BT-Drucksache 17/7684

Position der Bundesregierung zum vierten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in Busan

Vom 8. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7684
17. Wahlperiode 08. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Katja Keul, Tom Koenigs,
Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Position der Bundesregierung zum vierten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit
der Entwicklungszusammenarbeit in Busan

Vom 29. November bis zum 1. Dezember 2011 findet in Busan (Südkorea) das
vierte Hochrangige Forum der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung) zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammen-
arbeit (EZ) statt, an dem auch die Bundesregierung teilnehmen wird. Die Vor-
gängerkonferenzen in Paris (2005) und Accra (2008) sind bedeutende Referenz-
punkte, die die internationale Debatte um Effizienz und Wirksamkeit in der Ent-
wicklungszusammenarbeit bis heute entscheidend prägen. Sie haben wichtige
qualitative Standards für die internationale EZ hervorgebracht, die zudem durch
ein Indikatorensystem regelmäßig überprüft werden.

Auf der Konferenz in Busan wird Bilanz gezogen über die Fortschritte der Um-
setzung der Paris-Prinzipien sowie des Accra-Aktionsplans, dem sich die Geber
und Partner verpflichtet haben. Darüber hinaus soll die Wirksamkeitsagenda
verbreitert werden, indem künftig der Dialog mit neuen Gebern (Schwellen-
länder, private Stiftungen) und mit der Privatwirtschaft ausgebaut wird. Neue
Finanzierungsmechanismen sollen künftig eine stärkere Rolle spielen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich als Unterzeichner der Paris-Declara-
tion on Aid Effectiveness und der Accra-Agenda for Action dazu verpflichtet,
ihre EZ effizienter und wirksamer zu machen und verstärkt auf die Erfüllung der
Millenniumsziele auszurichten. Diese beiden Ziele sind auch im Koalitions-
vertrag hervorgehoben. Die Accra Agenda betont zudem, dass die bilaterale EZ
zugunsten der multi- bzw. plurilateralen EZ und der gemeinschaftlichen Pro-
grammierung zurückgefahren werden sollte. Dem steht die – zudem internatio-
nal einmalige – Vereinbarung der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und FDP entgegen, maximal ein Drittel der deutschen EZ
über multilaterale Institutionen und Programme abzuwickeln.

Evaluationen zur Umsetzung der Paris-Erklärung haben aufgezeigt, dass die

deutsche Bilanz bei der Umsetzung der Paris-Prinzipien und der Accra-Agenda
im Vergleich zu den Fortschritten, die andere Geber und Partnerländer erzielt
haben, nur mittelmäßig ausfällt. Insbesondere bei der Nutzung der Systeme der
Partnerländer und einer besseren Vorhersehbarkeit der ODA-Leistungen
(ODA = Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit) besteht großer Nachholbe-
darf.

Drucksache 17/7684 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 7. September 2011
einen Vorschlag für einen gemeinsamen Standpunkt der EU für das vierte
Hochrangige Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in
Busan (KOM (2011)541) vorgelegt, der unter anderem vorsieht, künftig vor-
rangige Bereiche und Verpflichtungen aus der Wirksamkeitsagenda zu definie-
ren und nur noch einige ausgewählte Indikatoren aus dem Katalog der 12 Indi-
katoren regelmäßig zu überprüfen. Zudem soll die Klimafinanzierung künftig
die Wirksamkeitsagenda berücksichtigen.

Der dritte Entwurf des Abschlussdokuments für das Hochrangige Forum in
Busan enthält zudem noch eine Reihe strittiger Punkte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches sind die Prioritäten der Bundesregierung für das vierte Hochran-
gige Forum zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit in Busan?

2. Für welche Elemente einer stärker an Ergebnissen ausgerichteten Ent-
wicklungszusammenarbeit setzt sich die Bundesregierung ein?

3. Welche Prioritäten setzt die Bundesregierung in Bezug auf die Ent-
wicklungsfinanzierung, und für welche Formen der Finanzierung setzt sich
die Bundesregierung ein?

4. Welche Risiken identifiziert die Bundesregierung bei einer Konzentration
auf ergebnisorientierte Finanzierung?

5. Auf welche Art und Weise berücksichtigt die Bundesregierung langfristige
Programme der EZ im Bereich der ergebnisorientierten Finanzierung, und
wie stellt sie sicher, dass nicht kurzfristig messbare Ziele gegenüber lang-
fristigen ausgespielt werden?

6. Welche konkreten Maßnahmen eignen sich aus Sicht der Bundesregierung,
um die Wirksamkeitsagenda stärker an den Bedürfnissen von fragilen
Staaten auszurichten?

7. Welche Rolle kommt laut Auffassung der Bundesregierung der Privatwirt-
schaft im Wirksamkeitsdialog der EZ zu?

8. Welche Standards sollten laut Auffassung der Bundesregierung für die
Privatwirtschaft in der EZ gelten?

9. Was versteht die Bundesregierung unter Development Effectiveness?

10. Welche Position vertritt die Bundesregierung in Bezug auf die weiterhin
volle Gültigkeit der Verpflichtungen aus der Paris-Erklärung und dem
Accra-Aktionsplan nach Busan?

11. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, in Busan einen konkreten Zeit-
plan zur Umsetzung der Ergebnisse von Busan zu verabschieden?

Wenn ja, wie soll dieser nach Vorstellung der Bundesregierung aussehen,
und wenn nein, warum nicht?

12. Teilt die Bundesregierung den Vorschlag der Kommission zur Konzen-
tration der Überprüfung der Wirksamkeit von EZ auf weniger als der 12 be-
stehenden Indikatoren zur Überprüfung der Umsetzung der Paris-Erklä-
rung?

a) Falls ja, welche der 12 bestehenden Fortschrittsindikatoren der Paris-
Erklärung sollen aus Sicht der Bundesregierung weiterhin regelmäßig
überprüft werden?

b) Falls nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7684

13. Teilt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommission,
die Grundsätze zur Wirksamkeit von EZ auch auf die Klimafinanzierung
anzuwenden, und falls nein, warum nicht?

14. Setzt sich die Bundesregierung für die im Busan-Abschlussdokument vor-
geschlagene Lieferaufbindung von 100 Prozent bis zum Jahr 2015 ein und,
wenn nein, warum nicht?

15. Wird die Bundesregierung wie angekündigt bis Busan sämtliche Trans-
parenzverpflichtungen aus der Accra-Agenda umgesetzt haben?

16. Was tut die Bundesregierung, um die deutsche EZ stärker an den Systemen
der Partnerländer auszurichten?

17. Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um
künftig stärker die öffentlichen Finanzmanagementsysteme der Partner-
länder zu nutzen?

18. Inwiefern plant die Bundesregierung künftig den deutschen Operationsplan
zur Umsetzung der Paris-Prinzipien und der Accra-Agenda weiter fort-
zuschreiben und diesen dem Parlament und der Zivilgesellschaft zur Ver-
fügung zu stellen?

19. Stellt die Bundesregierung im Lichte des Trends, den Accra gesetzt hat und
vor dem Hintergrund, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, in einem Interview bei „epd“,
dass am 9. Oktober 2011 auf „domradio.de“ veröffentlich wurde, die feste
Quote von ein Drittel bilateraler Hilfe und zwei Drittel multilateraler Hilfe
als realitätsfern bezeichnet hat, diese feste Quote aus dem Koalitionsver-
trag im Vorfeld der Konferenz von Busan auf den Prüfstand?

Berlin, den 8. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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