BT-Drucksache 17/7769

Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7769
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Viola von Cramon-Taubadel, Kai Gehring, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur
Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen mit Montenegro

hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Montenegro hat am 15. Dezember 2008 einen Antrag auf Beitritt zur Euro-
päischen Union (EU) gestellt. Seit dem 17. Dezember 2010 ist Montenegro
offizieller Beitrittskandidat der EU. In ihrer Erweiterungsstrategie vom 12. Ok-
tober 2011 hat die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
mit Montenegro empfohlen.

Die polnische Ratspräsidentschaft strebt eine Befassung des Europäischen Rates
mit dieser Empfehlung am 9. Dezember 2011 an, um eine zügige Entscheidung
zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen herbeiführen zu können.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
mit Montenegro mit dem Ziel der Vollmitgliedschaft zur EU. Montenegro erfüllt
die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Montenegro
hat in den letzten Jahren gute Fortschritte bei der Erfüllung der politischen sowie
wirtschaftlichen Kriterien gemacht und seine Anstrengungen in den letzten Mo-
naten noch einmal erhöht. Von ihr sind in den letzten Monaten Reformimpulse
ausgegangen, die ein stärkeres Bekenntnis zu europäischen Standards erkennen
lassen als von deren Vorgängerregierungen. Die Aufnahme von Verhandlungen
ist der folgerichtige Schritt. Eine Vertagung dieses Schritts wäre ein Rückschlag
für die Regierung Montenegros. In den anstehenden innenpolitisch schwierigen

Reformen, wie zum Beispiel der Bekämpfung von Korruption und organisierter
Kriminalität innerhalb des Staatsapparats, wäre ihre Position geschwächt.

Der Deutsche Bundestag ist sich der besonderen Verantwortung der EU für die
Länder des westlichen Balkans bewusst. Die schrecklichen Ereignisse der 90er-
Jahre dürfen sich nicht wiederholen, Konflikte nicht wieder aufflammen. Die
Integration in die EU ist ein starker Garant für Frieden und Stabilität. Es ist daher
richtig, dass die EU in der Thessaloniki-Erklärung aus dem Jahr 2003 eine euro-

Drucksache 17/7769 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
päische Perspektive für diese Länder formuliert hat und die Integration aktiv an-
geht.

Nach dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Rumänien und Bulgarien
hat sich der Europäische Rat auf neue Grundsätze bei der Erweiterung der
Europäischen Union geeinigt. Danach bestimmen die Ergebnisse der Reformen
das individuelle Tempo des Beitrittsprozesses in einem Land. Ein Beitritts-
termin wird erst festgelegt, wenn die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss
stehen. Schwierige Fragen, wie die Reform der Verwaltung und Justiz sowie
die Bekämpfung der Korruption, sollen frühzeitig behandelt werden, um den
Nachweis überzeugender Erfolgsbilanzen vor Abschluss der Verhandlungen zu
ermöglichen. Diese Grundsätze und eine strikte Konditionalität in allen Phasen
der Verhandlungen sind Grundlage für erfolgreiche Beitrittsverhandlungen.

II. Der Deutsche Bundestag erklärt gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes über die
Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in
Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) sein Einvernehmen dazu,
dass die Bundesregierung einem Beschluss des Rates zur Aufnahme von
Verhandlungen über einen Beitritt Montenegros zur Europäischen Union
zustimmt.

Er fordert die Bundesregierung darüber hinaus auf,

– dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Montenegro erst zuzustim-
men, wenn Montenegro die Kopenhagener Kriterien vollständig erfüllt hat
bzw. die Erfüllung abgesichert ist;

– sich dafür einzusetzen, dass wichtige Herausforderungen der Beitrittsver-
handlungen mit Montenegro so früh wie möglich angegangen werden, um in
diesen Bereichen noch innerhalb des Verhandlungsprozesses überzeugende
Erfolgsbilanzen zu ermöglichen. Zu diesen Herausforderungen gehören ins-
besondere
● die Kapitel „Justiz und Grundrechte“ sowie „Recht, Freiheit und Sicher-

heit“ und insbesondere Reformen in den Bereichen Korruption, organi-
sierte Kriminalität und Antidiskriminierung;

● die Entpolitisierung von Justiz und Verwaltung;
● eine starke Meinungs- und Medienfreiheit sowie eine starke Zivilgesell-

schaft als Grundlage einer funktionierenden Demokratie;
● europäische Umweltstandards, insbesondere vor dem Hintergrund von

Korruption in diesem Bereich;
● die Situation der Minderheiten und insbesondere die Situation der Roma,

denen soziale und wirtschaftliche Rechte weiterhin vorenthalten werden;

– gegenüber Montenegro einzufordern, gutnachbarliche Beziehungen zu
pflegen und sich aktiv um Fortschritte in den Beitrittsprozessen der anderen
Staaten der Region zu bemühen;

– gegenüber Montenegro anzuregen, die montenegrinische Zivilgesellschaft
in den Beitrittsprozess einzubinden und mit ihr eine öffentliche Debatte über
Fortschritte in den Verhandlungen und über die Umsetzung der Reformen zu
führen;

– den Deutschen Bundestag gemäß EUZBBG fortlaufend über den Stand der
Beitrittsverhandlungen zu unterrichten und dabei auch die eigene Haltung
deutlich zu machen.

Berlin, den 21. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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