem Waffenstillstandsabkommen zwischen den Präsidenten der Repu-
blik Moldau und Russlands und zur Einrichtung einer gemeinsamen Kontroll-
kommission.

In Transnistrien sind seither Streitkräfte der Russischen Föderation stationiert.
Russland hat sich der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Eu-
ropa (OSZE) gegenüber in den „Istanbuler Verpflichtungen“ 1999 zu deren
Rückzug verpflichtet, dies aber nie umgesetzt. Die einseitige Unabhängigkeits-
erklärung Transnistriens wurde von keinem Staat anerkannt. Die internationale
Gemeinschaft bekennt sich zur territorialen Integrität der Republik Moldau und
erkennt deshalb u. a. Wahlen in Transnistrien nicht an.

Obwohl das Gebiet Transnistriens nur 11 Prozent der Fläche der Republik Mol-
dau umfasst und nur ein Siebtel der Bevölkerung (ca. 500 000 Menschen) dort
leben, wird ein Drittel der Industrieproduktion der Gesamtrepublik Moldau in
Transnistrien erwirtschaftet.

Die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Republik Moldau wird
durch den Transnistrienkonflikt wesentlich behindert. Die Republik Moldau ist
agrarisch geprägt, die Industriebetriebe im transnistrischen Landesteil sind vor
allem exportorientiert (Stahl, Maschinenbau). Russland unterstützt diese Indus-
triebetriebe durch kostenlose Gaslieferungen und russische Unternehmer haben
die wichtigsten Betriebe übernommen. Die unklare völkerrechtliche Situation
Transnistriens behindert Investitionen aus den Staaten der Europäischen Union
(EU), obwohl der Handel mit der EU sehr stark angestiegen ist.
Im Jahr 2002 wurde unter dem Dach der OSZE das Format der „Ständigen Be-
ratungen zu politischen Fragen im Rahmen des Gesprächsprozesses zur Regu-
lierung der Transnistrienfrage“ eingeführt. Teilnehmer an dieser Beratungsrunde
sind Vertreter der Republik Moldau, Transnistriens und als Vermittler, Vertreter
der Russischen Föderation, der Ukraine und der OSZE. Seit 2005 nehmen die
USA und die EU einen Beobachterstatus ein, das Gesprächsformat heißt seither

Drucksache 17/8065 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„5+2“. Die offiziellen Verhandlungen wurden 2006 abgebrochen, inoffizielle
Gespräche unter dem Dach der OSZE weitergeführt. Nach dem Amtsantritt der
neuen moldauischen Regierung 2009 gewannen informelle Gespräche zwischen
beiden Landesteilen im Rahmen des „5+2“-Formats neue Dynamik und führten
zur Wiederaufnahme von vertrauensbildenden Maßnahmen.

Am 30. November 2005 richtete die EU die European Union Border Assistance
Mission to Moldova and Ukraine (EUBAM), eine Grenzkontrollkommission
zur Unterstützung der Republik Moldau und der Ukraine bei der Überwachung
ihrer gemeinsamen Grenze, ein. Eine wichtige Aufgabe dieser Kommission ist
die Unterbindung des Waffen-, Menschen- und Drogenschmuggels von und
nach Transnistrien.

Am 22. September 2011 wurde in Moskau unter litauischem OSZE-Vorsitz eine
Erklärung verabschiedet. Die Vertreter der „5+2“-Staaten beschließen darin die
Neuauflage ihrer offiziellen Treffen. Bei einem nächsten Treffen im Rahmen
dieser „Ständigen Beratungen“ sollen allgemeine Prinzipien und Tagesordnun-
gen für die weiteren offiziellen Verhandlungen besprochen werden.

Große Aufmerksamkeit erlangte der Transnistrienkonflikt durch das sogenannte
Meseberg-Memorandum, das die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, zusam-
men mit dem Russischen Präsidenten, Dmitri Medwedew, am 4. und 5. Juni 2010
im brandenburgischen Meseberg verabschiedete. In diesem Memorandum
wurde vorgeschlagen, die Einrichtung eines gemeinsamen sicherheitspoliti-
schen Komitees (ERPSC – EU Russia Political and Security Committee) auf
Ministerebene (Hohe Vertreterin Catherine Ashton – Außenminister Sergej
Lawrow) zu prüfen. Dieses Komitee sollte mit verschiedenen Aufgaben betraut
werden. Explizit wurde darauf hingewiesen, dass das Komitee die gemeinsamen
Anstrengungen der EU und Russlands für eine Lösung des Transnistrienkonflik-
tes verstärken sollte, um spürbare Fortschritte innerhalb des bestehenden „5+2“-
Formats zu erzielen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde das im Meseberg-Memorandum vorgeschlagene gemeinsame sicher-
heitspolitische Komitee (ERPSC) nach Kenntnis der Bundesregierung einge-
richtet, und wenn ja, wie oft hat es getagt?

a) Wenn nein, warum konnte die Bundesregierung sich bisher mit dem Vor-
schlag auf europäischer Ebene nicht durchsetzen?

b) Wenn nein, setzt die Bundesregierung sich im Vorfeld des EU-Russland-
Gipfels am 14./15. Dezember 2011 für die Umsetzung des Vorschlags ein?

2. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung nach Unterzeich-
nung des Meseberg-Memorandums im Rahmen der EU für die Lösung des
Konfliktes unternommen?

3. Welche Fortschritte hat das Meseberg-Memorandum nach Ansicht der Bun-
desregierung für die „5+2“-Verhandlungen bisher gebracht, und wie bewertet
sie die Erfolgschancen der „5+2“-Verhandlungen nach den Gesprächen am
30. November und 1. Dezember 2011 in Vilnius?

4. Welche konkreten Projekte hat die Bundesregierung für zur Lösung des
Transnistrienkonfliktes seit der Unterzeichnung des Meseberg-Memoran-
dums im Juni 2010 auf den Weg gebracht (bitte einzeln ggf. mit Kosten auf-
führen)?

5. Wie wurden die gemeinsamen Bemühungen der EU und Russlands zur
Lösung des Transnistrienkonfliktes auf dem EU-Russland-Gipfeltreffen am

10. Juli 2011 in Nizhnij Novgorod von beiden Seiten bewertet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8065

6. In welcher Form unterstützt die Bundesregierung die Rolle der EU im Rah-
men der „5+2“-Verhandlungen, und welche Form der Zusammenarbeit gibt
es in dieser Sache zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Europäischen
Auswärtigen Dienst (EAD)?

7. Inwiefern können die Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen
zwischen der Republik Moldau und der EU nach Ansicht der Bundesregie-
rung positive Auswirkungen auf den Transnistrienkonflikt haben?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung den Konflikt zwischen der Russi-
schen Förderation und dem bisherigen „Präsidenten“ Transnistriens, Igor
Smirnow?

9. Welche politischen Auswirkungen des möglichen personellen Machtwech-
sels infolge der „Präsidentschaftswahlen“, die am 11. Dezember 2011 in
Transnistrien stattfinden, erwartet die Bundesregierung für die Fortführung
der „5+2“-Verhandlungen?

10. Welche Schritte hält die Bundesregierung im Rahmen der OSZE oder der
Abrüstungsverhandlungen zwischen der NATO und der Russischen Föde-
ration für möglich, um einen Abzug der russischen Truppen aus Transnist-
rien zu erreichen?

11. Welche weiteren Schritte plant die Bundesregierung zur Lösung des Trans-
nistrienkonfliktes?

Berlin, den 2. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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