BT-Drucksache 17/7290

Nutzung von Lärmschutzwänden an Bahnstrecken für die Solarstromerzeugung

Vom 6. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7290
17. Wahlperiode 06. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Dietmar Bartsch,
Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann und der
Fraktion DIE LINKE.

Nutzung von Lärmschutzwänden an Bahnstrecken für die Solarstromerzeugung

Am 28. März 2011 legte die Europäische Kommission eine umfassende Strate-
gie (Verkehr 2050) für ein wettbewerbsfähiges Verkehrssystem vor. Zu den
wichtigsten Zielen bis 2050 gehört, die verkehrsbedingten CO2-Emissionen um
60 Prozent zu senken. Bis 2050 soll dazu u. a. ein Großteil der Personenbeför-
derung über mittlere Entfernungen (300 km und mehr) auf die Eisenbahn ent-
fallen. In dem am selben Tag vorgelegten Weißbuch der EU (Fahrplan zu einem
einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorien-
tierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem) wird gefordert, die Investi-
tionen in die Verkehrsinfrastruktur so zu planen, „dass die positiven Auswir-
kungen auf das Wirtschaftswachstum maximiert und die negativen Auswirkun-
gen auf die Umwelt minimiert werden.“ (S. 4). Die Deutsche Bahn AG
(DB AG) errichtete zur Senkung der Lärmbelastungen zwischen 1999 und
2010 rund 332 Kilometer Schallschutzwände. Allein von 2009 bis 2011 wurden
dafür nach eigenen Angaben insgesamt 400 Mio. Euro investiert, u. a. finan-
ziert aus Bundesmitteln wie dem mit 100 Mio. Euro pro Jahr ausgestatteten
Lärmsanierungsprogramm des Bundes. Um die ökologischen Vorteile des
Schienenverkehrs zum Tragen zu bringen, hat sich die DB AG zugleich zum
Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien im Bahnstrommix von gegen-
wärtig 19,8 auf 30 bis 35 Prozent im Jahr 2020 zu erhöhen sowie bis 2050 die
Bahnstromversorgung komplett auf regenerative Energien umzustellen. Eine
Nutzung vorhandener wie neu zu errichtender Lärmschutzwände zur Erzeu-
gung von Solarstrom kann dabei dazu beitragen, dieses Ziel auf umweltverträg-
liche Weise zu erreichen. Die Nutzung von Lärmschutzwänden zur Strom-
erzeugung kann darüber hinaus zu einer höheren Akzeptanz erneuerbarer Ener-
gien beitragen, indem Eingriffe in bisher unverbaute Kultur- oder Naturland-
schaften minimiert werden. Nach vorliegenden Informationen realisierte die
DB AG bisher nur an der Bahnstrecke in Vaterstetten bei München ein Pilot-
projekt für eine Photovoltaikanlage an einer Lärmschutzwand. Für 2011 plant

die DB Netz AG in Duisburg und Nürnberg die Kombination von Lärmschutz-
wänden und Photovoltaik.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Deutsche Bahn AG den
Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien am Bahnstrommix schneller

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erhöhen kann, indem sie Lärmschutzwände zur Solarstromerzeugung
nutzt?

2. Im welchem Umfang befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung an
den Strecken der Deutschen Bahn AG gegenwärtig Lärmschutzwände
(bitte alle vorhandenen Standorte angeben), und in welchem Umfang sol-
len in den nächsten Jahren weitere errichtet werden (Gesamtlänge und Ge-
samtfläche, bitte alle konkret geplanten Standorte angeben)?

3. Welche Erfahrungen über die Realisierbarkeit und Amortisation der Solar-
stromerzeugung an Lärmschutzwänden sind beim Pilotprojekt in Vaterstet-
ten gewonnen worden, sind diese ausgewertet worden und u. a. in die Pro-
jekte bei Duisburg und Nürnberg eingeflossen?

