BT-Drucksache 17/797

Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

Vom 24. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/797
17. Wahlperiode 24. 02. 2010
Antrag
der Abgeordneten Monika Lazar, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, Brigitte Pothmer,
Katja Dörner, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), Agnes Krumwiede, Beate
Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Tabea Rößner, Krista Sager, Christine Scheel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung in der Privatwirt-
schaft. Die fortdauernde Diskriminierung von Frauen schadet den Unter-
nehmen, der Wirtschaft und der Demokratie. Bildungsinvestitionen werden
vergeudet, den Unternehmen gehen kreative Potenziale verloren und nicht zu-
letzt bleibt die Arbeitsmarktdynamik, die sich aus einer erhöhten Frauen-
erwerbstätigkeit ergäbe, ungenutzt.

Die Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft sind fest in Männerhand.
Das gilt auch für die Aufsichtsräte, die die Geschäftsführung eines Unter-
nehmens kontrollieren sollen, den Vorstand berufen sowie weitreichende Ent-
scheidungen genehmigen. Damit ist der Aufsichtsrat ein wichtiges Kontroll-
gremium, in dem Frauen allerdings kaum zu finden sind. Ihr Anteil liegt in den
200 größten deutschen Unternehmen bei nur 9,8 Prozent und ist darüber hinaus
ganz überwiegend (71,6 Prozent) den Gewerkschaften zu verdanken*. Von
Arbeitgeberseite werden hingegen kaum Frauen entsandt. Dagegen engagieren
sich Netzwerke wie die Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) oder der
Deutsche Juristinnenbund seit Jahren. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2001 zwi-
schen Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden zur Förderung der Chancen-
gleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft zeigt auch auf diesem
Gebiet keine Auswirkungen und muss als gescheitert angesehen werden. An
einem verbindlichen und klaren Zeitplan geht nun kein Weg mehr vorbei.

Auch in diesem Punkt leugnet der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP die Realität. Die Koalition ignoriert kurzerhand das langjährige Scheitern
dieser Vereinbarung und setzt unbeirrt weiter auf freiwillige Selbstverpflichtun-
gen der Unternehmen. Sie legt sich nicht fest, wann und wie eine höhere Betei-
ligung von Frauen in Aufsichtsräten erreicht werden soll. Der geplante Stufen-
plan ist nicht terminiert und unverbindlich. Sanktionen sind nicht vorgesehen.
Mit dieser Feigenblattpolitik wird die Gleichstellung von Frauen in Aufsichts-

gremien in den nächsten Jahren nicht vorankommen. Eine wichtige Chance für
die Modernität und Demokratie in unserer Gesellschaft wird vertan.

* Holst, Elke; Wiemer, Anita: Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen weiterhin massiv unter-
repräsentiert, in: DIW Wochenbericht, Nr.: 4/2010, S. 2 bis 10.

Drucksache 17/797 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dabei haben sich inzwischen mehrere europäische Länder diesem Problem ge-
stellt und nach Lösungen gesucht. Am konsequentesten und erfolgreichsten ist
dabei Norwegen. Nach einer freiwilligen Vorlaufphase mit umfangreichen
Weiterbildungsangeboten und dem Aufbau einer Datenbank mit potenziellen
Kandidatinnen müssen seit 2006 per Gesetz mindestens 40 Prozent der Sitze in
Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen von Frauen besetzt sein. Sanktio-
nen bis zum Verlust der Börsennotierung sind dabei vorgesehen. Trotz Wider-
stands aus der Wirtschaft ist das Gesetz inzwischen erfolgreich umgesetzt.

Auch die Niederlande setzen auf eine Quote. Ab 2016 soll in Firmen mit mehr
als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur der Aufsichtsrat, sondern
auch der Vorstand zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzt sein. Diese
Regelung hat bereits die Zweite Kammer passiert; die Zustimmung der Ersten
Kammer im Frühjahr 2010 gilt als sicher. Auch in Belgien und Österreich wer-
den verbindliche Quoten diskutiert. In Frankreich hat eine verbindliche Frauen-
quote von 40 Prozent in Aufsichtsgremien börsennotierter Unternehmen bereits
die ersten parlamentarischen Hürden genommen.

Für Deutschland fordern wir eine generelle Änderung des Aktiengesetzes.
Erforderlich ist eine umfassende Modernisierung der Unternehmensführung und
-kontrolle. Die bisherige Gewohnheit des Wechsels der Vorstandsvorsitzenden
auf die Posten des Aufsichtsratschefs behindert Transparenz, Innovation und die
Gleichstellung von Frauen in den Unternehmen. CDU/CSU und SPD haben für
den Wechsel zwar eine zweijährige Karenzzeit eingeführt, diese ist aber viel zu
kurz und leicht zu umgehen. Denn die Karenzzeit muss nicht eingehalten
werden, falls der Wechsel auf Vorschlag von Aktionären erfolgt, die mindestens
25 Prozent der Stimmrechte halten. Diese Hintertüren wollen wir schließen.
Frauen sollten mit mindestens 40 Prozent – mit dem Ziel einer paritätischen Be-
setzung – auch bei der Abordnung der Kapitalseite im Aufsichtsrat vertreten sein.

Darüber hinaus ist es notwendig, die Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate, die
eine Person maximal übernehmen darf, von derzeit zehn auf fünf zu reduzieren,
wobei ein Vorsitz doppelt zu zählen ist. Die Finanz- und Korruptionsskandale
der letzten Jahre haben ebenso wie die Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich
gemacht, dass die Aufsichtsräte häufig nicht im Sinne einer effektiven Unter-
nehmenskontrolle funktionieren. Die Begrenzung der Mandate auf fünf hätte
zur Folge, dass die einzelnen Aufsichtsratsmandate wesentlich ernster genom-
men werden könnten und die Verflechtungen zwischen verschiedenen Gesell-
schaften reduziert würden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● im Börsengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat
bis 2017 nicht mit mindestens 40 Prozent Frauen – mit dem Ziel einer pari-
tätischen Vertretung – besetzt ist, Sanktionen bis hin zur Entziehung der Zu-
lassung zur Börse vorzusehen;

● § 100 des Aktiengesetzes so zu verändern, dass maximal fünf Aufsichtsrats-
mandate durch eine Person übernommen werden dürfen, dabei ist ein Vor-
sitz doppelt zu zählen;

● die Berufung von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat erst nach einer
verbindlichen Karenzzeit von mindestens fünf Jahren zuzulassen;

● die Einrichtung einer zentralen Datenbank sicherzustellen, in die sich Be-
werberinnen für Mandate in den Aufsichtsräten eintragen können.

Berlin, den 24. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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