BT-Drucksache 17/7460

Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte

Vom 25. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7460
17. Wahlperiode 25. 10. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Jan Korte, Dr. Petra Sitte,
Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg und der Fraktion
DIE LINKE.

Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Perspektiven, die sich aus dem Einsatz der
Telematik im Gesundheitswesen für eine Verbesserung der Versorgung und der
Abläufe ergeben. Er sieht aber ebenso die Gefahren, die mit der Übermittlung
und Speicherung hochsensibler Gesundheitsdaten verbunden sein können.
Diese Gefahr ist bei einem umfassenden Ansatz für die gesamte Bevölkerung,
wie er der elektronischen Gesundheitskarte zugrunde liegt, besonders groß. Ein
solcher Weg muss deshalb sehr kritisch gesehen werden. Keinesfalls darf die
Einführung jetzt übereilt erfolgen, sondern sie muss äußerst sorgfältig vorberei-
tet und im Hinblick auf Datensicherheit, Freiwilligkeit, Gewährleistung eines
vertrauensvollen Arzt-/Patienten-Verhältnisses und Praktikabilität in der täg-
lichen Anwendung gesichert sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Konzept der elektronischen Gesundheitskarte solange zurückzustellen, bis
sichergestellt ist, dass

– eine aktuelle Bewertung unter Einbeziehung der bisher gewonnenen Er-
kenntnisse ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis ergibt;

– weder Kostenträger noch staatliche Stellen, Industrieunternehmen oder an-
dere „Dritte“ auf die sensiblen Gesundheitsdaten zugreifen können;

– die Freiwilligkeit der Nutzung aller über die Identifikation hinausgehenden
Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte für Patientinnen und Patien-
ten und Leistungsanbieter auch auf Dauer gewährleistet ist. Die Versicherten
müssen die Verfügungsgewalt über ihre Daten haben und behalten. Sie müs-
sen frei und unbeeinflusst entscheiden können, ob sie ihre Gesundheitsdaten
auf zentralen Servern speichern lassen wollen oder nicht. Sie dürfen auch

nicht durch Anreize oder Sanktionen indirekt veranlasst werden, ihre Ge-
sundheitsdaten zur Speicherung freizugeben;

– aus dem Gebrauch der elektronischen Gesundheitskarte kein erhöhter büro-
kratischer Aufwand resultiert, insbesondere auch beim Einlesen der Karte in
Arztpraxen, Apotheken usw. sowie bei der Anwendung der PIN-Nummer;

Drucksache 17/7460 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– durch unabhängige Sachverständige eingehend geprüft worden ist, ob
moderne alternative Speicherungsmöglichkeiten, wie z. B. die Speicherung
auf der Gesundheitskarte selbst oder auf so genannten USB-Sticks, prakti-
kabler und sinnvoller sind als eine Speicherung auf zentralen Servern;

– eine Überprüfung der technischen Konzepte durch unabhängige Gutachter
im Hinblick auf die Sicherheit der Daten erfolgt ist.

Berlin, den 25. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Benötigt wird eine Telematikinfrastruktur, die die technischen Voraussetzungen
dafür schafft, dass Daten ohne Schwierigkeiten auf sicherem Weg ausgetauscht
werden können. Das Gesamtkonzept, das hinter der elektronischen Gesundheits-
karte steht, geht darüber jedoch hinaus. Es sieht eine bundesweit über alle An-
wendungen hinweg einheitliche Speicherung und Nutzung diverser Funktionen
wie des elektronischen Rezepts oder der elektronischen Patientenakte vor. Nur
dann kann sich nämlich das von der Bundesregierung in der 16. Wahlperiode be-
hauptete positive Nutzen-Kosten-Verhältnis ergeben. Problematisch ist das ins-
besondere dann, wenn für fast die gesamte Bevölkerung und die Therapeutinnen
und Therapeuten eine Abwicklung des Austausches sensibler Gesundheitsdaten
über die elektronische Gesundheitskarte mit einer hinterlegten zentralen Server-
lösung vorgesehen wird.

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist die Freiwilligkeit der Nutzung der neuen
Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte sowohl für die Patientinnen
und Patienten als auch für die Therapeutinnen und Therapeuten. Nur dann,
wenn diese Voraussetzung gewährleistet ist, wird die für ein solches Projekt be-
nötigte Akzeptanz entstehen. Im Laufe der Zeit wird sich dann zeigen, welche
Vor- und Nachteile mit der Nutzung der durch die elektronische Gesundheits-
karte ermöglichten Anwendungen verbunden sind.

Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte muss zurückgestellt wer-
den, bis sichergestellt ist, dass die Voraussetzungen der Datensicherheit erfüllt
sind. Das muss durch unabhängige Sicherheitsexpertinnen und -experten über-
prüft sein. Die Zeit der Aussetzung ist zudem zu nutzen, um noch einmal gründ-
lich zu prüfen, ob technische Alternativen zur Speicherung von Daten gegenüber
zentralen Serverlösungen nicht der bessere Weg sind, mit solch sensiblen Daten
umzugehen. Regelungsbedürftig ist auch die Frage, wie das ganze Verfahren so
praktikabel gemacht werden kann, dass keine Verzögerungen, z. B. in den Arzt-
praxen, entstehen. Es müssen datenschutzrechtlich unangreifbare Lösungen auch
für die Fälle vorgesehen werden, in denen Menschen mit den Anforderungen
durch die Eingabe einer PIN-Nummer nicht zurechtkommen oder aus gesund-
heitlichen Gründen dazu nicht in der Lage sind.

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