4. Wurden bzw. werden die Projekte in Vaterstellen, Duisburg und Nürnberg
von der DB AG bzw. ihrer Tochterfirma, der DB Netz AG, allein oder im
Zusammenwirken mit Dritten verwirklicht, und wenn eine Zusammen-
arbeit stattfand, welche weiteren Unternehmen sind in die Planung, den
Bau und den Betrieb der Lärmschutzwände sowie der Solaranlagen einge-
bunden?

5. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgten bzw. erfolgen die genannten
Pilotprojekte, und fallen sie in den Geltungsbereich der Richtlinie für die
Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienen-
wegen der Eisenbahnen des Bundes vom 7. März 2005, auch wenn diese
den Fördertatbestand der Kombination von Lärmschutz und Photovoltaik
nicht erwähnt?

6. Welche Behörden waren bzw. sind in die Genehmigung der genannten
Pilotprojekte eingebunden, und wurden dazu bestehende rechtliche Grund-
lagen ergänzt oder Ausnahmegenehmigungen erteilt?

7. Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen nach Ansicht der Bundes-
regierung gegeben sein, um Lärmschutzwände an Bahnstrecken groß-
flächig entweder mit Photovoltaikanlagen nachrüsten zu können oder bei
einem Neubau von vornherein in diese zu integrieren?

8. Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer energie- und klima-
schutzpolitischen Ziele bereit, einen generelle Förderung der Solarstrom-
erzeugung an Lärmschutzwänden an Bahnstrecken zu erwägen und dazu
die gesetzgeberischen Voraussetzungen zu schaffen?

9. Wie hoch ist die potenziell installierbare Kapazität (in Jahresstromleistung)
von Photovoltaikanlagen an DB-eigenen Lärmschutzwänden unter Berück-
sichtigung der in den Pilotprojekten gewonnenen Erfahrungen?

10. Wie hoch ist die, auch unter Berücksichtigung der jüngsten Novelle des Er-
neuerbare-Energien-Gesetzes, wirtschaftlich rentabel darstellbare Kapazi-
tät von Photovoltaikanlagen an Lärmschutzwänden an Strecken der Deut-
schen Bahn AG?

11. Erhielt oder erhält die Deutsche Bahn AG nach Einschätzung der Bundes-
regierung Anfragen externer Dienstleister zur Nutzung von Lärmschutz-
wänden zur Solarstromerzeugung, und wie hat die Deutsche Bahn AG auf
diese Anfragen reagiert bzw. reagiert sie?

12. Welcher Beitrag kann nach Einschätzung der Bundesregierung durch die
bundesweite Nutzung von Lärmschutzwänden an Bahnstrecken zur Solar-
stromerzeugung zur Reduktion verkehrsbedingter CO2-Emissionen geleis-
tet werden?

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13. Sieht die Bundesregierung rechtliche Möglichkeiten, um – ähnlich dem
Einsatz von Photovoltaikanlagen an Lärmschutzwänden an Bundesfern-
straßen – die Erlöse aus dem Stromverkauf zumindest teilweise dazu zu
nutzen, um bei künftigen Projekten den Lärmschutz an Bahnstrecken im
Interesse der Bürgerinnen und Bürger über das gesetzlich vorgeschriebene
Maß hinaus zu verbessern?

14. In welchem Umfang bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung in der
Bundesrepublik Deutschland Lärmschutzwände an Strecken nichtbundes-
eigener Bahnen (bitte alle konkreten Standorte angeben), und inwieweit
sind diese für die Solarstromerzeugung nutzbar (bitte in Prozent angeben)?

15. In welchem Umfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb
der gesamten EU an Bahnstrecken Lärmschutzwände vorhanden, die prin-
zipiell für die Installierung von Photovoltaikanlagen geeignet wären?

16. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen EU-Ländern Vor-
haben bzw. laufende Projekte, bei denen Lärmschutzwände an Bahn-
strecken zur Solarstromerzeugung genutzt werden?

Berlin, den 4. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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